Was ich noch nie in meinem Leben verstanden habe und ewig ein Rätsel für mich bleiben wird, so sehr ich mich auch anstrenge? Es gibt Menschen, die kommen zu meinen Spieletestrunden, um neue Spiele auszuprobieren und sagen dort Dinge wie: «Ich mag keine kooperativen Spiele.»
Einfach so, aus Prinzip. Weil sie das irgendwann mal in ihrem Leben so beschlossen haben. Wie ein Restaurant-Kritiker, der nur Gerichte ohne Gemüse isst oder ein Autotester, der partout keine Elektroautos fahren will.
Ich werde diese Haltung nie verstehen, denn es gibt eine derart riesige Palette an verschiedenen Spielsystemen mit völlig unterschiedlichen Spielgefühlen im Bereich der kooperativen Spiele, dass eine solche Aussage schlichtweg keinen Sinn ergibt. Zudem wird der Anteil kooperativer Spiele bei den Spieleneuheiten immer grösser. Wir haben vier solcher Neuheiten ausprobiert, und zum Schluss gibt es noch einen altbewährten Tipp.
Wir führen gemeinsam ein Restaurant und versuchen unter Zeitdruck, die wunderprächtigsten Gerichte zu kochen, möglichst viele Gäste zufriedenzustellen und genügend Geld zu verdienen.
Im Restaurant gibt es viele verschiedene Aufgaben zu erledigen. Die Spieler müssen die anfallenden Arbeiten untereinander aufteilen: Gäste empfangen, Bestellungen aufnehmen, Zutaten aus der Vorratskammer nehmen, kochen, korrekt würzen, Geschirr abwaschen, Zutaten einkaufen. Alles geschieht unter Zeitdruck. Alles kooperativ, alles in Echtzeit. Es gilt, nach einer Spielzeit von nur vier oder fünf Minuten eine gewisse Anzahl Gäste zufrieden gestellt und alle Gerichte korrekt gekocht zu haben.
Will man eine Aufgabe anpacken, muss man auf dem entsprechenden Feld des Spielplans eine Sanduhr umdrehen. Erst wenn sie abgelaufen ist, kann man eine neue Aktion ausführen.
Auf «Gästekarten», die zufällig ins Spiel kommen, sind alle notwendigen Informationen über die gewünschten Gerichte aufgedruckt: Für eine «gebratene Wachtel auf Waldpilz-Salat» benötigt man zum Beispiel eine Einheit Fleisch, drei Gemüse, zwei Salat, ein Salz, ein Pfeffer, einmal Kräuter, einen mittleren und einen kleineren Teller. Die Zubereitungszeit für die Wachtel beträgt drei Zeiteinheiten, für den Salat eine Zeiteinheit. Es gibt 5 Münzen Belohnung dafür. «Kitchen Rush» ist eine knallharte Wirtschafts-Simulation, in jedem Sinn des Wortes.
Sehr schönes und aufwändig gestaltetes Spielmaterial. Die Zutaten sind kleine Holzklötzchen in der Form und Farbe der jeweiligen Lebensmittel: Käse, Fleisch, Salat, Brot etc. Das Spiel ist didaktisch hervorragend in acht aufeinander aufbauende Szenarien aufgebaut, die jeweils neue Spielelemente hinzufügen und die Aufgaben immer komplexer und anspruchsvoller machen. Thematisch stimmt's: Am Spieltisch kommt tatsächlich das Feeling auf, gemeinsam ein Restaurant zu führen.
Leute, die gerne im Team unter Stress Adrenalin spüren. Die Spieler müssen sich fortlaufend absprechen. «Kitchen Rush» klingt nach Arbeit, ist tatsächlich Hektik pur, aber auch unheimlich unterhaltend. Es kann einen ziemlichen Suchtfaktor entfalten, da man den Schwierigkeitsgrad ständig steigern kann. Obwohl ein einzelnes Szenario jeweils nur vier oder fünf Minuten dauert, konnten sich mehrere meiner Testgruppen über Stunden nicht mehr vom Spiel lösen. Weil jeder immer genug zu tun hat, ist auch die Gefahr, dass ein Spieler die Rolle eines Alpha-Players übernimmt, eher gering.
