Vier Spiele, vier Siege. Der Start in die WM in Prag ist der Hockey-Nati geglückt. Natürlich war da der eher fahrige Auftritt gegen Österreich beim 6:5-Sieg. Darauf folgte aber die Reaktion mit einer starken Leistung und dem Sieg im Penaltyschiessen gegen Tschechien. Das gestrige 3:0 gegen Grossbritannien war eines der langweiligsten Nati-Spiele der Neuzeit, weil der Sieg zu keiner Sekunde in Gefahr war.
Dass die Mannschaft von Patrick Fischer eine kurze Anlaufzeit benötigte, war nur logisch. Schliesslich präsentierte sich das Kader im Gegensatz zum letzten Testspiel auf acht Positionen verändert. Aber die letzten zwei Spiele haben gezeigt, dass sich das Team auch mit den Neuzugängen aus der NHL und den Playoff-Finalisten langsam gefunden hat.
Der Pessimismus bei den Schweizer Hockey-Fans war vor der WM nach den vielen Niederlagen dieses Jahr gross. Die bange Frage lautete: Sind die Schweizer NHL-Spieler gut genug, um das Team aus dem Sumpf zu ziehen? Klare Antwort: ja, und wie!
Was insbesondere Roman Josi (4 Spiele, 2 Tore, 6 Assists), Nico Hischier (4 Spiele, 4 Tore, 2 Assists) und Kevin Fiala (2 Spiele, 1 Tor, 2 Assists) leisten, ist unfassbar. Alle drei sind in der Lage, jederzeit das Spielgeschehen auf die eigenen Schultern zu nehmen und für die Entscheidung zu sorgen. Daneben bringen auch Nino Niederreiter und Philipp Kurashev (er mit Abstrichen) ihre Leistungen. Und Jonas Siegenthaler ist eine ruhige und physische Präsenz in der eigenen Zone.
Die NHL-Spieler haben auch das Schweizer Powerplay massiv aufgewertet. Aktuell münzt die Nati 44 Prozent ihrer Überzahlgelegenheiten in Tore um, was sie vorwiegend der ersten Formation zu verdanken hat. Mit Josi, Hischier, Fiala, Niederreiter und Kurashev stehen dort fünf NHL-Spieler gleichzeitig auf dem Eis – das hat man in der Schweiz noch nie gesehen.
Moment mal, was war mit dem Spiel gegen Österreich? Das werten wir als Streichresultat. Reto Berra zog einen schwachen Tag ein und die Verteidigung hat sich nach einem schwachen Start rasch gefangen. Gegen Tschechien hat die Hintermannschaft dann gezeigt, wozu sie wirklich fähig ist, und bei 5-gegen-5 kein Tor und nur selten gefährliche Chancen zugelassen. Beim gestrigen Spiel gegen Grossbritannien zeigte sich die Nati auch gegen einen schwächeren Gegner konzentriert und lief nie Gefahr, das Spiel aus der Hand zu geben.
Gegen Tschechien brillierte Leonardo Genoni bei den Chancen, die man einem Spitzengegner nun mal zugestehen muss, und liess sich nur im Powerplay bezwingen. Er hat gezeigt, dass er einmal mehr bereit ist für eine gute WM. Einen ersten Test hat auch Akira Schmid bestanden. Das Tor, das er in seinem Kurzeinsatz gegen Österreich kassiert hat, sah unglücklich aus, der Puck wurde aber auch noch leicht abgelenkt. Gegen Grossbritannien behielt er trotz wenig Arbeit über 60 Minuten die Konzentration und feierte in seinem ersten WM-Start einen Shutout.
Aus dem Spiel gegen Österreich lässt sich grundsätzlich wenig mitnehmen, es war ein negativer Ausreisser. Aber was diese Partie gezeigt hat, ist die stabile Moral und Mentalität der Mannschaft. Zwei Mal geriet die Nati gegen das Austria-Team mit zwei Toren in Rückstand (0:2 und 1:3). Doch die Nati kam zurück. Auch als sie das Spiel gedreht hatten und doch noch zwei Mal den abermaligen Ausgleich kassierten, verlor Fischers Team die Nerven nicht und nutzte ein Powerplay kurz vor Schluss für die definitive Entscheidung. Auch dass das Team nach dem Knorz gegen Österreich mit einer starken Leistung gegen Tschechien reagieren konnte, stimmt positiv.
