Es war ein kleiner Schock, als am Dienstag die Meldung die Runde machte, dass die Schweiz für die Ausrichtung der Olympischen Winterspiele 2030 in Frage kommt. Schon am Donnerstag will Swiss Olympic entscheiden, ob man eine Kandidatur in Erwägung zieht.
Die Vision: Keine Olympischen Spiele, die weisse Elefanten hinterlassen, sondern die bestehende Infrastruktur nutzen. Weshalb es kein Olympia im Wallis, im Berner Oberland oder im Engadin geben soll – sondern Olympia in der ganzen Schweiz.
Das ist keine neue Erfindung. Schon bei vergangenen Spielen waren die Wettkämpfstätten teils weit auseinander, zuletzt bei den Spielen in Peking fanden die Skirennen knapp 200 Kilometer von der Hauptstadt entfernt statt. Mailand und Cortina d'Ampezzo, die zwei Gastgeber 2026, liegen über fünf Autostunden auseinander. Zu den Skirennen in Bormio reist man von beiden Orten in rund drei Stunden an.
Unsere Übersicht zeigt, dass die Schweiz bereits für fast alle Sportarten die nötige Infrastruktur besitzt. Da und dort müsste saniert werden, aber alles in allem, käme man vermutlich ohne ganz grosse Neubauten aus. Die Lösung eines Problems könnte gar spektakulär ausfallen. Unsere Vorschläge:
1. Wahl: Crans-Montana
Im Wallis wird eine neue Infrastruktur für die WM 2027 errichtet. Es ist sinnvoll, diese drei Saisons später gleich noch einmal für einen Grossanlass zu verwenden.
2. Wahl: St.Moritz
Im Engadin fand letztmals 2017 eine Ski-WM statt. Im Weltcup gastieren regelmässig die Frauen in St.Moritz.
1. Wahl: Davos
Am Schweizer Langlauf-Stützpunkt werden seit Jahren Weltcuprennen ausgetragen. Es würde eine grössere Tribüne benötigt, was mit Temporärbauten machbar ist.
2. Wahl: Goms
Im kommenden Winter finden erstmals Weltcuprennen im Oberwallis statt. Die Infrastruktur wurde deshalb erneuert ausgebaut.
1. Wahl: Einsiedeln
Im Weltcup wird in Engelberg gesprungen, aber dort steht nur eine Grossschanze. Weil für Olympia auch eine Normalschanze benötigt wird, steht Einsiedeln im Fokus. Das Problem: Gesprungen werden kann nur im Sommer. Einen Kredit, um auch den Betrieb im Winter zu ermöglichen, lehnte das Stimmvolk 2019 deutlich ab. Kommt Olympia, wird sich eine Finanzierung finden lassen.
2. Wahl: Engelberg und Kandersteg
Die beiden Orte liegen nicht nahe beisammen – aber das tun die Austragungsorte der Vierschanzen-Tournee auch nur bedingt. Sollte es mit der Finanzierung in Einsiedeln doch nicht klappen, könnte es diese Variante geben. In Kandersteg steht eine kleine Schanze, auf der 2018 bei der Junioren-WM gesprungen wurde. Daran gedacht werden muss, dass unweit jeder Schanze eine Loipe für den Langlauf-Teil der Nordischen Kombination benötigt wird.
Lenzerheide
Diese Wahl ist alternativlos. Das Biathlon-Zentrum begrüsst im nächsten Dezember erstmals den Weltcup-Tross und ist 2025 Austragungsort der WM.
1. Wahl: Arosa
Seit vielen Jahren trifft sich die Weltelite zuhinderst im Schanfigg zu Weltcuprennen.
2. Wahl: Veysonnaz
Im Wallis endete in diesem Winter die Weltcupsaison.
St.Moritz
Auf dem Corvatsch, der Corviglia und in Champfèr/St.Moritz findet 2025 die WM der Ski-Freestyler (Halfpipe, Slopestyle, Big Air, Buckelpiste, Aerials) und der Snowboarder (Halfpipe, Slopestyle, Big Air, Parallel-Riesenslalom und -Slalom) statt.
1. Wahl: Laax
Die Halfpipe ist seit Jahrzehnten Schauplatz hochklassiger Wettkämpfe. Auch Slopestyle-Bewerbe fanden schon in Laax statt – eine Big-Air-Schanze wird sich wohl auch noch herrichten lassen.
2. Wahl: St.Moritz
Siehe oben: Austragungsort der WM 2025.
Die Sportart ist 2026 erstmals an Olympischen Spielen dabei. Es wird sich garantiert ein Berg finden lassen, den man mit Fellen an den Ski besteigen kann, ehe man – nun ohne Felle – nach unten wedelt. 2008 fand die WM im Skigebiet Portes du Soleil (Wallis) statt, 2015 in Verbier (Wallis) und 2019 in Villars-sur-Ollon (Waadt).
