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Wirtschaft

Migros versenkt Nutri-Score – Ärger bei Stiftung für Konsumentenschutz

Migros verzichtet auf den Nutri-Score – für den Konsumentenschutz ist klar, wer schuld ist

Nach nur drei Jahren ist Schluss. Die Migros verzichtet künftig auf die Nährwert-Kennzeichnung Nutri-Score, sehr zum Ärger der Stiftung für Konsumentenschutz. Mitte-Ständerat Benedikt Würth ist über die Abschaffung erfreut, der Nutri-Score verfolge einen falschen Ansatz.
23.05.2024, 04:5123.05.2024, 08:42
Ralph Steiner
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Er sollte Kundinnen und Kunden der Migros dabei unterstützen, sich gesünder zu ernähren. Nach drei Jahren ist der sogenannte Nutri-Score jedoch bereits wieder Geschichte.

Am Montag hat die Migros darüber informiert, die Nährwert-Kennzeichnung nicht weiterzuführen. Verpackt in eine Medienmitteilung, die primär einen Abbau von 150 Stellen bekannt gab.

Der Nutri-Score werde schrittweise von den Migros-Produkten entfernt, die Erfahrungen hätten gezeigt, dass der Nutzen im Verhältnis zu den hohen Kosten zu gering sei.

Der Nutri-Score bewertet Produkte von A bis E. Sind die Nährwerte eines Nahrungsmittels besonders gut, erhält es ein grünes A. Diejenigen Produkte mit den schlechtesten Nährwerten erhalten ein rotes E ...
Der Nutri-Score bewertet Produkte von A bis E. Sind die Nährwerte eines Nahrungsmittels besonders gut, erhält es ein grünes A. Diejenigen Produkte mit den schlechtesten Nährwerten erhalten ein rotes E.Bild: Shutterstock

Käse und Fleisch kommen nicht gut weg

«Die Kostenfrage ist ein vorgeschobenes Argument», betont Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes. Der Nutri-Score sei in den vergangenen Jahren mit vielen polemischen und auch falschen Argumenten diskreditiert worden, leider habe sich die Migros nun dem Druck von Lobbyisten und Politik gebeugt.

«Die Kostenfrage ist ein vorgeschobenes Argument.»
Sara Stalder

Stalder erwähnt Nahrungsmittel wie Käse, stark verarbeitete Fleischprodukte oder Süssgetränke. «Die erhalten ein D, je nachdem sogar ein E. Nicht die besten Aussichten für Produzenten. Solche Bewertungen sind aufgrund des hohen Fett-, Salz- oder Zuckergehalts jedoch angebracht.»

Sara Stalder, Geschaeftsleiterin der Stiftung fuer Konsumentenschutz (SKS), spricht waehrend einer Medienkonferenz zum Referendum "Nein zur willkuerlichen Ueberwachung von Versicherten", am  ...
Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes.Bild: KEYSTONE

Auf politischer Ebene manifestierte sich die Kritik gegenüber dem Nutri-Score in einer Motion, die das Parlament im März verabschiedet hat. Die Kommission für Wirtschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) fordert den Bundesrat darin auf, zu präzisieren, wie der Nutri-Score zum Einsatz kommt. Die anstehende Lebensmittelgesetzrevision biete sich dafür an.

Die Kommission ist nebst weiteren Aspekten der Meinung, dass der Einsatz des Nutri-Scores freiwillig und die Verwendung Sache der Marktakteure bleiben sollte.

Lebensmittelpyramide als Orientierung

Benedikt Würth, der damalige Präsident der WBK-S, war die treibende Kraft hinter der Motion. Der St.Galler Mitte-Ständerat präsidiert auch die Vereinigung AOP-IGP, welche traditionellen Schweizer Spezialitäten, hauptsächlich Käse und Fleisch, ein gesetzlich geschütztes Qualitätszeichen verleiht.

«Das Motiv von Benedikt Würth ist ganz klar, die AOP-IGP hat Angst, dass durch den Nutri-Score ihre Produkte weniger verkauft werden», sagt Stalder vom Konsumentenschutz. Traditionelle Nahrungsmittel wie der Gruyère-Käse und die St.Galler Bratwurst seien selbstverständlich eine Bereicherung, so Stalder weiter. «Dass sich die AOP-IGP aber dagegen wehrt, zu zeigen, was an Nährwerten in ihren Produkten enthalten ist, finde ich nicht korrekt.»

