Fleisch machte Nusret Gökce zu einer Berühmtheit. Vielmehr das Salz, das auf dem Fleisch landet. Mit einer einzigen Handbewegung, dem Würzen des Fleisches mit Salz, landete er unter seinem Pseudonym «Salt Bae» einen viralen Hit nach dem anderen, zog prominente Fussballer und andere Sternchen an und eröffnete ein Steakhaus nach dem anderen.
22 Fleischrestaurants besitzt der 39-jährige Türke inzwischen. Von Los Angeles bis Abu Dhabi lassen sich Feinschmecker oder solche, die sich dafür halten, mit Blattgold dekorierte Ribeye-Steaks servieren und blättern dafür 1000 Dollar hin. Sein Markenzeichen sind aber nicht seine Fleischstücke oder die gespreizte Geste, mit der er Salz auf seine Steaks streut. Sein grösstes Pfund, mit dem er wuchert, ist er selbst.
24 Stunden, sieben Tage die Woche lässt er sich von einem vierköpfigen Team mit der Kamera begleiten und dokumentiert sein Jet-Set-Leben mit Privatjet, Tom-Ford-Anzügen und edlen Zigarren, um es Millionen Followern auf Instagram und TikTok zu präsentieren. Gökce einen Hang zur Selbstdarstellung zu attestieren, ist wohl nicht übertrieben. Im Dezember 2022 übertrieb er es jedoch ein wenig damit.
Damals sah man den gelernten Metzger unmittelbar nach dem WM-Finale zwischen Frankreich und Argentinien auf dem Platz des Lusoil-Stadions in Katar, wie er sich unter die siegreichen Argentinier mischte, deren Superstar Messi bedrängte, um ein Selfie mit ihm zu ergattern, und wie er schliesslich sogar die WM-Trophäe in die Hand nahm und damit posierte, als hätte er sie selbst gerade gewonnen.
El chef Salt Bae habló sobre su desubicada irrupción en los festejos de Qatar 2022: “Nunca volvería a pisar la cancha de la Copa del Mundo” https://t.co/cDvnRQUksS
— Infobae México (@infobaemexico) June 26, 2023
Der Auftritt Gökces sorgte nicht nur bei den Spielern der Albiceleste für Unmut. Zahlreiche Kommentatoren und Beobachter droschen auf den flamboyanten Gastronomen ein, nannten sein Verhalten «schauderhaft», «zum Fremdschämen» oder einfach nur «erbärmlich». «Der Mann ist die Pest», meinte etwa Englands Fussballlegende Gary Lineker angesichts der Bilder aus Katar.
Nun bezog der Gescholtene erstmals Stellung zu der Aktion. Im Interview mit der britischen «The Sunday Times» erklärte er sein Verhalten mit Naivität. «Es war eine Mischung aus Zuneigung zu Argentinien und Aufregung», so der Instagram-Star. «Ich liebe Argentinien, ich habe dort eine Zeit lang gelebt. Viele ihrer Spieler kommen in mein Restaurant. Daher habe ich mich nicht als Fremder gefühlt.»
Dass die meisten Beteiligten auf und neben dem Feld das anders sahen, dafür hat «Salt Bae» aber offenbar nicht so richtig Verständnis. «Wie viele haben das Finale geschaut? Zwei Milliarden Menschen. Und wie viele Menschen haben hinterher über mich gesprochen? Fünf Milliarden. Die ganze Welt.»
Es scheint nicht so, als sei ihm diese Aufmerksamkeit unangenehm. Eher klingt es so, als sei der umtriebige Fleischbräter stolz auf seinen PR-Coup auf dem Platz des WM-Finales. Dabei stellte sich schon unmittelbar nach dem Auftritt die Frage, was Gökce eigentlich auf dem Feld zu suchen hatte. Schliesslich gelten bei der – was die Einlassbestimmungen zu ihren Events angeht – ohnehin sehr restriktiven Fifa noch strengere Regeln, wenn es um ein WM-Finale geht.
Die Antwort war schnell gefunden. Der ebenfalls nicht aufmerksamkeitsscheue Präsident des Fussballweltverbands hatte Gökce persönlich mit einem VIP-Pass ausgestattet. Hinterher wollte Gianni Infantino aber wohl doch nichts mehr von dem Promi-Metzger wissen. Er entfolgte ihn zumindest bei Instagram und leitete eine Ermittlung seines Verbandes ein, um den Eklat aufzuklären.
Gökce gibt sich gegenüber der «Times» leutselig. «Ich wollte niemals irgendwen oder irgendwas überstrahlen. Ich stehe gar nicht gern im Mittelpunkt». Das darf zumindest bezweifelt werden.
Mehr als neun ehemalige Angestellte von Gökces Restaurant haben den Promi-Gastronomen verklagt, weil er ihnen Trinkgelder vorenthalten und sie zum Teil diskriminiert haben soll. Sieben Prozesse sind wegen dieser und ähnlicher Anschuldigungen anhängig. Einer der ehemaligen Angestellten attestiert «Salt Bae» eine obsessive Beschäftigung mit sich selbst und vergleicht ihn mit einem Diktator. «Das Aufregendste für ihn ist er selbst. Er hält sich für Gott persönlich», sagte er dem Magazin «Insider».