Tief unter Midgard lenken die mystischen Nornen (wer zur Hölle das auch immer sind) das Schicksal der Welt. Ein bunter Trupp altertümlicher Helden versucht nichts Geringeres, als Ragnarök, den Weltuntergang, aufzuhalten. Das wird bestimmt kein Kindergeburtstag!
Es handelt sich um ein kooperatives Deckbauspiel, das thematisch (und grafisch) von der gleichnamigen Computerspiel-Serie inspiriert ist. Spieltechnisch ist es ziemlich mit «Harry Potter: Kampf um Hogwarts» vergleichbar, das ich neulich hier vorgestellt habe.
Von den Regeln und Entscheidungsmöglichkeiten her ist es allerdings komplexer. Jeder Spieler führt einen Charakter, der mit einem eigenen Deck von vierzehn Karten startet. Die Decks vergrössern sich ständig. Mit schlau gewählten Aufrüstungen versucht man sie zu optimieren. Sieben Handkarten werden pro Zug jeweils abgehandelt, um Monster und Bösewichte zu bekämpfen.
Es gibt zehn unterschiedliche Szenarien. Jedes Szenario besteht jeweils aus einem zusammengesetzten offenen Bild von acht Karten, welche die Gegner darstellen, und hat eigene Sonderregeln. In einer Partie wird eine Abfolge von drei Szenarien durchgespielt. Die einzelnen Szenarien sind sehr unterschiedlich. Cleveres Teamplay ist unausweichlich, um erfolgreich zu sein.
Sehr düstere Grafik und eher brutale Hintergrundgeschichte, die vom Computerspiel übernommen wurden. Das Spiel enthält spezifische Regeln für Solo-Kampagnen.
Liebhaber von kooperativen Deckbau-Spielen. Sorry, dass ich erneut das Harry-Potter-Spiel erwähne, aber der Vergleich drängt sich auf: Ist «Kampf um Hogwarts» doch sehr auf Harry-Potter-Fans zugeschnitten, spielt hier das konkrete Spieluniversum für das Erlebnis nicht eine so tragende Rolle. «God of War» bietet mehr Abwechslung und taktische Entscheidungsmöglichkeiten.
Von Alex Olteanu und Fel Barros für 1 bis 4 Spieler ab 12 Jahren; 90 min. und länger; Verlag: Cmon/Asmodee; ca. 50 Franken.
Frei nach H. P. Lovecraft: Wir sind auf dem Campus der Miskatonic-Universität, wo sich Dimensionstore geöffnet haben, die entsetzliche schleimtriefende Monstrositäten auf das Gelände speien. Wir müssen uns der Monsterhorde entgegenstellen und die Welt retten.
Monster und Ermittler bewegen sich auf einem Universitäts-Spielplan mit 15 Standorten. Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines Ermittlers mit einem eigenen individuellen Stapel von Aktionskarten. In jeder Runde müssen die Spieler als Team die Effekte von vier Karten abhandeln. Im Vier-Personen-Spiel steuert jeder Spieler jeweils eine Karte dazu bei. Der Clou: Jede Karte hat zwei mögliche Effekte aufgedruckt: Oben eine ziemlich gute und unten eine eher schlechte. Die Spieler dürfen allerdings nicht über den Inhalt der Karten miteinander reden.
Durch das Ausspielen von sogenannten «Prioritätskarten» legen die Spieler fest, welche zwei oberen und welche zwei unteren Effekte dann tatsächlich abgehandelt werden. Um die Prioritätskarten clever ausspielen zu können, ist ein Mix aus psychologischem Flair und Risikokalkulation gefragt. Durch die Effekte kommen neue Monster ins Spiel, bewegen sich auf dem Spielplan, greifen an, können neutralisiert werden etc. etc.