Benedikt Wuerth, Mitte-SG, spricht waehrend der Debatte im Staenderat, in der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 20. September 2023, in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Mitte-Ständerat Benedikt Würth.Bild: keystone

Seine Interessenbindung habe er immer offengelegt, entgegnet Würth auf Anfrage. In der Tat hat der Mitte-Politiker bei der Debatte im Ständerat transparent auf sein Mandat hingewiesen.

Dass die Migros entschieden hat, den Nutri-Score nicht weiterzuführen, begrüsse er sehr. Der Ansatz der Nährwert-Kennzeichnung sei falsch, weil er nur auf das einzelne Produkt fokussiere. Würth hat sich in seinem Votum im Ständerat für die allseits bekannte Lebensmittelpyramide als das wichtigste Instrument der Konsumenteninformation ausgesprochen.

Konfrontiert mit der Aussage, dass Produkte wie Käse und Fleisch auch in der Lebensmittelpyramide weit oben rangierten und deswegen die Information mittels Nutri-Score rechtfertigten, sagt Würth: «Wichtig ist, dass sich die Bevölkerung ausgewogen ernährt. Das ist der Kern der Lebensmittelpyramide.»

Je weiter oben ein Produkt, desto weniger sollte man davon konsumieren.
Je weiter oben ein Produkt, desto weniger sollte man davon konsumieren. bild: Schweizerische gesellschaft für ernährung SGE, bundesamt für lebensmittelsicherheit und veterinärwesen BLv

«Dieses Vorgreifen ist absurd»

Auch was den Schweizer Sonderweg in Bezug auf die Europäische Union betrifft, vertreten Stalder und Würth gegensätzliche Positionen.

Derzeit debattiert die EU darüber, ob der Nutri-Score in ihren Mitgliedsländern als obligatorisch gelten sollte. Der Entscheid ist hängig, auch weil einzelne Staaten, darunter Italien, stark opponieren.

Sara Stalder ärgert sich über die Motion, mit der das Parlament dem Entscheid der EU zuvorkomme, «dieses Vorgreifen ist absurd». Eine obligatorische Einführung des Nutri-Scores sei hierzulande nun vom Tisch.

Unter anderem um einem Obligatorium vorzugreifen, habe seine Kommission die Motion lanciert, entgegnet Ständerat Benedikt Würth. «Der Entscheid des Parlaments zeigt: Die Mehrheit will nicht, dass der Nutri-Score obligatorisch wird. Die Schweiz vertritt somit eine ähnliche Position wie andere EU-Länder, die skeptisch oder ablehnend sind.»

Auch wenn derzeit nicht klar ist, wann der Entscheid gefällt wird: Sollte die EU den Nutri-Score für obligatorisch erklären, könnte es in der Schweiz kompliziert werden. Stalder sagt:

«Grosse internationale Nahrungsmittelkonzerne, die auch in die Schweiz liefern, müssten ihre Produkte kennzeichnen. In der Schweiz hätten importierte Nahrungsmittel daher einen Nutri-Score, Eigenprodukte nicht. Es entstünde ein regelrechtes Flickwerk an Regelungen, was für die Kundschaft unverständlich wäre.»

Auch die Migros stünde vor Herausforderungen. «Möchte sie in Deutschland weiterhin Läden betreiben, müsste sie den Nutri-Score dort verwenden.» Würth hingegen geht davon aus, dass die Nährwert-Kennzeichnung in der EU nicht obligatorisch wird, «auch aufgrund der zunehmend fachlichen Zweifel am Nutri-Score».

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281 Kommentare
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TRN
23.05.2024 06:32registriert Dezember 2021
Auch wenn ich dezidiert der Auffassung bin, dass sich Menschen die sich erwachsen nennen wollen selber über die Grundlagen gesunder Ernährung schlau machen sollten, ist wohl davon auszugehen, dass die Migros befürchtet oder festgestellt hat, dass es geschäftsschädigend ist, wenn auf vielen Sachen die sie verkauft drauf steht, dass es Ernährungsmüll ist. Eigentlich sollten alle Detailhändler einen Nutri-Score angeben müssen, damit die Spiesse gleich lang sind.
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Kruk
23.05.2024 05:56registriert Januar 2024
Ist halt für viele Produkte nicht gerade die beste Werbung.
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Il piccone
23.05.2024 06:53registriert August 2021
Wie es der orangensaft in die Basis der Ernährungspyramide geschaft hat wird mir immer ein rätsel bleiben..
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