Nein, der grosse Dichterfürst Johann Wolfgang Goethe wusste nichts von Eishockey im Allgemeinen und erst recht nichts über das Schicksal der SCB-Trainer der letzten Jahre, die alle ihre Jobs verloren haben. Obwohl sie doch alle nach bestem Wissen und Gewissen fleissig gearbeitet hatten, manchmal 24 Stunden am Tag, und wenn das nicht reichte, auch noch während der Nacht. Und doch hat er – wie wir sehen werden – in einem der grossen Meisterwerke der Literaturgeschichte die passenden Worte gefunden.
Jussi Tapola hat erst das vierte Meisterschaftsspiel gecoacht und bereits als erster SCB-Trainer seit der Meisterfeier von 2019 mit Kari Jalonen einen Abend der Glückseligkeit erlebt. 7:0 gegen Langnau. Mehr als das: An diesem glücklichen Freitag ist er für einen Abend der beste Trainer der Welt.
Seine Mannschaft hat in den ersten drei Partien 73 Strafminuten kassiert. So geht es nicht. Disziplin ist dringend erforderlich. Und siehe da: Jussi Tapola sorgt für Ordnung: keine einzige Strafe gegen die SCL Tigers. Keine Strafe im Derby! Wer das als Trainer hinbekommt, ist wahrlich für einen Abend der beste im Bernbiet und vielleicht sogar der Welt.
Von zu vielen defensiven Aussetzern und viel zu vielen Kontern war in den ersten drei Partien die Rede. Auch das hat Jussi Tapola abgestellt. Kein Gegentreffer gegen die SCL Tigers. Kein Gegentreffer im Derby! Wer das als Trainer hinbekommt, ist wahrlich für einen Abend der beste im Bernbiet und vielleicht sogar der Welt.
Wichtig ist nicht nur das Resultat. Ebenso wichtig ist gute Unterhaltung. Wenn es beim Stande von 7:0 in den letzten Minuten rauschenden Szenenapplaus und Sprechchöre gibt, dann ist die Unterhaltung vorzüglich. Auch das schafft Jussi Tapola. Einen einzigen Konter wird den Langnauern gewährt. Julian Schmutz darf kurz vor Feierabend allein und unbedrängt auf Philip Wüthrich zufahren. Der SCB-Goalie pariert und wird mit Sprechchören gefeiert. Dabei waren die Befürchtungen nach drei Partien gross, Philip Wüthrich werde für Wochen nicht mehr zum Einsatz kommen. Der schwedische Weltklassetorhüter Adam Reideborn hatte in den ersten drei Partien 94,44 Prozent der Pucks abgewehrt. Ligabestwert! Und nun wird die Nummer zwei gegen die SCL Tigers gefeiert. Im Derby! Wer das hinbekommt, ist wahrlich für einen Abend der beste im Bernbiet und vielleicht sogar der Welt.
Der SCB ist in den letzten zwei Partien gegen die Lakers und Kloten schon in den ersten zehn Minuten 0:1 in Rückstand geraten. Auch wenn das Spiel gegen Kloten noch gedreht werden konnte: Die Spieler müssen zu Beginn aufmerksamer sein. Und siehe da: Gegen Langnau steht es nach 4 Minuten und 35 Sekunden schon 3:0. Der SCB war hellwach, parat und bereit.
Schliesslich und endlich darf sogar Verteidiger Mika Henauer zum ersten Mal in dieser Saison ein wenig spielen. Zwar nur 5 Minuten und 6 Sekunden. Aber immerhin. Mit Wilhelm Busch dürfen wir sagen: Bisher sass er nur auf der Tribüne oder auf der Bank, jetzt spielt er wieder, Gott sei Dank. Und die Eiszeiten sind im Derby wunderbar verteilt. Niemand wurde mit mehr als 21 Minuten belastet. Gegen Kloten musste Patrik Nemeth noch fast 27 Minuten Eiszeit verkraften, gegen Langnau – im Derby! – nicht einmal mehr 21 Minuten. Wir wiederholen es noch ein letztes Mal: Wer das hinbekommt, ist wahrlich für einen Abend der beste im Bernbiet und vielleicht sogar der Welt.
Der Himmel hängt also für den SCB-Trainer voller Geigen. Aber eben: Es ist bloss ein Augenblick der Glückseligkeit. Schon am Samstagabend kann er vorbei sein. Der SCB muss nach Zug reisen. Und damit sind wir bei Johann Wolfgang Goethe. Seine Dichtung «Faust. Eine Tragödie» ist wahrscheinlich das bedeutendste Meisterwerk der Literaturgeschichte – sicherlich auf Augenhöhe mit Gotthelf – und wird bis heute auch bei uns an den Schulen gelehrt. Im Laufe dieser Tragödie sagt Doktor Faust zum teuflischen Mephisto:
In diesen Zeilen ist – aus dem Zusammenhang gelöst und ins Eishockey des 21. Jahrhunderts übertragen – eigentlich die ganze Dramatik im Dasein eines SCB-Trainers zusammengefasst. Ach, du schöner Augenblick eines 7:0 gegen Langnau, verweile! Wohl wissend, wie schnell sich alles wieder ändern kann. Wie unverhofft ein SCB-Trainer im Sinne von Goethe hockeytechnisch «zugrunde» gehen kann.
Darin liegt aber auch der Trost für Langnau: Neuer Tag, neues Spiel (gegen Ambri), neues Glück und schon 24 Stunden später ist, wenn denn Ambri gebodigt wird, die Schmach dieses 0:7 vergessen.
Während der Qualifikation bekommt jeder Trainer, jeder Sportchef, jeder Spieler 52-mal eine neue Chance, ligaweit sind es 364 Spiele und neue Chancen. So gnädig ist das wahre Leben nicht. Für den Chronisten ist es eine Mühsal. Jedes Spiel kann ihn des Irrtums und der Fehleinschätzung überführen.
PS. Jetzt haben wir noch nichts über Langnau gesagt. Um es kurz zu sagen. Langnau war miserabel. Auf der ganzen Linie. Vorne und hinten und überall. Emotionen brachten sie nur während rund drei Sekunden ins Spiel: Julian Schmutz zertrümmert mit kräftigen Hieben nach dem 7. Gegentreffer im Frust den Stock auf der Torumrandung. Hätte er während der Partie so viel Wut, Leidenschaft und Kraft in eine Schussabgabe investiert, dann hätte der Puck das Tornetz zerrissen und die Bande hinter dem Tor beschädigt.
Aber gerade die Emmentaler wissen, wie schnell alles anders werden kann. Am 3. Januar haben sie in Rapperswil-Jona 0:9 verloren. 0:9! Im nächsten Spiel haben sie in Langnau Lugano 6:4 gebodigt – und die Lakers verloren in Davos oben 4:5. Wir sehen, es ist eben schon so, wie uns Johann Wolfgang Goethe lehrt:
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Amarillo
Mamasita
Nummy33