Das Penalty Killing ist hingegen eher noch eine Problemzone. Gegen Grossbritannien hat es erstmals richtig gut funktioniert, allerdings auch gegen eines der schwächsten Teams dieser WM. Die Gesamtbilanz von 71,4 Prozent ohne Gegentor überstandenen Unterzahlsituationen ist allerdings unbefriedigend.
Das ist insofern ein Problem, als die Disziplin der Nati bislang auch zu wünschen übrig lässt. In den ersten vier Spielen haben die Schweizer durchschnittlich acht Strafminuten pro Partie kassiert. Das ist deutlich mehr als die Spitzenteams Kanada (6:40 Minuten), Finnland (4:40 Minuten), Schweden (4 Minuten) oder USA (3:20 Minuten).
Während die erste Powerplay-Linie mit allen NHL-Stars gut funktioniert, ist das bei der zweiten Linie mit Dean Kukan, Romain Loeffel, Sven Andrighetto, Calvin Thürkauf und Ken Jäger noch nicht so der Fall. Natürlich hatten sie bislang auch weniger Eiszeit, um sich zu finden. Aber vielleicht wäre dort ein Dario Simion, der für seine Ablenker und Arbeit vor dem Tor bekannt ist, noch eine gute Option.
Apropos Dario Simion: Er bildet mit seinen zwei Teamkollegen vom EV Zug, Sven Senteler und Fabrice Herzog, eine Sturmlinie. Die drei spielen ihren Part insofern gut, als sie in der eigenen Zone wenig zulassen, aber offensiv kommt noch wenig (je ein Skorerpunkt). Gegen Grossbritannien waren sie auch vom Pech verfolgt, trafen sie doch gleich zwei Mal nur die Torumrandung.
Gleiches gilt für die vierte Linie um Calvin Thürkauf und Philipp Kurashev. Talent ist im Übermass vorhanden, doch gerade Thürkauf sitzt nach vier Spielen noch auf null Punkten. Und auch Kurashev vermag bei 5-gegen-5 deutlich weniger zu überzeugen als im Powerplay.
In der zweiten Linie macht Ken Jäger eigentlich vieles richtig. Er ist ein hervorragender Forechecker und positioniert sich klug, sodass er den Gegner immer wieder im Spielaufbau stören und Scheiben erobern kann. Doch auch hier harmoniert es in der Offensive mit Nino Niederreiter und Sven Andrighetto noch nicht immer nach Wunsch.
Es gäbe die Möglichkeit, Thürkauf und Jäger zu tauschen, somit hätte der beste Schweizer Skorer der National League mehr Möglichkeiten, sich offensiv zu entfalten, und Jäger hätte etwas weniger Druck auf seinen Schultern, stets etwas kreieren zu müssen. Wenn Gaëtan Haas im Verlauf des Turniers noch zurückkehren sollte, müsste Fischer die Aufstellung seiner Mittelstürmer sowieso noch einmal überarbeiten.
Die Schweiz grüsst nach etwas mehr als der Hälfte der Gruppenphase von der Tabellenspitze, aber jetzt beginnt die heisse Phase der WM. Am Samstagmittag geht es gegen die unangenehmen Dänen, die zuletzt auch Tschechien lange zu ärgern vermochten. Mit einem Sieg wären die Weichen auf die Viertelfinals gestellt, bevor am Sonntag noch Kanada und am Dienstag dann Finnland warten.
Die beiden letzten Spiele sind die richtigen Tests, um dann für die Viertelfinals bereit zu sein. Vieles stimmt bereits und wenn die NHL-Spieler weiterhin derart überzeugen und die Goalies gut spielen, gibt es viel Grund für Optimismus. Aber der Druck steigt auch mit jedem Spiel. Die Mannschaft von Patrick Fischer hat in der WM-Gruppenphase jetzt seit 20 Spielen immer gepunktet. Das bedeutet aber alles nichts, wenn am Ende der Viertelfinal doch wieder verloren geht.
(In einem satz 3 englische ausdrücke zu platzieren habe ich von den mysports experten gelernt)
Die Schweiz ist allerdings irgendwo bei 6,7,8. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Schweiz auf einen nominell stärkeren Gegner trifft, der zudem die Schweiz nicht mehr unterschätzt seit den Silbersensationen.
Dieser Schritt, an dem die Schweizer jetzt dran sind, ist richtig richtig gross.
Deswegen ist es falsch, alles an 1 Spiel zu bewerten, das ggf im Penalty Schiessen entschieden wird.