Noch ist es ruhig um Thomas Tuchel – zumindest intern. Denn während der Bayern-Trainer öffentlich immer wieder kritisiert wird, was zu seinem schon jetzt legendären Auftritt im Sky-Interview geführt hat, scheint Tuchel im Klub die volle Rückendeckung zu geniessen. Und dazu gibt es Grund genug.
Schliesslich liegt der FC Bayern nach Verlustpunkten nur knapp hinter dem herausragenden Leverkusen und absolvierte die Gruppenphase der Champions League souverän und ungeschlagen als Erster. Doch dass der Wind in München schnell umschlagen kann, musste bereits Tuchels Vorgänger Julian Nagelsmann merken. Dieser wurde im vergangenen März entlassen, obwohl die Titelchancen in allen drei Wettbewerben intakt waren.
Ein Dreivierteljahr später steht Tuchel vor einer entscheidenden Phase. Denn obwohl die Bayern in der laufenden Saison meist gute Resultate einfuhren und Tuchels Wunschspieler Harry Kane dabei eine herausragende Rolle spielt, tritt der Bundesligist nicht immer überzeugend auf.
Bei der 1:5-Klatsche in Frankfurt vom letzten Samstag wurden die Schwächen in der Defensive und teilweise auch im Mittelfeld schonungslos offengelegt. Ausserdem sind die Münchner im DFB-Pokal bereits früh ausgeschieden, nachdem in der Vorsaison mit dem Gewinn der Meisterschaft aus Münchner Sicht nur das Minimum erreicht wurde. Gerät man nun auch noch in der Bundesliga ausser Tritt, könnte es für den Trainer schon bald ungemütlich werden.
Und das scheint nicht ausgeschlossen. Denn heute Sonntag (19.30 Uhr) bekommt es Bayern München mit den erfrischend aufspielenden Stuttgartern zu tun. Der Tabellendritte der Bundesliga stellt in seiner aktuellen Verfassung für jeden Konkurrenten eine Gefahr dar. Dies gilt auch für den Rekordmeister – gerade mit seiner aktuellen Defensiv-Situation.
Aussenverteidiger Noussair Mazraoui fehlt verletzt, Matthijs de Ligt steht zwar wieder im Kader, aber für mehr als einige Minuten reicht es wohl noch nicht, wie Tuchel an der Pressekonferenz vom Freitag verriet. Dazu kommt, dass 50-Millionen-Einkauf Min-jae Kim in der Innenverteidigung bisher nicht wirklich glänzen konnte. In der Fernsehsendung «Doppelpass» sprach der frühere Bundesliga-Profi Jan Age Fjörtoft nach Bayerns Niederlage gegen Frankfurt über die Defensiv-Situation der Münchner und urteilte: «Abwehrspieler kommen hierhin, um zu sterben.»
Gerade die Verteidiger werden gegen den VfB Stuttgart jedoch gefragt sein. Denn kaum ein Team spielt so schnell und direkt in die Spitze wie jenes von Sebastian Hoeness. Damit attackieren die Schwaben die gegnerische Viererkette direkt, was gegen die nicht immer stabile Defensive der Münchner für Gefahr vor Manuel Neuers Tor sorgen könnte.
Ausserdem erspielen sich nur die Bayern gemäss «Expected Goals» bessere Chancen als die Schwaben mit den starken Stürmern Serhou Guirassy (16 Tore in der laufenden Bundesliga-Saison) und Deniz Undav (8 Tore). Das in deutschen Medien und in Anlehnung an Balakov, Bobic und Elber bereits als «magisches Zweieck» betitelte Duo dürfte die Stuttgart-Offensive auch in München anführen.
Nach der Niederlage in Frankfurt zeigte sich Tuchel noch überrascht: «Wir dachten, wir wären schon weiter, aber wir wurden auf sehr brutale Weise eines Besseren belehrt.» Es sei wichtig, Stabilität reinzubekommen, was beim 1:0-Erfolg gegen Manchester United in der Champions League schon einmal gut gelang. Nun darf Tuchel darauf hoffen, dass dies auch gegen die torgefährlichen Stuttgarter gelingt.
Denn stolpert München auch über das vom Neffen von Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeness trainierte Team, könnte Leverkusen den Vorsprung an der Tabellenspitze auf bis zu vier Verlustpunkte ausbauen. Unterliegt der 33-fache Meister, würde er gar hinter den heutigen Gegner auf Platz 3 abrutschen – unter Vorbehalt des Nachholspiels gegen Union Berlin.
Dann dürfte es um die interne Ruhe um Thomas Tuchel geschehen sein. Denn sehen die wieder stärker involvierten Vereinslegenden Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge die Meisterschaft in Gefahr, kann es in München schnell gehen.