Völlig eigenständiges Spiel der wachsenden Arkham-Horror-Brettspielfamilie. Durch die Grafik und die Charaktere ist das Spiel optimal in die Arkham-Welt eingebettet.
«Arkham-Horror»-Fans. Das Spiel hat meine Testgruppen allerdings ziemlich gespalten. Es ist umstritten, welchen Einfluss die einzelnen Spieler wirklich auf das Geschehen haben können. Ein Sieg ist für Anfänger pickelhart bis fast unmöglich zu realisieren. Die einen fanden das Spiel zu zufallsgesteuert, andere sahen aber durchaus befriedigendes taktisches Potenzial. Mit zunehmender Erfahrung wurden die Gruppen erfolgreicher. Die psychologische Komponente bei der Wahl der Prioritätskarten darf nicht unterschätzt werden.
Von Carlo A. Rossi für 1 bis 4 Spieler ab 14 Jahren; ca. 30 bis 90 min; Verlag: Asmodee; ca. 50 Franken.
Die Rietburg wurde von schaurigen Kreaturen wie Gors und Skrale besetzt. Eine Heldengruppe versucht, die Burg zu befreien und ihre verbliebenen Bewohner zu beschützen.
Es gilt, vier von sechs Aufgabenkarten zu erfüllen, bevor ein Stapel mit sogenannten «Erzählerkarten» aufgebraucht ist. Auf dem Spielbrett, das die besetzte Burg darstellt, werden immer mal wieder Begegnungskarten aufgedeckt. Sie zeigen entweder Kreaturen, die es zu bekämpfen gilt, oder Gegenstände, die man einsetzen kann.
Jeder Spieler hat individuelle Sonderfähigkeiten, besitzt einen sehr begrenzten Satz aus Helden- und später auch Freundeskarten (die man anheuern kann) und spielt in seinem Zug eine Karte davon aus, um Aktionen durchzuführen. Alternativ nimmt man alle Karten wieder zurück auf die Hand. Um Kreaturen zu besiegen, muss die Kampfstärke auf den gespielten Karten mindestens so gross sein wie die Kampfstärke der Kreatur. Auch gemeinsame Kämpfe sind möglich.
Achtung! Das Spiel spielt zwar in der Welt des Brettspiels «Die Legenden von Andor», das Spielsystem funktioniert aber völlig anders. Es ist ein eigenständiges, kurzes, relativ einfaches Familienspiel. Nur Grafik und Thema sind der Andor-Spielwelt entnommen.
Fans der Andor-Spielwelt, die einmal etwas anderes, etwas Leichteres versuchen möchten. Reine Erwachsenengruppen waren vom Spielsystem allerdings eher enttäuscht. Für Familien mit Kindern bietet das Spiel aber durchaus eine unterhaltende Herausforderung.
Von Gerhard Hecht für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren; ca 40 bis 60 min; Verlag: Kosmos; ca. 35 Franken.
Vier Seuchen bedrohen die Welt. Ein Team von Spezialisten muss möglichst rasch Heilmittel dagegen finden und die Welt retten (jo, schon wieder).
Die Spielfiguren moderner Helden werden möglichst koordiniert und sinnvoll auf einer Weltkarte zu den dringendsten Gefahrenherden geschickt, um Probleme zu lösen. Jeder Spieler ist ein Spezialist mit eigenen individuellen Fähigkeiten wie Sanitäter, Logistiker oder Forscher. Kleine Würfelchen, die Viren darstellen, müssen systematisch entfernt werden, um die weitere Ausbreitung der Seuchen zu verhindern.
Das Spiel stammt bereits aus dem Jahre 2008 und ist mehrfach preisgekrönt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Varianten dazu. Den Schwierigkeitsgrad kann man variabel gestalten.
Leute, die es cool finden, im Spiel gemeinsam ein Ziel zu erreichen oder gemeinsam zu scheitern und schon immer mal die Welt retten wollten.
Von Matt Leacock für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren; ca. 45 bis 60 min; Verlag: Asmodee/ZMan; ca. 45 Franken.