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Überbrückungsrente: So will der Bundesrat älteren Arbeitslosen helfen

Überbrückungsrente ab 60: So will der Bundesrat älteren Arbeitslosen helfen

30.10.2019, 14:0030.10.2019, 15:00
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An der MK: Bundesrat Alain Berset, Vorsteher Eidgenössisches Departement des Innern (EDI), Jürg Brechbühl, Direktor Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und Vizekanzler André Simonazzi, BundesratssprecherVideo: YouTube/Der Schweizerische Bundesrat - Le Conseil fédéral suisse - Il Consiglio federale svizzero

Wer nach dem 60. Altersjahr von der Arbeitslosenversicherung ausgesteuert wird, soll bis zur Pensionierung eine Überbrückungsrente erhalten. Daran hält der Bundesrat fest. Von linker Seite war ein tieferes Alter gefordert worden, von rechter ein höheres.

Der Bundesrat bleibt nach der Vernehmlassung jedoch bei seinem Vorschlag. Er hat am Mittwoch die Botschaft zuhanden des Parlaments verabschiedet. Mit der Überbrückungsrente will er die soziale Sicherheit von älteren Arbeitslosen verbessern.

Anspruch haben Personen, die mit 58 Jahren oder später ihre Stelle verloren haben. Eine Überbrückungsrente erhält jedoch nur, wer mindestens 20 Jahre lang in die AHV eingezahlt hat. In den 15 Jahren unmittelbar vor der Aussteuerung muss während mindestens 10 Jahren ein minimales Erwerbseinkommen von 21'330 Franken erzielt worden sein. Das entspricht 75 Prozent der maximalen AHV-Altersrente.

Mit dem Spielraum von 15 Jahren hat der Bundesrat nach der Vernehmlassung eine Änderung vorgenommen. So könnten auch Personen Anspruch haben, die vor der Aussteuerung krank geworden seien oder Erwerbsunterbrüche gehabt hätten, schreibt er.

Vermögensschwelle von 100'000 Franken

An der Vermögensschwelle hat er keine Änderungen vorgenommen: Anspruch hat nur, wer weniger als 100'000 Franken Vermögen hat. Bei Ehepaaren liegt die Schwelle bei 200'000 Franken. Selbstbewohntes Wohneigentum wird bei der Vermögensschwelle nicht angerechnet. Hingegen wird der Ertrag aus Wohneigentum bei der Berechnung als Einkommen angerechnet.

Die Überbrückungsleistung soll gleich berechnet werden wie eine Ergänzungsleistung. Ihre Höhe entspricht der Differenz zwischen den anerkannten Ausgaben und den anrechenbaren Einnahmen. Es gibt allerdings zwei Abweichungen zur EL.

Höherer Lebensbedarf

Der Betrag für den allgemeinen Lebensbedarf wird gegenüber den Ergänzungsleistungen um 25 Prozent erhöht. Das sind aktuell 24'310 Franken, für Ehepaare 36'470 Franken. Damit würden auch die Krankheits- und Behinderungskosten abgegolten, die bei den Ergänzungsleistungen gesondert vergütet würden.

Ausserdem sollen die Überbrückungsleistungen plafoniert werden, damit die Betroffenen weiterhin einen Anreiz haben, sich um eine Stelle zu bemühen. Die Rente beträgt maximal das Dreifache des Betrags für den allgemeinen Lebensbedarf bei den EL. Das sind für alleinstehende Personen 58'350 Franken und für Ehepaare 87'525 Franken.

4400 Personen im Jahr

In den vergangenen Jahren wurden im Durchschnitt jährlich rund 2600 Personen im Alter von 60 und mehr Jahren ausgesteuert. Der Bundesrat geht davon aus, dass nach der Einführungsphase etwa 4400 Personen jährlich Anspruch auf Überbrückungsleistungen haben.

Die Kosten belaufen sich auf 30 Millionen Franken im Jahr 2021, steigen in den Folgejahren und betragen 230 Millionen Franken im Jahr 2030. Dem stünden Einsparungen bei den EL von zu Beginn 20 Millionen und später mehr als 30 Millionen Franken pro Jahr gegenüber, schreibt der Bundesrat.

Keine falschen Anreize

Die Überbrückungsleistungen werden vom Bund finanziert, die Einsparungen bei den EL kommen zu fünf Achteln dem Bund, zu drei Achteln den Kantonen zugute. Kantone und Gemeinden profitierten zudem von Einsparungen bei der Sozialhilfe, hält der Bundesrat fest.

Gemäss einer Studie im Auftrag des Bundes ist nicht zu befürchten, dass sich ältere Arbeitslose weniger um eine Integration in den Arbeitsmarkt bemühen oder dass Arbeitgeber vermehrt ältere Mitarbeitende entlassen und in die Überbrückungsrente abschieben.

Akzeptanz der Personenfreizügigkeit

Die Überbrückungsrente ist Teil eines Massnahmenpakets zur Förderung des inländischen Arbeitskräftepotenzials, auf das sich die Sozialpartner und der Bundesrat geeinigt hatten. Sie wollen damit erreichen, dass die Schweizer Unternehmen so viele Arbeitskräfte wie möglich im Inland rekrutieren.

Das sei eine Voraussetzung dafür, dass die Bevölkerung die Personenfreizügigkeit mit der EU weiterhin mittrage, argumentierte der Bundesrat bei der Präsentation der Vorschläge. Er erwähnte die Überbrückungsrente auch in seiner Botschaft zur Begrenzungsinitiative der SVP.

Sozialhilfequote steigt

Ältere Menschen haben zunehmend Schwierigkeiten, wieder eine Stelle zu finden, wenn sie ihren Job verlieren. Bei den 60- bis 64-Jährigen ist die Sozialhilfequote von 2011 bis 2017 um 47 Prozent gestiegen - mehr als in allen anderen Alterskategorien.

In der Vernehmlassung hat sich die SVP gegen die Überbrückungsrente ausgesprochen. Auch die GLP äusserte grosse Vorbehalte. Die FDP forderte eine höhere Altersgrenze. Die SP und die Gewerkschaften forderten dagegen Überbrückungsleistungen schon ab 55 beziehungsweise 57 Jahren. Nun ist das Parlament am Zug. (aeg/sda)

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26 Kommentare
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ingmarbergman
30.10.2019 14:22registriert August 2017
SVP und FDP wieder mal voll gegen die Büetzer..

Wer wählt die bloss?
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Touché
30.10.2019 15:27registriert Februar 2019
Endlich mal etwas positives für die Bevölkerung! Wann kommt das in Kraft?
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Easy
30.10.2019 16:29registriert Juni 2018
Mal was in guter Richtung...
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