Die Schweizer bringen mittlerweile athletisch, spielerisch und taktisch alles mit, um Weltmeister werden zu können. Nun gilt es, den Schritt zu machen, der aus der Sicht von Nationaltrainer Patrick Fischer der schwierigste von allen ist: Unter höchstem Druck als Favorit zu reüssieren.
Aber herausfordernde Situationen zu lieben, wie das beispielsweise die Nordamerikaner tun, gilt nicht als typisch schweizerische Eigenschaft. Deshalb wurde der Staff mit Stefan Schwitter verstärkt. Der Zürcher mit Jahrgang 1983 war während sieben Jahren Wrestler, von 2008 bis 2010 als Profi. In dieser Zeit wohnte er grösstenteils in den USA.
Schwitter absolvierte in über einem Dutzend Ländern Shows und lebte nach dem Motto: «No pain, no gain» («Kein Schmerz, kein Gewinn»). So machte er stets noch mehr, vernachlässigte die Regeneration, wofür er den Preis bezahlte. «Das führte zu einem grossen Ungleichgewicht, die Konsequenz waren körperliche Beschwerden, die sich auf den Geist auswirkten», erzählt Schwitter im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Schwitter hat zahlreiche Ausbildungen absolviert, um als Performance Coach zu arbeiten, in erster Linie zeichnen ihn aber die gemachten Erfahrungen aus. Neben Mentoren hat ihn auch die Zeit in einem Zen-Kloster geprägt. Überhaupt setzte er sich schon früh mit sich selbst auseinander, mit zehn Jahren begann er zu meditieren.
Die innere Ruhe ist für Schwitter die Basis für Meisterleistungen. Eine solche lieferte er im Oktober 2022 selber ab, als er während 24 Stunden Kettlebells mit Gewichten von 24, 28 oder 32 kg schwang. Insgesamt hievte er 258'134 kg von den Knien zur Brust, womit er im «Guinness-Buch der Rekorde» erscheint.
Nun soll er dem Eishockey-Nationalteam dabei helfen, die «Viertelfinal-Blockade» zu lösen. «Die mentale Einstellung ist essenziell, diese gilt es zu schulen», sagt Schwitter. «Die Crux ist, dass das meiste im Unterbewussten passiert, umso mehr in einer Drucksituation. Es gilt also, dieses richtig zu programmieren. Das geht nur über Wiederholungen.»
Während der WM arbeitetet Schwitter mit dem Team fast täglich im Entspannungsbereich. «Ein Spiel ist mit einem hohen Stresslevel verbunden. Dann ist es normal, dass danach nicht jeder ausgezeichnet schläft. Deshalb ist es wichtig, den Körper in einen absolut entspannten Zustand zu bringen, damit sich das Nervensystem rasch erholen kann. Denn wenn man körperlich angespannt oder sogar verspannt ist, überträgt sich das auf die Leistungen.» Schwitter wendet auch Atemtechniken an und Tools, wie Emotionen durch andere ersetzt werden können.
Die Ansätze von Schwitter finden beim Team grossen Anklang. «Wir sind in einer Zeit angekommen, in der jeder weiss, wie wichtig die mentale Regeneration ist», sagt er dazu. Meistens arbeitet er mit der ganzen Gruppe, jedoch kommen manchmal auch Spieler individuell auf ihn zu. «Es ist ein intensiver Job, da jeder anders tickt. Ich muss stets wach bleiben und genau beobachten, um allenfalls Anpassungen vornehmen zu können», so Schwitter. «Das übergeordnete Ziel ist allerdings ganz klar, nämlich dass wir als Einheit funktionieren und ein gutes Gefühl haben.»
Schwitter ist auch für die Fitness der Spieler zuständig. «In der Vorbereitung machten wir sehr viel dafür, dass die Muskeln ihre Funktion erfüllen und die Spritzigkeit erhalten bleibt. Nun geht es nur noch darum, dass wir frisch in die Partien gehen.» Die Stichworte sind aktivieren und mobilisieren.
One day in the life of our performance coach Stefan Schwitter. 🧠💪#SIHF #zämefürdSchwiiz #ensemblepourlaSuisse #insiemeperlaSvizzera #insembelperlaSvizra #MensWorlds pic.twitter.com/sbDJiwuQU5
— Swiss Ice Hockey (@SwissIceHockey) May 16, 2024
Während eines Trainings verlangt Schwitter von den Spielern volle Konzentration, jede Übung soll achtsam durchgeführt werden, damit der Fokus geschärft wird. Denn letztlich ist die grosse Kunst, während einer Partie stets im Hier und Jetzt zu sein, sich auch dann nicht ablenken zu lassen, wenn es nicht wie gewünscht läuft.
Gelingt das den Schweizern auch dann, wenn es um alles geht, ist vieles möglich. Denn an der nötigen Qualität fehlt es dank NHL-Spielern wie Roman Josi, Kevin Fiala, Nico Hischier oder Nino Niederreiter definitiv nicht. (ram/sda)