Gaëtan Voisard hatte als Verteidiger Haudegen einst vielerorts Kultstatus (u.a. in Pruntrut, Bern, Lugano, Zug, Basel und Rapperswil-Jona). Nun hat er als vielgereister Agent vor allem viel Arbeit. Auch bei seinem Besuch hier in Herning rappelte sein Hosentelefon immer wieder.
Servette wäre viele Sorgen los, wenn Stéphane Charlin nicht in die NHL wechselt. Das darf er im Sommer bis zum 15. Juni trotz eines Vertrages bis 2028 in Genf. Die Frage, die also Sportchef Marc Gautschi umtreibt: Was mache ich, wenn ich meinen wichtigsten Mann verliere?
Gaëtan Voisard hat in dieser Situation das Weggli und den Batzen. Kann er seinen Klienten in die NHL vermitteln, dann hat eines seiner Sorgenkinder endlich einen Arbeitsplatz. Wechselt Stéphane Charlin in die NHL, dann wird er vorerst durch Sandro Zurkirchen ersetzt. Seine Situation ist einigermassen kurios: Soeben war er mit einer Fangquote von über 91 Prozent einer der Gründe für Klotens formidable Saison. Aber er ist halt schon 36. Kein neuer Vertrag in Kloten und Gaëtan Voisard hat für seinen Schützling nach wie vor kein neues Plätzchen gefunden. In Sierre will Chris McSorley das Portemonnaie nicht öffnen, beim SCB gibt es zwar ein vages Interesse, aber keine Offerte. Servette ist momentan die letzte Hoffnung auf Ruhm und etwas Altersgeld.
Gaëtan Voisard schätzt die Chancen für ein NHL-Abenteuer von Stéphane Charlin allerdings vorerst noch nicht sehr hoch ein. «Wir prüfen immer noch mehrere Möglichkeiten. Die Chancen stehen etwa bei 50:50. Ich gehe davon aus, dass seine Chancen nach der nächsten Saison, nach den Olympischen Spielen und einer weiteren WM grösser sein werden.»
Will heissen: Wenn sich Stéphane Charlin bei den zwei Titelturnieren profilieren kann, wird sein Marktwert womöglich steigen. Mit 24 ist er im besten Alter, er hat Postur und Stil für die NHL und da im Draft kein NHL-Klub die Rechte erworben hat, kann er den Arbeitgeber in der NHL frei wählen. Eine Ehrenrunde mit einer Saison bei Servette könnte sich also lohnen.
Bei den Transfer-Marktständen werden weiterhin auch weniger attraktive Spieler angeboten. Beispielsweise Colin Gerber (27). Sein Vertrag bei den Lakers ist ausgelaufen. Der Musterprofi, geschliffen im SCB-Nachwuchs ist in den letzten zwei Jahren in Rapperswil-Jona nicht glücklich geworden und ist jetzt ein «Sonderangebot»: Wahrscheinlich einer der meistunterschätzten Verteidiger. Ein sehr solider Handwerker mit NHL-Postur, aber zu wenig Skorerpunkte, um für die Titanen mit vollen Tresoren attraktiv zu sein.
Bei einem ambitionierten Team der zweithöchsten Liga könnte er hingegen ein charismatischer Verteidigungsminister sein. Sierre und Visp sind sehr interessiert. Aber Chris McSorley sagt, Spieler wie Colin Gerber würden mit jeder Woche ohne neuen Klub günstiger und will nicht sechsstellig löhnen. Visp hingegen hat nun die Offerte zweimal nachgebessert und ist bereit, auch eine Ausstiegsklausel für einen Transfer während der Saison im Falle eines Angebotes aus der National League zu gewähren. Money talks. Aber nur leise.
Hingegen geht es im Fall von Fabian Ritzmann recht ins Geld. Der kräftige Powerflügel (192 cm / 97 kg) hätte im letzten Herbst beim SCB gerne vorzeitig verlängert. Im Sommer 2022 ist er von Davos gekommen und ihm gefällt es in Bern. Aber Untersportchef Patrik Bärtschi zeigte kein Interesse an einer vorzeitigen Prolongation mit einem Stürmer, der eine Saison mit mageren 8 Skorerpunkten hinter sich hatte. Er meinte, man wolle noch zuwarten. Es pressiere nicht.
Diese fehlende Wertschätzung mag den Musterprofi mit NHL-Postur vielleicht gekränkt haben – aber er setzte den verletzten Stolz positiv um. So wie es seine Art ist und steigerte sich auch ohne Powerplay-Zeit auf 17 Skorerpunkte und eine Plus-14-Bilanz. Er kam zu seinen ersten Länderspielen. Er ist erst 23 und dürfte ein enormes Entwicklungspotenzial haben.
Sein Vertrag läuft Ende der nächsten Saison im Frühjahr 2026 aus und er möchte bis zur Nationalmannschaftspause im November die Zukunft regeln. Er verdient in Bern lediglich 120'000 Franken und kann nun mit einer Verdoppelung rechnen. Sogar die ZSC Lions sind interessiert. Sportchef Sven Leuenberger sagt, Fabian Ritzmann sei durchaus eine Überlegung wert. Welche, verrät er nicht. Aber Fabian Ritzmann wäre beispielsweise der perfekte neue Chris Baltisberger. Der kräftige Vorkämpfer wird im Oktober 34 und sein Vertrag läuft im nächsten Frühjahr aus.
PS: Der Chronist kommt einer Bitte von Zugs Sportchef Reto Kläy gerne nach und korrigiert seine Lohneinschätzung für Dominik Kubalik (900'000 Franken) nach unten. Eine Schätzung ist ja eine ungefähre Bestimmung eines Wertes, ohne dass exakte Daten oder genaue Messungen vorliegen. Sie basiert auf Erfahrungen, Annahmen, Beobachtungen, Teilinformationen und vielen Hosentelefonaten und kommt zur Anwendung, wenn exakte Zahlen nicht verfügbar sind. Alles in allem daher auch eine Glaubensfrage.
Der Chronist glaubt Reto Kläys Beteuerung allerdings nicht ganz, dass Dominik Kubalik in Zug weniger verdiene als zuvor in Ambri. Aber er stimmt ihm zu, dass 900'000 Franken doch etwas übertrieben war und justiert grosszügig nach unten auf weniger als eine halbe Million. Auch das natürlich eine Glaubenssache. Manchmal zeigt sich später, ob wir mit unserem Glauben recht hatten – oder ob wir uns geirrt haben. Glauben und Schätzen helfen uns, die Hockeywelt im Allgemeinen und den Planeten Zug besser zu verstehen.