Was hat sich unter der neuen Leitung von Marc Crawford bei den ZSC Lions verändert? Noch nicht viel. Die Verbesserungen sind erst im Ansatz zu erkennen. Aber sie sind vielversprechend. Wechselkadenz und Intensität sind höher. Das Spiel ist einfacher. Der Puck wird schneller aus der eigenen Zone wegspediert. Die Scheibenverluste sind seltener geworden. Das Forechecking ist wirkungsvoller.
Es ist erst einmal die Rückkehr zum einfachen Spiel ohne Brillanz. Fleissiges, geschäftiges, solides Hockey ohne Genieblitze. Die defensive Stabilität ist bemerkenswert: bloss ein Gegentreffer in Unterzahl gegen Biel, kein Gegentor nun gegen den SCB. So stabil waren die Zürcher nur Anfang Saison während der Serie von acht Auswärtspartien hintereinander.
Marc Crawford ist zuversichtlich. Er spricht vom «working progress», lobt Torhüter Ludovic Waeber (96,15 Prozent Abwehrquote beim 2:1 gegen Biel, 100 Prozent beim 3:0 gegen den SCB), die Einsatzbereitschaft, die Intensität im Spiel. Gewisse spielerische Feinheiten vermisst er noch und tatsächlich wird eine Verbesserung der Präzision im Passspiel die Effizienz des Offensivspiels erhöhen.
Einen Vergleich mit den ZSC Lions des Frühjahres 2016, die im Viertelfinal gegen den SCB 0:4 ausgeschieden sind (anschliessend kehrte Marc Crawford in die NHL zurück), mag der neue ZSC-Trainer nicht ziehen. Logisch: Es waren andere Zeiten. Im aktuellen Team stehen eher weniger herausragende offensive Einzelspieler oder Künstler. Der neue ZSC-Trainer sagt, heute sei das Herausspielen von Torchancen viel mehr noch als damals harter Arbeit. So gesehen ist ein 2:1 gegen Biel und ein 3:0 gegen einen SCB, gegen den die ZSC Lions diese Saison schon zweimal verloren haben (3:4 in Bern, 2:3 n.V. in Zürich) ein vielversprechender Anfang.
Oder wir können es auch so sagen: Die ZSC Lions haben alles, um Zug erfolgreich herausfordern zu können. Um sich für die Finalniederlage vom letzten Frühjahr zu revanchieren. Also eigentlich alles für den Titel.
Eigentlich könnte diese Feststellung auch für den SC Bern gelten. Die Berner haben unter dem neuen Trainer Toni Söderholm 8 der letzten 10 Partien gewonnen. Das SCB-Spiel ist inzwischen so gut strukturiert wie nie mehr seit den guten Zeiten unter Kari Jalonen. Oder noch einfacher gesagt: Erstmals seit der Entlassung von Kari Jalonen im Januar 2020 gibt es kein Trainerproblem beim SCB.
Die ZSC Lions sind mit 44:29 Torschüssen in der eigenen Arena dominiert worden. Phasenweise – etwa im Mitteldrittel – war der SCB so gut wie noch nie in dieser Saison. Der Formanstieg einzelner Leitwölfe ist bemerkenswert. Simon Moser ist inzwischen mit seiner Wasserverdrängung und Schlauheit in einer Verfassung, die zur Frage führt, ob es von Patrick Fischer wirklich klug war, ihn aus dem Nationalteam auszusortieren. Und endlich ist beim SCB die Integration junger Talente nicht mehr bloss ein Lippenbekenntnis.
Fast anderthalb Jahre war der SCB an der Bande nahezu führungslos und nun beginnt die Anstellung von Toni Söderholm, also einem echten Cheftrainer, Früchte zu tragen. Ja, nun zeigt sich: Der SCB könnte mindestens Finalkandidat sein. Vielleicht sogar Meisterkandidat. Könnte. Was dem SCB fehlt, sind zwei brauchbare ausländische Verteidiger.
Éric Gélinas genügte schon vor seinem verletzungsbedingten Ausfall nicht den Ansprüchen für die National League. Schlimmer ist die Verlängerung mit Cody Goloubef im vergangenen Juni. Der Kanadier war bereits in seiner ersten SCB-Saison überfordert und ist es auch jetzt. Als braver Verteidiger der Economy-Klasse wäre er der ideale kostengünstige 8. Ausländer. Aber der SCB benötigt auf der Ausländerposition mindestens einen Verteidiger der Business-Klasse. Cody Goloubef und Éric Gélinas sind neben Kaspars Daugavins, Cory Conacher, Philip Varone, Dustin Jeffrey, Christian Thomas, Ted Brithén, Mika Koivisto und Andrew MacDonald halt zwei weitere Namen auf der erstaunlich langen Liste der SCB-Fehleinkäufe seit dem letzten Titel von 2019.
Mit Ramon Untersander und Romain Loeffel (zurzeit verletzt) hat der SCB zwei der offensiv dominantesten und besten Schweizer Verteidiger. Mit nur einem ausländischen Verteidiger, der nur annähernd das Niveau von Untersander und Loeffel hätte, wäre der SCB ein Final- oder vielleicht gar Titelkandidat. Erst recht mit zwei.
Bei der Ausgeglichenheit der Liga entscheiden Details. Details wie die sorgfältige Auswahl des ausländischen Personals. Nur Chris DiDomenico und ein gesunder Dominik Kahun genügen den Anforderungen, die ein Premium-Hockey-Unternehmen wie der SCB an ausländische Spieler stellt.
Der SCB hatte schon letzte Saison die schwächsten Ausländer der Liga und das ist nun – über die gesamten sechs Positionen gesehen – wieder der Fall. Im letzten Frühjahr kostete das Versagen bei der Rekrutierung des ausländischen Personals sogar die Pre-Playoffs. Diese Saison kann es den Final oder gar den Titel kosten. SCB-Präsident Marc Lüthi wird froh sein, dass er mit seiner Forderung nach einer Erhöhung auf zehn Ausländer nicht durchgekommen ist.
So erstaunt es nicht, dass SCB-Trainer Toni Söderholm in Zürich nach dem 0:3 gefragt wird, wo der SCB wohl mit zwei brauchbaren ausländischen Verteidigern stünde. Auf eine solch wahrlich billige Provokation lässt sich der SCB-Trainer natürlich nicht ein und sagt spontan: «In Zürich.»
Wo er recht hat, da hat er recht. Kurz darauf tritt der SCB die Heimreise von Zürich nach Bern an.
Wer wohl diese Frage gestellt hat...?
Ich bin überhaupt kein Fan von Goloubef. Aber wenn man 2 der produktivsten (Schweizer) Verteidiger im Team hat, braucht man bei den Ausländern wahrscheinlich keine zusätzlichen offensiven Schmetterlinge. Und Gelinas war bis jetzt immer verletzt (selbst wenn er gespielt hat), da finde ich ein Urteil noch viel schwieriger / zu früh.