Der legendäre Samichlaus fristet ein Schattendasein in Mainstream-Medien, da seine Existenz schlicht negiert wird. Für watson bricht er exklusiv sein Schweigen und redet sich so manchen Frust von der Seele. Wie das Chaosjahr 2020 seine Arbeit beeinflusst und wie er den Zustand der Welt im Allgemeinen sieht, erfährst du hier.
Herr Samichlaus, wie schätzen Sie das Jahr 2020 im Rahmen Ihrer Arbeit ein? Trifft Sie das Krisenjahr ebenfalls?
Samichlaus: Wie bitte?
Hallo lieber Samichlaus, wie sieht deine Arbeit aus?
Wird es dieses Jahr besonders schwer oder eher nicht so sehr?
Aha. Also. Das Jahr wird in der Tat herausfordernd für mich als moralische Instanz. Gut und schlecht sind ohnehin immer schwerer voneinander zu trennen. Dieses Jahr hatte diesbezüglich einen katalysatorischen Effekt auf diese Entwicklung.
Wie meinst du lieber Nikolaus? Führ doch diese Antwort aus!
Während in den Jahren zuvor beispielsweise Härtefälle von Faulenzerei im Departement Schmutzli behandelt wurden, fallen sie dieses Jahr in meinen Kompetenzbereich. Faule, lethargische Stubenhocker sind die Helden dieses Jahres. Zudem erschweren Schutzkonzepte die Arbeit.
Schutzkonzepte, welch elender Graus; sag' mir, wie sieht deines aus?
Die Kontakt- und Bewegungsdaten unserer Klienten haben wir ja ohnehin. Das bedingt unsere Arbeit und ist in der Datenschutzverordnung mittels «Klaus-el» (lacht) ... ähm ... verankert. Das Risiko können wir so im Vorfeld abschätzen. Sonst gilt auch bei uns Maskenpflicht und der Mindestabstand. Schmutzlis Rute ist dieses Jahr folglich besonders lang. Mein Schoss wird dieses Jahr leider unberührt bleiben.
Doch auch Du bist Mensch und keine Puppe – wie lebt's sich in der Risikogruppe?
Ruhig, ehrlich gesagt. Die Vorbereitungsphase habe ich dieses Jahr im Home Office absolviert. Anstatt persönlich Haushalte zu stalken, habe ich dieses Jahr auf staatliche Überwachungskameras und Handydaten zurückgegriffen, um das Verhalten der Kinder bewerten zu können. Die Zusammenarbeit mit Bund und Kantonen funktioniert da prima.
Das Risiko bei derart vielen Besuchen ist nicht zu negieren – hast du keine Angst, ins Jenseits zu migrieren?
Nein, nein. Bin gut vernetzt. Bereits geimpft und gechippt.
Impfung hin, Chippung her – was, wenn du bist ein Superspreader? (als Reim gelesen)
Das liegt in der Verantwortung der Kantone.
Im Rückblick auf die letzte Dekade, was findest du besonders schade?
Uff, so einiges. Beim Einkauf der Mandarinen, Nüssen, etc. muss zusehends auf Fairtrade-Standards geachtet werden. Auch die Lieferketten dürfen seit Neuerem nur noch volljährige Elfen einschliessen. Alles in allem wird es einfach immer komplexer, die Fettnäpfchen vermehren sich. Gut oder schlecht – das ist zu einem biegsamen Dualismus verkommen. Da muss ich flexibel bleiben. Je nach Blickwinkel sind Kriegsgeschäfte zum Beispiel durchaus positiv, wie ich erfahren habe. Das verlangt mir ethische Verrenkungen ab. Zudem werden die Reime der Kinder zunehmend vulgärer. Lelele.
Bevor du dich kannst in Schweigen hüllen, tust du eigentlich noch Stiefel füllen?
Ja. Widerwillig. Ich selber habe dem Materialismus bereits länger abgeschworen. Auch wenn ich manchmal damit liebäugle, diese innere Leere in mir, die mein moralinsaures Geschwafel in mich geätzt hat, mit materialistischen Gütern zuzupflastern. Ändern würde es aber nichts. Schön, wenn es bei anderen Menschen die Leere zu füllen vermag.
Samichlaus, sag', geht's dir gut? Depressiv das klingen tut.
Ich bin nicht depressiv, ich bin systemmüde.
Irgendwann hat sich mal ein Fisch dazu entschieden, an Land zu gehen und nun muss ich einem Job nachgehen, hinter dem ich nicht wirklich stehen kann, um Rechnungen für Zeugs bezahlen zu können, das ich eigentlich nicht wirklich brauche.
Wieso nicht einfach den Job künden und als Aussteiger ein Gastro-Pub gründen?
Selbes Leid in neuem Kleid. Plus Schnurrbart und Hosenträger natürlich. (lacht)
Wie ich sehe, ist auch ihre Stimmung eher faltig, strugglen auch sie derart gewaltig?
Logisch! Wieso klingen Sie so überrascht? Das ist doch genau das Problem, das uns 2020 in aller Deutlichkeit vor Augen geführt wird! Alle haben das Gefühl, dass es den anderen besser geht, dass es die anderen leichter haben. Das verhindert Solidarität. Das ist schade, aber leider sehr nachvollziehbar. Vielleicht lernen wir es in der nächsten Krise.
Ist das ihr Abschlusswort?
Hä?
Ist das Ihr letztes Wort, bevor Sie ziehen fort?
Ja.
LURCH
Schmutzli Siffredi?
Don Quijote
Schönen Samichlaustag allerseits!