Typisch dafür die 1:5-Pleite gegen Biel. Die SCL Tigers sind – neben Ajoie – das einzige Team der gesamten Liga, das noch nie den Playoff-Halbfinal erreicht hat. Die Emmentaler haben in ihrer ganzen Geschichte (seit 1946) bisher erst drei Playoffspiele gewonnen. Weil es eine «gläserne Decke» gibt, die einfach nicht durchbrochen werden kann.
Am 4. Januar besiegen die Langnauer Servette 3:0. Rang 7. Der Blick geht nach oben: Für Platz 6 (direkte Playoff-Qualifikation) fehlt nur ein einziger Punkt. Die Reserve auf Rang 10 beträgt beruhigende acht Punkte. Die gute Arbeit von Sportchef Pascal Müller und Trainer Thierry Paterlini zahlt sich aus! Playoffs, wir kommen! Eine direkte Qualifikation für die Playoffs (Rang 6) muss das Ziel sein! Jetzt oder nie! Alles mobilisieren! Ho-ho-hopp Langnou!
Seit diesem ruhmreichen 4. Januar haben die SCL Tigers jedes Spiel verloren. 2:3 in Genf, 0:1 in der Ajoie hinten, 0:1 gegen die ZSC Lions, 2:3 in Kloten und nun geradezu schmählich 1:5 gegen Biel. Kein Tor in zehn Minuten Powerplay. Und der Titan Stéphane Charlin schrumpft mit einer Fangquote von 84,62 Prozent auf Normalgrösse. Die Liga-Statistik führt er trotzdem mit 94,84 Prozent nach wie vor an. Was ist los? Krise?
Nein. Keine Krise. Eine oberflächliche Ursachenforschung – Stéphane Charlin nicht mehr in Hochform, zu wenig produktive Ausländer etc. – hilft nicht weiter. Die Antwort auf das «Warum?» ist verblüffend einfach: Die Langnauer sind halt wieder von ihrer Vergangenheit eingeholt worden.
Sie bleiben gefangen in einer ganz besonderen Mentalität. Sie können einfach nicht mit hohen Erwartungen umgehen. Wenn sie froh und fröhlich sind, dass der Ligaerhalt nicht gefährdet ist, wenn niemand viel erwartet, dann ist alles möglich. Siege in dieser Saison gegen Davos (7:0, 3:0), in Ambri (2:1, 4:3) oder gegen Biel (1:0, 4:1).
Nach wie vor gilt tief in der Hockey-Seele der Emmentaler: Es ist doch schön, dass wir in einem Dorf mit rund 10'000 Bewohnenden ein Hockeyteam in der höchsten Liga haben. Wir sollten nicht hoffärtig sein und bescheiden bleiben. Playoffs, das ist etwas für die mit mehr Geld. Wir haben ja nicht ein so grosses «Bütsche» wie der SCB, Gottéron, Davos, Lausanne, Servette, Lugano, Zug, Biel oder die ZSC Lions und auch in Ambri, Rapperswil-Jona, oder Kloten steht sicherlich mehr Geld zur Verfügung. Also gehört es sich nicht, mehr zu erwarten als der Klassenerhalt. Wir sind doch froh, dass wir überhaupt dabei sind. «Nume nid überutere», sagten schon die Alten.
Diese Bescheidenheit, die tief in der nach wie vor agrarisch geprägten DNA der Emmentaler verwurzelt ist, führt im Hockey-Business des 21. Jahrhunderts zu Genügsamkeit.
Das neumodische, kompromisslose Streben nach Erfolg und spielen auf Sieg passt einfach nicht zur sympathisch-beschaulichen Kultur im Gotthelf-Land. Immer und immer wieder scheitern die Langnauer dann, wenn sie drauf und dran sind, in die obere Tabellenhälfte vorzustossen. Wenn hohe Erwartungen geweckt werden. Wenn sie auf einmal etwas zu verlieren haben.
Als sei über ihnen eine gläserne Decke. Das geht seit Menschengedenken so.
Typisch dafür: Am 22. Januar 2011 sichern sich die SCL Tigers mit einem 3:2 in Rapperswil-Jona zum ersten Mal in ihrer Geschichte die Playoffs in der höchsten Liga. Das reicht. Wir wollen nicht zu hoch hinaus. In den restlichen 6 Qualifikationspartien setzt es 5 Niederlagen ab und im Viertelfinal ist nach vier Spielen und vier Niederlagen gegen den SCB schon Saison-Schluss.
Erst ein einziger Trainer hat bisher an dieser gläsernen Decke gerüttelt. Heinz Ehlers. Er führt die Langnauer 2019 zum zweiten Mal in die Playoffs und Lausanne braucht im Viertelfinal 7 Spiele. Der grantige Däne ist nie zufrieden, presst das Team in jeder Partie aus, als gäbe es kein nächstes Spiel. Keine Ausreden. Nur das Resultat zählt.
