Am Mittwochmorgen sitzt Markus Lüthi zuhause in Wabern am Stubentisch. Einen Steinwurf entfernt strömt die Aare idyllisch in Richtung Bern. 30 Kilometer flussaufwärts hat der 62-Jährige den FC Thun in den letzten acht Jahren zu einem bemerkenswerten Super-League-Klub geformt, der sich trotz eines Minibudgets hartnäckig im Oberhaus hält und in der letzten Saison gegen Basel (1:2) im Cupfinal stand.
Die Coronakrise hat auch die Thuner hart getroffen. Der Präsident hat sich bereiterklärt, Einblick ins Innenleben seines Klubs zu gewähren. Im Laufe des Gesprächs sickert auf Nachrichtenkanälen durch, dass Bundesrätin Viola Amherd schon am Nachmittag die Finanzhilfe des Bundes für den Profifussball vorstellen könnte, für die sich die Swiss Football League beim Bundesamt für Sport starkgemacht hatte. «Wir werden sehen, ob sie unsere Probleme löst oder ob es doch eher eine Nichtlösung ist», sagt Lüthi.
Dann werden wieder Thuner Zahlen gewälzt. Als Ende Februar allmählich absehbar geworden war, was das Coronavirus für den Fussball bedeuten könnte, hatte Lüthi alle möglichen Geldabflüsse wie zum Beispiel die Stadionmiete gestoppt. So schrumpften die Ausgaben im April auf 100'000 Franken. «Die aktuelle Situation wäre daher noch auszuhalten, aber das ist ja kein Geschäftsmodell», sagt Lüthi.
Kurz vor dem Ende des Interviews ploppt dann auf dem Handy des einen Besuchers eine Mitteilung auf: Dem Fussball und dem Eishockey würden zusammen voraussichtlich 350 Millionen Franken zugesprochen. «350 Millionen?», fragt Lüthi etwas ungläubig.
Am Tag danach bezieht er am Autotelefon Stellung dazu. Er, der längst nicht immer gut findet, was die Liga tut oder eben nicht tut, lobt deren Verantwortliche zunächst einmal. «Das ist eine gute Leistung. Es ist ein wichtiges Puzzleteil, um am 29. Mai eine gute Entscheidung zu treffen», sagt Lüthi. «Es verschafft die Möglichkeit, bei einem Liquiditätsmangel den Betrieb nicht einstellen zu müssen.»
Zur Erinnerung: Am 27. Mai entscheidet der Bundesrat definitiv, ob ab dem 19. Juni die Saison – ohne Zuschauer – fortgesetzt werden kann. Zwei Tage später stimmen die zwanzig Klubs darüber ab, ob sie die Meisterschaft abbrechen oder doch auf Geisterspiele setzen wollen.
Aus der Sicht von Lüthi wird Amherds Angebot keinen grossen Einfluss auf den Entscheid haben. «Ein Abbruch braucht Geld, eine Fortsetzung braucht Geld. Am einen Ort würden wir TV-Gelder verlieren, am anderen fehlen die Zuschauereinnahmen. Der Ertragsausfall wird ja nicht kompensiert», sagt Lüthi.
Bei Licht betrachtet, ist das mit den zwei Tranchen à 175 Millionen Franken aber ohnehin so eine Sache. Lüthi hätte sich gewünscht, dass es sich dabei im Minimum formalrechtlich um Rangrücktrittsdarlehen handeln würde. Um die Beträge in der Bilanz als Eigenkapital darzustellen. Weil das Geld aber komplett zurückbezahlt werden muss, sagt Lüthi: «Die Verschuldungsproblematik wird zunehmen.»
Er gibt Peter Jakob, dem VR-Präsidenten der Eishockeyaner der SCL Tigers, recht, der gesagt hat, auf diese Art werde einfach bloss das Kopfweh verschoben. Lüthi: «Wir tragen unsere Probleme nur in die Zukunft. Ich weiss nicht, aus welchen Mitteln man das Darlehen zurückzahlen will. Die finanziellen Probleme werden damit nicht gelöst.»
Ob der FC Thun vom Angebot des Bundes Gebrauch machen wird, lässt Lüthi offen. Im Moment verfügt der Tabellenletzte der Super League noch über eine Million Franken an flüssigen Mitteln. «Wir schauen, was am 29. Mai entschieden wird. Falls wir keine Liquidität mehr haben sollten, würden wir versuchen, uns auf dieser Schiene eine solche zu besorgen», sagt Lüthi.
Keinen Einfluss haben Amherds Ankündigungen auch auf den Trainingsstart. «Wir trainieren erst, wenn wir abschätzen können, ob wir spielen werden», sagt Lüthi. Die Oberländer ziehen es wie die meisten Klubs vor, weiter Kurzarbeitsgeld zu beziehen.