Die Entscheidung. Aber anders als erwartet. 7 Minuten und 42 Sekunden vor Schluss wird Biels Captain Gaëtan Haas für fünf Minuten auf die Strafbank verbannt. Er reisst sich von Garrett Roe los und trifft den ZSC-Stürmer mit dem Ellenbogen im Gesicht. Zwei Minuten – ja. Fünf Minuten – regeltechnisch möglich, aber eigentlich zu streng.
Fünf Minuten haben die ZSC Lions nun Zeit, die Partie im Power Play zu entscheiden. Es steht 0:0 und unter normalen Umständen wird ein Tor reichen. Aber dieser Fünfminutenausschluss entscheidet die Partie für Biel. Diese Strafe führt zu den besten acht Minuten (exakt: 7 Minuten und 42 Sekunden) seit dem Wiederaufstieg von 2008.
Die vom Publikum richtiggehend aufgeputschten Bieler fliegen im Unterzahlspiel nur so übers Eis. Sie sind so energiegeladen, so aggressiv, so konzentriert, dass die Zürcher wie gelähmt wirken und nur zwei Pucks aufs Tor von Harri Säteri bringen. Gaëtan Haas kehrt schliesslich aufs Eis zurück, gewinnt kurz darauf das Bully, legt bald für Alexander Yakowenko auf – 1:0. Ein kurioses, regeltechnisch interessantes Tor ist die Entscheidung (58:02 Minuten).
Der Schuss ins Glück für den @ehcbiel! ⚒️🎯#PlayoffsUndSuschtNüt pic.twitter.com/g20YHCvPqk
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Haas sagt, während etwa zwei Minuten habe er sich auf der Strafbank über den Ausschluss aufgeregt. Die Schiedsrichter kritisiert er aber nicht. Dann habe er sich beruhigt. Er spricht von der Energie, die vom Publikum auf die Spieler übertragen worden sei. Biels Captain personifiziert mit seiner Besonnenheit so kurz nach der aufwühlenden Partie das Selbstvertrauen, die Entschlossenheit und die Konzentration der Bieler.
Sportchef Martin Steinegger hatte vor diesem Halbfinal von einer aussergewöhnlichen Motivation seiner Spieler durch die besonderen Umstände gesprochen. Die Krebserkrankung von Trainer Antti Törmänen, der weiterhin die volle Verantwortung trägt und an der Bande steht. Wenn je Spieler für ihren Trainer durchs Feuer gegangen sind – dann in diesem hochstehenden Spiel. Von der ersten Minute an ist in der Arena eine Hühnerhaut-Atmosphäre zu spüren, die es so in unserem Hockey noch nicht oft gegeben hat. Winston Churchill hätte gesagt: «Biel’s finest hour». Es hat seit der Einführung der Playoffs noch nicht viele Spiele gegeben wie diese erste Halbfinalbegegnung zwischen Biel und den ZSC Lions.
Gänsehaut pur! 👏
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Das ganze Stadion steht und singt für Antti Törmänen. 🙏⚒️@ehcbiel pic.twitter.com/ivw52LSVln
Die starken Zürcher haben gegen ein ganz grosses Biel verloren. Im Vergleich zu dieser ersten Halbfinalpartie war der Viertelfinal zwischen Biel und dem SC Bern «Hockey-Folklore».
ZSC-Trainer Marc Crawford bemängelt – logisch – das Powerplay seiner Mannschaft. Er sagt, solche Spiele würden manchmal eben auch durch «funny goals» («lustige Tore») entschieden.
Dieser alles entscheidende Treffer ist sogar mehr als nur «funny». Er ist regeltechnisch höchst interessant und mit ziemlicher Sicherheit irregulär. Es lohnt sich, noch ein wenig bei diesem 1:0 zu verweilen. Es gibt nämlich Bildeinstellungen, die zeigen, was die TV-Bilder der Direktübertagung bereits erahnen lassen: dass der Puck von Biels Fabio Hofer mit dem Handschuh unhaltbar in die hohe Ecke abgelenkt wird. Torhüter Simon Hrubec ist machtlos.
