Es sind turbulente Jahre, welche die Snackautomaten-Firma Selecta hinter sich hat. Das Unternehmen hatte in der Vergangenheit einen grossen Schuldenberg angehäuft. Die Konzernstruktur war unübersichtlich und ineffizient geworden. Als 2015 die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft KKR Selecta übernahm, war klar, dass irgendwann harte Spareinschnitte folgen würden.
Der Mann fürs Grobe und KKR-Entsandter war ab 2020 der Deutsche Christian Schmitz. Gemeinsam mit seinem Förderer, dem Verwaltungsratspräsidenten Joe Plumeri, baute er rund einen Drittel der über 10'000 Stellen ab und initiierte eine Firmenkultur, die intern für viel Kritik und weitere Abgänge sorgte. Nur: Den kompletten Turnaround schafften die beiden damit nicht. Der anvisierte Börsengang musste abgeblasen werden und stattdessen wird nun nach einem Käufer Ausschau gehalten.
Die Zukunft der Firma ist somit alles andere als klar. Wird der Konzern aufgesplittet? Werden weitere Stellen wegfallen? Die Unsicherheit ist gross. In solchen Zeiten ist gewöhnlich Sensibilität gefragt. Selecta-Chef Christian Schmitz hält dies aber nicht davon ab, auf der Online-Plattform Linkedin seine Freude über seine neuste Errungenschaft zu teilen. Denn Schmitz hat beim Vielflieger-Programm der Lufthansa-Gruppe den so genannten Frequent Traveler Status auf Lebenszeit erreicht.
Er freue sich auf mindestens 60 Jahre mit Frei-Bier und Gratis-Wienerwürstchen von der Lufthansa und der Swiss. Und mit einem Smiley-Zeichen fügt er an: «Das wird teuer, wenn ich pensioniert sein werde.» Er bedankt sich für zwei Dekaden an sicherem Transport und das gute Gefühl, nach Hause zu seiner Familie gebracht zu werden. Schmitz, Fan des Lachs, der in der Business und First Class serviert wird, schliesst mit einer Bitte: «Liebe Swiss, denkt bloss nie daran, den Balik vom Menü zu nehmen.»
«Total abgehoben, keine Bodenhaftung», lautet das Verdikt mehrerer Selecta-Insider. Einer verweist darauf, dass Business-Class-Flüge auf der Langstrecke oft über 5000 Franken kosten. Und für Sitze in der First Class können gut und gerne über 10'000 Franken fällig werden.
Laut eines Sprechers des Lufthansa-Meilenprogramms Miles and More lässt sich nicht pauschal sagen, wie viele Flüge im Schnitt für Schmitz' Status nötig sind. Wie viele Punkte gesammelt werden, hange von der Buchungsklasse und der Wahl zwischen Kurz- und Langstreckenflug ab. So lasse sich der Frequent Traveller Status auf Lebenszeit beispielsweise erreichen, wenn man 150 Interkontinental-Flüge in der Business Class absolviert habe.
Wer Teil des exklusiven Vielflieger-Clubs auf Lebenszeit wird, profitiert von zahlreichen Privilegien. Dazu gehören unter anderem der Erhalt einer silbernen Statuskarte und ein hochwertiger Kofferanhänger für ein bevorzugtes Check-in, für den Lounge-Zugang, eine erhöhte Freigepäckmenge und unbegrenzte Meilengültigkeit.
Bekannt ist, dass Schmitz lange Zeit als Selecta-Chef alle paar Wochen zwischen seiner damaligen Heimat Kalifornien und Zürich hin und her pendelte – und so eifrig Meilen sammeln konnte.
Und dann wäre da noch das Thema Umwelt. Auf der eigenen Website misst Selecta diesem Aspekt grosse Bedeutung bei: «Nachhaltigkeit ist ein integraler Teil unserer Art zu geschäften», heisst es dort. Man wolle den CO₂-Ausstoss in der gesamten Wertschöpfungskette reduzieren, sei es mit einer elektrisch angetriebenen Autoflotte oder dem Einsatz von Solarpanels.
Wie passen diese Bemühungen zur Vielfliegerei des eigenen Chefs in den vorderen Reihen der Flugzeugkabine, die pro Passagier einen deutlich grösseren CO₂-Fussabdruck aufweisen?
CH Media hat diese Frage Selecta gestellt, genauso wie die Frage, ob sich Schmitz vorstellen könnte, mit seinem Post intern für Irritation zu sorgen. Die Firma liess die Anfrage über mehrere Tage unbeantwortet. Somit bleibt auch unklar, wie viele Flüge Schmitz für das Erlangen seines neuen Passagierstatus in der Business oder First Class absolviert hat, und ob er diese kompensiert hat.
Klar scheint, dass viele Selecta-Kader-Angestellte, die mit Anteilsscheinen bei Stange gehalten wurden, enttäuscht werden. Denn die dafür in Aussicht gestellten Erlöse bei einem Börsengang sind inzwischen – verflogen. (aargauerzeitung.ch)
Je höher, das Level in der Firma, desto öfters geht das wohl "vergessen"...