Trotz Winkelried und Wundergoalie – die Lions bleiben Titel-Favoriten
Dieses dramatische dritte Finalspiel mahnt uns vom Verlauf her ein wenig an jenen längst zum Mythos verklärten Heldentag von Sempach (1386).
Damals gerieten die um ihre Freiheit ringenden Eidgenossen gegen die zahlenmässig überlegenen Habsburger in arge Bedrängnis. Da fasste sich Arnold Winkelried ein Herz, riss einen Arm voll gegnerischer Spiesse an sich und bahnte seinen Kameraden die Lücke, durch die sie in die Abwehr des Gegners eindringen konnten («Ich will euch eine Gasse bahnen»). Am Ende standen ein grandioser Sieg und die Freiheit der Schweiz.
Am späten Montagnachmittag standen die Davoser im Hallenstadion so arg unter Druck wie damals die Eidgenossen. Am Ende sollten die Statistiker inklusive der Verlängerung ein Torschussverhältnis von 54:16 (9:5, 13:4, 16:4, 16:3) für den Titelverteidiger notieren. Eines der einseitigsten, aber auch eines der dramatischsten, intensivsten und schnellsten Finalspiele die wir seit 1986 gesehen haben.
Ambühl wie einst Winkelried
Aber in diese gegnerische Überlegenheit hinein stach HCD-Leitwolf Andres Ambühl mit seinem Sololauf übers ganze Eisfeld wie Arnold Winkelried einst in die undurchdringliche Wand der habsburgischen Spiesse. Er schloss diese famose Einzelleistung, die ihn wahrlich zu einem «Winkelried des Eishockeys» macht, mit dem überraschenden 1:0 ab.

Er bahnte seinen Kameraden aus den Bergen die Gasse, durch die sie 87 Sekunden später auch noch zum 2:0 stürmten. Andres Ambühls Kommunikation ist so geradlinig wie sein Sololauf. Er sagt zum wahrscheinlich schönsten Tor seiner Karriere: «Es hat gepasst, von vorne bis hinten.»
Überragender Genoni
Das 2:0 nach 37 Minuten war der Vorsprung, den die Davoser brauchten, um den gewaltigen Ansturm des Gegners im Schlussdrittel zu überstehen und sich durch die Verlängerung ins Penalty-Schiessen zu retten. Dort vollendete Torhüter Leonardo Genoni seine Weltklasseleistung. Er stoppte alle vier Versuche der Zürcher (Ryan Shannon, Mike Künzle, Robert Nilsson, Patrik Bärtschi) und der HCD gewann das Penalty-Schiessen durch die Treffer von Samuel Walser und Félicien Du Bois 2:0.
Der ehemalige ZSC-Junior im HCD-Tor ist in dieser Form der beste Schweizer Goalie ausserhalb der NHL. Er kann die grosse, mächtige Hockeymaschine der ZSC Lions aufhalten. Er ist trotz der famosen Einzelleistung von Andres Ambühl der wichtigste Einzelspieler beim HC Davos.
Die ZSC Lions haben in diesem Finale die erste Partie dominiert und 3:0 gewonnen, die zweite in Davos 2:5 verloren und jetzt eine überraschende und vermeidbare Heimniederlage erlitten. Aber nach wie vor sind sie Favoriten und die erste Titelverteidigung seit 2001 (ebenfalls die ZSC Lions) ist möglich.
Angeschlagene HCD-Ausländer
Denn die grosse Frage ist: Hält der HCD durch? Im Schlussdrittel fielen mit Tyler Redenbach und Parttu Lindgren gleich zwei Mittelstürmer aus. In der Verlängerung erwischte es mit Dick Axelsson auch noch den ausländischen Flügel. Die Davoser retteten sich schliesslich mit einer reinen Schweizer Mannschaft ins Penalty-Schiessen. Trainer Arno Del Curto sagt: «Alle drei müssen zur Untersuchung ins Spital. Dann sehen wir weiter.»
Am Donnerstag dürfte nun Leitwolf Reto von Arx (er sass am Montag erstmals im Finale auf der Tribune) wieder ins Team zurückkehren. Die Frage, die gar niemand beantworten will: Wo wäre dieser HC Davos mit vier grossen ausländischen Spielern? Mit ziemlicher Sicherheit nur noch einen Sieg vom Titel entfernt. So aber zeichnet sich ein «Zermürbungsfinale» ab. Die grössere Kadertiefe, die grössere Ausgeglichenheit über vier Linien, könnten doch noch den Ausschlag für die ZSC Lions geben. Trotz Winkelried Andres Ambühl und Wundergoalie Leonardo Genoni.