ZSC-Sportchef Sven Leuenberger ist während des Spiels für die Video-Überwachung auf der Tribüne mitverantwortlich. Die Frage «Coaches Challenge: ja oder nein?» wird jeweils von Cheftrainer Crawford nach Funkrücksprache mit den «Video-Überwachern» entschieden. Leuenberger ist sofort klar, dass es ein kurioses Tor ist: «Wir konnten aber auf den Bildern nicht einwandfrei erkennen, ob der Treffer irregulär war oder nicht. Als von der Bank unten die Frage kam, ob wir hundertprozentig sicher seien, dass das Tor nicht einwandfrei sei, mussten wir sagen: Nein.» Deshalb sei auf eine Coaches Challenge verzichtet worden. Ist die verlangte Video-Überprüfung erfolglos, folgt eine Zweiminutenstrafe. Das Risiko war den ZSC Lions zu gross.
Hier kommt noch etwas ins Spiel: Bei der Coaches Challenge muss der Coach angeben, was die Schiedsrichter überprüfen sollen. Die Möglichkeiten sind vom Reglement her sehr eng gefasst. Marc Crawford hätte in diesem Fall nicht verlangen können, dass überprüft wird, ob der Puck mit der Hand oder mit hohem Stock abgelenkt worden ist. Die Schiedsrichter hätten dies nur von sich aus – ohne Coaches Challenge – tun können. Regel 38.2. sagt nämlich:
Es gibt eine Grauzone: Ein Spieler oder der Coach oder sein Assistent können ohne offizielle Coaches Challenge bei den Schiedsrichtern anregen, doch noch nachzusehen. Das funktioniert manchmal. Manchmal nicht. Was wäre passiert, wenn die Schiedsrichter nachgeschaut hätten? Das kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit gesagt werden. Das Regelbuch sagt unter 78.5.:
Die Bilder zeigen zwar, dass der Puck von Fabio Hofer abgelenkt wird. Mit dem Handschuh. Aber gibt es eine aktive, vorsätzliche Bewegung mit der Hand, um den Puck abzulenken? Oder ist es ein zufälliges Ablenken? Es wäre im Ermessen der Schiedsrichter gewesen. Sie haben, ohne zu zögern, auf Tor entschieden. Sie werden im Rückblick froh sein, dass sie auf eine Video-Überprüfung dieser hochheiklen Szene verzichtet haben.
Kein Polemiker und kein Zürcher, wer sagt, Biels Treffer sei wahrscheinlich irregulär gewesen. Aber auch kein Schelm und kein Bieler, wer sagt, es wäre schade gewesen, wenn dieses Tor annulliert worden wäre. Und wir lernen noch etwas: Selbst hundert Kameras können keine absolute Sicherheit und Gerechtigkeit und Regularität garantieren.
«In solchen Spielen ist es nie einfach, ein Tor zu erzielen.» ⚒️
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Sieg-Torschütze Alexander Yakovenko ist froh über den ersten Sieg in der Halbfinal-Serie. 👇@ehcbiel | #PlayoffsUndSuschtNüt pic.twitter.com/VQbWh2FCpf
Kann Biel noch besser spielen als bei diesem Halbfinalauftakt? Nein. Es war das perfekte Spiel. Alles passte. Die Balance zwischen Offensive und Defensive, die Torhüterleistung, die Disziplin, die Konzentration, die Energie und nicht zuletzt die Unterstützung durch das Publikum. Und alles gekrönt durch die besten 7 Minuten und 42 Sekunden seit dem Wiederaufstieg von 2008. Ein Hockeyabend für die Ewigkeit.
Können die ZSC Lions noch besser spielen als bei diesem Halbfinalauftakt? Ja. Wenn Stürmer wie Garrett Roe, Lucas Wallmark, Alexandre Texier, Sven Andrighetto, Simon Bodenmann, Willy Riedi oder Justin Azevedo, die in der Qualifikation insgesamt 70 Mal getroffen haben, leer ausgehen – dann mag es defensiv ein nahezu perfektes Spiel gewesen sein. Aber nicht offensiv.
Wenn Biel auf dem Niveau der letzten acht Minuten weiterspielt, gewinnt es die Meisterschaft. Wenn Biel mindestens auf dem Niveau der vorangegangenen 52 Minuten spielt, reicht es für den Final. Aber ist eine Wiederholung dieses wundersamen Spiels möglich? Das ist die Frage, die diesen Halbfinal und die Meisterschaft entscheidet.