Zürich
Das Hallenstadion ist die grösste gedeckte Arena des Landes.
St.Moritz
Auf der legendären Natureisbahn in Celerina ist die Bob- und Skeleton-Weltelite Winter für Winter zu Gast. Auch die Rodler trugen schon Weltcuprennen dort aus.
Zürich, Zug, Lausanne oder Freiburg
Das Stadion der ZSC Lions ist top modern, der EV Zug hat einen Ausbau angekündigt und auch die Arena von Lausanne und Fribourg-Gottéron sind noch ganz neu. Die Stadien werden für die Frauen- und Männerturniere benötigt, dazu sind weitere Hallen in der Nähe für die Trainings notwendig.
Dazu kann ein bestehendes Eishockeystadion verwendet werden, das für Olympia einen Feinschliff erhält. In Frage kommen Orte wie Biel, Davos oder Rapperswil.
In der Schweiz gibt es keine Wettkampfstätte, die den Anforderungen genügt.
1. Wahl: Inzell (Deutschland)
Ist den Ausrichtern die Nachhaltigkeit wirklich wichtig, muss ins Nachbarland ausgewichen werden. Das bayrische Inzell, unweit zur österreichischen Grenze bei Salzburg gelegen, ist von Zürich in viereinhalb Autostunden zu erreichen. In der dortigen Eisschnelllauf-Arena fand zuletzt 2019 die WM statt.
2. Wahl: Davos
Die Zeit der offenen Natureisbahn neben dem Eishockeystadion endete vor sechs Jahren. Seither können Runden auf einer Kunsteisbahn gedreht werden. Ein Nachteil: Platz für Tribünen gibt es nicht viel.
3. Wahl: St.Moritzersee
Grundsätzlich sind sich die heutigen Stars einwandfrei gepflegtes Eis in windfreien Hallen gewohnt. Aber weshalb nicht zurück zu den Wurzeln, zum Eislaufen auf einem zugefrorenen See? Dass das möglich ist, zeigte sich an den Olympischen Jugendspielen 2020, wo die Eisschnelllaufbewerbe auf dem St.Moritzersee stattfanden. Problematisch wird es natürlich, wenn er im Olympia-Winter 2030 ausnahmsweise nicht zugefroren ist …
4. Wahl: Lausanne
Wieso nicht das Leichtathletik-Stadion Pontaise benutzen? Bretter über die Laufbahn, Eis machen, fertig. Vielleicht ist es aber auch nicht ganz so einfach, wie man sich das vorstellt.
5. Wahl: Neues Stadion
Ein bisschen ins Portemonnaie langen könnte man ja schon, wenn sonst nicht viel gebaut werden muss. Wer weiss: Vielleicht wird die Schweiz anschliessend eine Eisschnelllauf-Grossmacht wie die Niederlande.
Der Vorteil der rasanteren Variante des Eisschnelllaufs ist, dass sie in Eishockeystadien über die Bühne gehen kann. Wie beim Curling gilt: Es wird sich problemlos eines finden lassen. Würde man den Ansatz verfolgen, Olympia in allen Sprachregionen der Schweiz stattfinden zu lassen, könnte man sich für das neue Stadion von Ambri-Piotta entscheiden.
1. Wahl: Zürich
Das Letzigrund-Stadion bietet sich aufgrund seiner Laufbahn an, es wird schliesslich viel Platz benötigt für die tausenden einmarschierenden Athleten und für die Show, in der Roger Federer jodelnd im Fondue-Caquelon rührt, DJ Bobo ein Medley seiner grössten Hits aufführt und frühere CS-Banker das Publikum mit einer Nummernkonto-Choreo unterhalten.
2. Wahl: Basel
Der St.Jakob-Park des FCB ist das grösste Stadion der Schweiz. Geht es darum, möglichst viele Menschen live dabei zu haben, müsste die Wahl auf Basel fallen.
Für die Jugend-Winterspiele 2020 in Lausanne entstand auf dem Campus der Universität ein Wohnheim mit 1182 Wohneinheiten. Natürlich müssten die Studenten für Olympia Platz machen – aber wer heute studiert, ist in sieben Jahren kaum mehr da. Wenn die Sportler weg sind, kann das Gebäude wieder Schüler beherbergen.
Für alle Olympioniken hat es aber keinen Platz – und es ergibt auch keinen Sinn, wenn bei dezentralen Olympischen Spielen ein olympisches Dorf gebaut wird. Auch hier sollte auf die bestehende Infrastruktur, sprich: Hotels, gesetzt werden. Dank des sehr gut ausgebauten öffentlichen Verkehrs können Reportern und Zuschauern etwas längere Wege zugemutet werden, damit die Athleten eine möglichst kurze Anreise haben.