Das BAG schätzt den Anteil momentan auf rund 10 Prozent. Mitte Juni lag der geschätzte Wert noch bei 5 Prozent. Das würde eine Verdoppelung in nicht einmal zwei Wochen bedeuten. Am Point de Presse am Dienstag warnte Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung beim BAG, dementsprechend auch vor einer «deutlichen Zunahme» der Delta-Fälle.
Die Gründe dafür dürften bei der Vernachlässigung der Schutzmassnahmen liegen. «Insbesondere beim Abstandhalten, Masketragen, Händeschütteln und bei Begrüssungsritualen» stelle man dies fest, sagte der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri an der Pressekonferenz.
Spitzenreiter in Sachen Delta ist momentan Grossbritannien. Mehr als 90 Prozent aller dortigen Neuinfektionen sind auf die neue Delta-Variante zurückzuführen. Um diese Quote zu erreichen, brauchte Delta nicht einmal zwei Monate. Zum Vergleich: Die erstmals in Grossbritannien aufgetauchte Alpha-Variante brauchte dafür mehr als drei Monate.
Doch auch in anderen Ländern Europas ist Delta auf dem Vormarsch. In Portugal hat sich der Stamm bereits durchgesetzt. Die portugiesische Regierung sah sich letztes Wochenende deswegen dazu veranlasst, die Hauptstadt Lissabon in einen erneuten Lockdown zu schicken.
Ebenfalls zurück in den Lockdown musste Moskau. Auch hier hat sich Delta durchgesetzt und für einen markanten Anstieg an Fallzahlen gesorgt. Rund 90 Prozent sind dabei Delta zuzuschreiben. Es wurden Rekordwerte bei den Neuinfektionen vermeldet. Laut der Stadtverwaltung haben sich die Fallzahlen in den letzten zwei Wochen verdreifacht, am Samstag wurden in der 12-Millionen-Einwohner-Stadt 9120 neue Fälle gemeldet.
In Deutschland ist man noch etwas entfernt von diesen Werten, doch zeigt sich auch hier dasselbe Muster: Anfang Juni hat sich der Anteil des Delta-Stammes innerhalb von nur einer Woche verdoppelt. Damals lag man bei sechs Prozent, mittlerweile dürfte der Anteil jedoch wesentlich höher liegen.
In gewissen Gebieten in Frankreich und Spanien liegt der Anteil der Delta-Variante ebenfalls bereits bei 20 bis 30 Prozent, wie der Tages-Anzeiger berichtet. Der Präsident des Robert-Koch-Institutes in Deutschland hat es letzte Woche treffend formuliert: «Es ist nicht die Frage, ob Delta die führende Variante wird, sondern wann».
Für die Schweiz stimmt das momentan noch. Und bei dem Anteil an Delta-Fällen ist bei sinkenden Fallzahlen auch Vorsicht geboten, da dies das Gesamtbild verzerren können.
Doch die Beispiele Grossbritannien, Moskau und Lissabon zeigen, dass sich das Blatt schnell wenden kann. Neben den Lockdowns in Russland und Portugal hat auch der britische Premierminister Boris Johnson letzte Woche verkündet, den sogenannten «Freedom Day» um einen Monat hinauszuzögern. Dies, nachdem Daten gezeigt hatten, dass die Delta-Variante das Risiko einer Hospitalisierung im Vergleich zur Alpha-Variante um das Zweifache erhöht.
Doch. Das Problem ist aber, dass sich Delta schneller verbreitet, als Europa Impfstoffe verabreicht. Wir befinden uns also in einem Rennen gegen die Mutation.
Laut einer Untersuchung der englischen Gesundheitsbehörde kommt es zudem darauf an, ob eine Person erst eine oder bereits beide Dosen bekommen hat. Bei mRNA-Impfstoffen liege die Wirksamkeit gegen Delta nach der ersten Dosis bei 33 Prozent, bei zwei Dosen klettert sie auf 88 Prozent.
In der Schweiz sind aber erst 30 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Weitere knapp 17 Prozent haben die erste Dosis erhalten. In anderen Ländern von Festlandeuropa sieht es ähnlich aus. Wird die Delta-Variante in den nächsten Wochen also in der Schweiz, Deutschland, Frankreich oder Spanien dominant, so ist auch in diesen Ländern mit einem Anstieg der Fallzahlen zu rechnen. Vor allem dann, wenn gleichzeitig weitere Lockerungen in Kraft treten.
Eine Verlangsamung der Verbreitung von Delta und damit eine Anpassung an das Impftempo ist nur zu erreichen, wenn sich die Bevölkerung auch weiterhin an die gängigen Schutzmassnahmen hält.
Wenn sich die Bevölkerung auch weiterhin an die gängigen Schutzmassnahmen hält, und sich auch die Mehrheit der Jugendlichen für die Impfung entscheidet:
Dann schaffen wir das.
Mittlerweile sind ja die meisten unter uns routinierte Profis in Sachen Schutzmassnahmen.
Also einfach noch eine Weile durchhalten.