Das Interview von Damien Brunner am späten Sonntagabend machte blitzschnell die Runde. Ziemlich wütend äusserte der Spieler des EHC Biel sein Unverständnis darüber, dass es in der National League immer noch keine Kameras bei den blauen Linien gibt, die die Klärung einer Offside-Frage erleichtern würden.
Brunner war vor allem erbost über die Tatsache, dass die Klub- und Liga-Funktionäre immer behaupten würden, es sei kein Geld für solche Kameras vorhanden, während sie gleichzeitig Geld für neue Trainer und Spieler herausschmissen.
Die flammende Rede erhielt in den sozialen Netzwerken und in den Kommentarspalten verschiedener Newsportale viel Zustimmung. Die Fans wären also für eine Implementation solcher Kameras. Doch würde das überhaupt etwas bringen? Das sind die Pros und Contras.
Eines ist klar: Auch mit Kameras auf beiden Seiten der blauen Linie könnten nicht alle Offside-Fragen zweifellos geklärt werden. Moderator Jann Billeter hat dies im MySports-Studio gut erklärt. Ein Standbild einer TV-Kamera ist selten bis nie ein scharf gestochenes Bild. Bewegungsunschärfe und Bildfrequenz könnten dafür sorgen, dass Position des Pucks und des entscheidenden Schlittschuhs beim Übertreten der Linie nicht genau bestimmt werden können. Zudem besteht natürlich die Gefahr, dass Spieler oder Linienrichter das Blickfeld der Kamera blockieren und sie somit nutzlos machen.
Ligadirektor Denis Vaucher gab gestern in der zweiten Drittelspause beim Spiel zwischen Bern und Ambri bei MySports ein Interview. Er sagte, die Liga habe den Einsatz von Kameras an der blauen Linie schon geprüft. Die Kosten würden sich für eine komplette Aufrüstung in allen National-League-Stadien auf rund eine Million Schweizer Franken belaufen.
Dazu käme noch ein zusätzlicher Aufwand, um die Bilder in die TV-Übertragung und das Tool, mit dem die Unparteiischen die Szenen überprüfen, zu integrieren. Der aktuelle TV-Vertrag habe das nicht vorgesehen.
Ein weiteres Argument, das in dieser Diskussion gerne verwendet wird, ist der Sinn der Offside-Challenges. Diese sind eigentlich dafür da, um den Teams eine Möglichkeit zu geben, klare Fehlentscheide zu korrigieren. «Millimeterlen» ist dabei eigentlich nicht vorgesehen, weshalb es bei nicht erfolgreichen Challenges auch eine Strafe gibt.
Ligadirektor Denis Vaucher spricht von Kosten von einer Million Schweizer Franken, um alle National-League-Stadien mit Kameras an der blauen Linie auszurüsten. Das wären vier Kameras pro Stadion, auf beiden Seiten der zwei blauen Linien je eine.
Das klingt im ersten Moment nach viel Geld. Doch wenn man es auf die derzeit 14 National-League-Teilnehmer runterbricht, dann betragen die tatsächlichen Kosten pro Klub noch rund 71'500 Schweizer Franken. Da dürfte jeder einzelne Spieler mit Profivertrag im Kader der Mannschaften in einem Jahr mehr kosten.
Die Schieds- und Linienrichter haben im Eishockey eine Aufgabe: Das Spiel so korrekt wie möglich zu leiten. Diese Aufgabe wird immer schwieriger, da das Spiel immer schneller wird. Da wäre es umso wichtiger, dass die Unparteiischen jedes Hilfsmittel erhalten würden, um ihre Arbeit zu erleichtern. Die Kameras auf der blauen Linie – wenn auch kein Allheilmittel – könnten diesbezüglich ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Schiedsrichter-Chef Andreas Fischer sagt: «Grundsätzlich befürworten wir jede Unterstützung, die hilft, einen besseren Entscheid zu treffen. Zusätzliche Kameras ziehen jedoch sofort auch Kosten für Installation und Unterhalt nach sich. Hier gilt es, Vor- und Nachteile gut abzuwägen. Es ist nicht an uns Schiedsrichtern, hier einen Entscheid zu fällen. Wir arbeiten mit denjenigen Hilfsmitteln, die wir zur Verfügung gestellt bekommen.»
Die National League ist bei der Infrastruktur einer der Marktführer in Europa. Viele Stadien sind auf dem neusten Stand und – auch das hat MySports-Experte Andreas Hänni gestern angesprochen – es gibt in Europa kaum eine Liga, die so viele verschiedene Kamerawinkel einblenden kann. Mit Kameras an den blauen Linien könnte man den technologischen Vorreiter-Status auf dem Kontinent noch etwas weiter zementieren.
Es gibt also Argumente, die für und gegen eine Einführung von Kameras an der blauen Linie sprechen. Die zusätzlichen Blickwinkel gäben den Schiedsrichtern eine bessere Möglichkeit, die Szenen zu beurteilen. Allerdings wäre auch diese Technologie kein Allheilmittel, da die Qualität der Bilder auch hier nicht in jedem Fall ausreichend für eine korrekte Beurteilung wäre. Am Ende ist es eine Abschätzung von Aufwand und Ertrag, und Stand jetzt sind die National-League-Klubs der Meinung, dass die Kosten den Nutzen nicht rechtfertigen.
Klar ist auch, dass eine allfällige Veränderung nicht sofort eintreten würde. Die Regeln und Rahmenbedingungen für diese Saison sind gegeben. Die jetzige Diskussion könnte höchstens ab kommendem Sommer für Veränderungen sorgen, wenn die Klubs die Regeln für die nächsten Spielzeiten festlegen.