Und nun also Thierry Paterlini. Er hat seit seinem Amtsantritt im Sommer 2022 schon schlimmere Serien als die aktuellen fünf Niederlagen erlebt. Unvergessen die Pleiten im Herbst 2023: nacheinander 3:7 gegen Lausanne, 1:6 gegen Davos, 0:7 gegen den SCB. Aber da gibt es keine Kritik und schon gar nicht Polemik.
Ganz im Gegenteil. Viel Trost und Zuspruch und zur Festigung seiner Position gleich noch eine vorzeitige Vertragsverlängerung. Die Erwartungen sind bescheiden. Nur nicht absteigen! Selbst nach dem 0:7 in Bern bleibt Thierry Paterlini cool und stellt sich den Fragen der Chronistinnen und Chronisten. So wie das Brauch und Recht ist. Er hat ja nichts zu verlieren.
Nun ist die Stimmung eine ganz andere. Thierry Paterlini ist nach dem 1:5 gegen Biel grantig wie noch nie seit seiner Ankunft in Langnau. Er verweigert ein Interview sogar dem heimischen Sender Neo1 (früher Radio Emme), der jede Partie mit viel Enthusiasmus live überträgt und so wenig zu Polemik und Kritik neigt wie der Vatikan zu Sportwetten. Das hat es noch gar nie gegeben.
Langnaus Trainer gehört zu den wenigen durch und durch authentischen Persönlichkeiten in diesem Geschäft, die sagen, was sie denken und die Kunst der nichtssagenden Floskeln nicht beherrschen. Also erscheint er wohlweislich gar nicht erst zur Befragung. Weil er dann so Tacheles reden würde, dass die Hörerinnen und Hörer des kultigen Lokalradios in den heimeligen Stuben von den Polstergruppen und den Schaukelstühlen aufspringen würden.
Thierry Paterlini hat bisher alles richtig gemacht. Die meisten Spieler sind unter ihm besser, einige sogar viel besser geworden. Er hat der Mannschaft ein Spielsystem und taktische Disziplin beigebracht (die Langnauer haben immer noch die viertbeste Abwehr der Liga) und an der Bande bleibt er auch in hektischen Momenten cool und behält im Pulverdampf der Emotionen den Durchblick.
Aber nun spürt er, dass auch er offenbar diese gläserne Decke nicht zu durchstossen vermag, dass diese Unfähigkeit, mit hohen Erwartungen umzugehen, ihn (und damit die Mannschaft) um den Lohn der Anstrengungen zu bringen droht. Zumal die noch hinter Langnau liegenden «schlummernden Titanen» Lugano und Servette die Trainer abgesetzt haben. Die Gefahr, dass Lugano nun unter Uwe Krupp rocken wird, ist erheblich. Servette könnte – wie Gewährsleute aus dem Welschland melden – womöglich das unsinnige Experiment der kollektiven Führung ohne richtigen Chef bald beenden und mit dem grantigen ehemaligen NHL-General Gerard Gallant (zuletzt mit Team Canada beim Spengler Cup) einen richtigen Trainer verpflichten. Er würde den Genfern Beine machen.
Hilft in Langnau toben? Auf Dauer sicher nicht. Am ehesten könnte Thierry Paterlini die Stimmung auflockern und die offensive Blockade (nur noch 3 Tore aus den 116 Abschlüssen der letzten vier Spiele) lösen, indem er erklärt, dass die nächsten fünf Partien (gegen Zug, die Lakers, Gottéron, Davos und Lausanne) unwichtig geworden sind. Dass die Meisterschaft eigentlich erst am 31. Januar mit dem Derby gegen den SC Bern weiter geht. Dann aber müsse der SCB mit Vollgas unbedingt gebodigt werden. Und bis dahin seien die Stürmer auch von defensiven Hausaufgaben befreit. Jeder dürfe bis zum SCB-Match nach Herzenslust vorwärtsstürmen.
Sagt Kultstürmer Flavio Schmutz zu diesem Vorschlag:
Kommt mal eine Flaute von 10 Spielen läuft gar nichts mehr. Das sind diese Spiele, in denen der Puck an die Latte, den Goalistock oder ins Aussennetz gehen.
"Wer die Tore nicht macht, bekommt sie".
Das erste Tor war ja nun mehr als glücklicher Zufall. Daher die Motivation.
Aaaabberr! Die Cheiben haben bis zur letzten !Sekunde! gekämpft :)
Langnau hat halt vor allem im 2. Drittel der Saison überperformt, was vor allem am hervorragenden Charlin lag. Man hat dank ihm Spiele gewonnen, welche man mit fast jedem anderen Goalie verloren hätte. Unter Boltshauser, welcher auch kein schlechter Goalie ist, gewann man gerade mal eins von elf Spielen. Das spricht halt auch nicht unbedingt für eine gute Defensive.