Warum treffen die Zuger nicht ins Tor? Hinterher ist die Versuchung gross, Mängel aufzulisten und zu erklären, dies hätte anders, jenes so sein müssen. So zu tun, als wüssten wir es genau.
Aber das wäre billige Polemik. Wenn es um die offensiven Bemühungen geht, gibt es keine Mängel, Fehler oder Versäumnisse, die wir dem Trainer oder den Spielern vorhalten können.
Dieses spektakuläre donnerstägliche Scheitern ist erstens den Unabwägbarkeiten eines unberechenbaren Spiels auf einer rutschigen Unterlage geschuldet, zweitens besonderen Umständen, auf die wir noch eingehen werden und drittens der Magie von Leonardo Genoni. Wenn die Stürmer einen Torhüter mit einem so legendären Ruf überwinden müssen, dann werden sie von einer winzigen, aber entscheidenden Prise Zweifel heimgesucht. Wir sagen ja nicht umsonst, dass Goalies hexen.
Provokativ können wir die ganze Partie auf eine einzige Szene reduzieren: die Zuger haben diese vierte Partie letztlich durch einen einzigen Schuss verloren. Gaëtan Haas trifft im ersten Powerplay der Berner zum 1:0. Es ist erst der sechste Abschlussversuch. Es ist ein Schuss, der die Zuger ins Herz trifft und von dem sie sich nie wieder erholen werden.
Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie die Berner zu Wasser, zu Land und in der Luft dominiert. Mit dem besten, kraftvollsten, schnellsten Hockey, zu dem sie fähig sind. Ja, mit ziemlicher Sicherheit haben sie nie in dieser Saison besser gespielt als bis zu diesem unglücklichen 0:1. Aber sie treffen nicht ins Tor. Nur die Torumrandung durch Dario Simion. Alles andere erledigt Leonardo Genoni.
Das ist eine Besonderheit in diesem Finale: Zug hat in jeder Partie mehr Abschlussversuche.
Zug verliert so spektakulär wie einst Geni Hasler im Sägemehlring. Der spektakulärste Offensiv-Schwinger der Geschichte ist der beste «Böse», der nie König war und auch er hat seine bitterste Niederlage gegen einen Berner erlitten. Im eidgenössischen Schlussgang 1989 gegen Adrian Käser.
Aber zu dieser spektakulären Niederlage im vierten Finalspiel gehört die Anmerkung, dass die Zuger auch das Opfer von besonderen Umständen werden: einer regeltechnischen Spitzfindigkeit. Wohlverstanden: einer Spitzfindigkeit. Nicht eines Fehlentscheides.
In der 31. Minute gelingt Garrett Roe im Powerplay das 1:1. Es ist der Ausgleich, der dieser Partie eine andere Wendung hätte geben können. Aber die Schiedsrichter annullieren den Treffer nach der Video-Konsultation wegen Behinderung des Torhüters.
Tatsächlich zeigt sich bei genauem Studium der laufenden Bilder, dass Leonardo Genoni in seiner Bewegungsfreiheit im Torraum eingeengt worden ist, bevor der Puck ins Netz fährt. Nur ist diese Behinderung so geringfügig und erfolgt so lange vor dem finalen Torschuss, dass sie hätte ignoriert werden können. Eigentlich hätte ignoriert werden müssen. Die Aberkennung liegt im Graubereich des Ermessensspielraumes. Die Zuger werden also das Opfer einer regeljuristischen Spitzfindigkeit.
Diese Szene ist ein starkes Argument um den «Video-Wahn» einzudämmen. Puck drin. Puck nicht drin. Mit dem Schlittschuh, nicht mit dem Schlittschuh – das ist es, was kontrolliert werden sollte. Alles andere ist einfach unsinnig. Wenn wir Torszenen sezieren wie ein seltenes Insekt, dann finden wir irgendwo ein Vergehen, das sich nach den Buchstaben, Kommas und Punkten der Reglemente ahnden lässt.
Wäre dieses 1:1 von den Schiedsrichter anerkannt worden, dann hätte kein Mensch auf diesem Planeten dagegen etwas gesagt. Der nächste Schritt des ganzen «Video-Wahns» wird wahrscheinlich die Verpflichtung von Video-Juristen sein. Und tatsächlich wehren sich die Schiedsrichter gegen diese «Videotisierung» des Spiels.
Kehren wir zum Spiel zurück: Nach den Erregungen und Aufregungen um den nicht anerkannten Ausgleich ist die Partie gelaufen. Obwohl es erst 0:1 steht. Aber die Zuger lassen sich durch die Umstände in der Konzentration stören und vom Spiel ablenken. Die Berner hingegen nicht. Ihre Erfahrung und ihre Disziplin sind Gold wert. Der zweite Treffer ist nur eine Frage der Zeit. Er fällt in der 37. Minute. Wieder durch Gaëtan Haas.
Erneut hat der SCB einen Kandidaten für die Auszeichnung zum wertvollsten Spieler (MVP) aus dem Hut gezaubert. Gaëtan Haas hat bei allen drei Treffern den Stock im Spiel. Inzwischen gibt es beim SCB schon sechs verschiedene Final-Torschützen.
Erfahrung und Disziplin helfen den Bernern, das Schlussdrittel zu überstehen, als die Zuger noch einmal ihre Kräfte sammeln und das Gehäuse von Leonardo Genoni bestürmen.
Ganz zum Schluss kommen wir noch einmal auf zu Beginn gemachte Feststellung zurück, dass tatsächlich alles so ist, wie es schon immer war. Es ist des Chronisten Pflicht. Nicht seine Bösartigkeit. Er verneigt sich vor Tobias Stephan und bezeichnet ihn als Dino Stecher des 21. Jahrhunderts. Als besten mehrfachen Final-Goalie, der noch nie Meister geworden ist. Hier die offizielle Final-Statistik der Liga mit den Fangquoten.
Tränen und Zahlen lügen nicht. Mit Tobias Stephan ist es nicht möglich Meister zu werden. Das erste und zweite Tor hätte ein grosser Torhüter verhindert. Beim ersten, bereits wegweisenden Treffer wird dem Zuger Goalie erneut seine Passivität zu Verhängnis. Das macht es für die Berner viel zu einfach, ihm die Sicht zu nehmen.
Zug kann nur mit einem grossen Torhüter Meister werden. Erst recht, wenn im Finale beim Gegner mit Leonardo Genoni ein grosser Goalie der letzte Mann ist.
Aber nächste Saison wird er ja ein Zuger sein. Die Polemik um Tobias Stephan endet also bald – um schon bald in Lausanne eine Fortsetzung zu erfahren. Dort heisst es dann La polémique.
Beim 1:1 haben die Schiris das Goal bereits auf dem Eis NICHT gegeben! Hier gegen den Videobeweis zu schreiben ist billige Polemik!
Ohne Video hätte das goal auch nicht gezählt!