Die Sachlage ist verzwickt. Weil sich beim FC Zürich sechs Spieler der 1. Mannschaft, drei Staff-Angehörige und Präsident Ancillo Canepa mit dem Coronavirus infiziert haben, steckt praktisch die ganze Entourage auf Anordnung der kantonalen Gesundheitsdirektion in einer zehntägigen Quarantäne. Die Meisterschaft soll aber um jeden Preis fortgesetzt werden und bis am 3. August beendet sein.
In dieser Zwickmühle stand der FCZ vor der Wahl, ob er ein Gesuch um eine Verschiebung stellt und somit eine zweite Partie (nebst der am Samstag abgesagten gegen Sion) irgendwo in seine ohnehin schon englischen Wochen quetschen will. Oder ob er zum Wohle des Grossteils der Liga – und vielleicht auch zu seinem eigenen – eine Mannschaft aus dem U21-Nachwuchs rekrutiert, die heute in Basel antritt. Ob der FCZ damit die Super-League-Saison rettet oder doch vielmehr verzerrt, ist Ansichtssache.
Beim FC St.Gallen verzichtet man auf jegliche Polemik und wohl auch auf juristische Tätigkeiten, obwohl mit dem FCB und YB ausgerechnet die beiden Meister-Konkurrenten gegen die U21 des FCZ antreten werden. «Wir konzentrieren uns nur auf uns», sagt Präsident Matthias Hüppi dem «Tages-Anzeiger». «Kein Energieraub», lautet die Devise.
Für FCZ-Sportchef Thomas Bickel ist klar: «Die Geschädigten sind wir. Das ist ein Rückschlag im Rennen um den 4. Platz. Das hinterlässt einen sportlichen Nachgeschmack», erklärt er gegenüber der NZZ. Der FCZ muss quasi die Super League retten – «zugunsten des gesamten Schweizer Fussballs», wie Bickel sagt. Dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung begegnet er so: «Alle müssen jetzt Kompromisse eingehen.»
Bleibt die grosse Frage, was für einen FCZ wir heute Abend in Basel sehen werden. Wer genau auf dem Matchblatt stehen wird, ist noch nicht genau definiert. Zwar befindet sich die 2. Mannschaft seit Juni wieder im Training, Teile davon weilen aber gerade in den Ferien. Einige wie Goalie Novem Baumann, Henri Koide, Nils Reichmuth, Shpetim Sulejmani, Michael Kempter oder Stephan Seiler trainieren bereits mit der 1. Mannschaft und können deshalb nicht dabei sein.
Am Dienstag hat der FCZ zudem mitgeteilt, dass doch sechs Spieler aus der ersten Mannschaft im Kader stehen werden. Wie der «Blick» berichtet, soll es sich dabei um Marco Schönbächler, Antonio Marchesano, Pa Modou, Lavdim Zumberi, Novem Baumann und voraussichtlich Mimoun Mahi handeln.
Um das Kader aufzufüllen, muss U21-Trainer Marinko Jurendic wohl auch auf Spieler aus der U18 zurückgreifen. Nur wenige Positionen scheinen derzeit klar besetzt zu sein. Im Tor wird wohl der 19-jährige Serkan Polat stehen. Der bald 35-jährige José Gonçalves, der 2005 mit dem FC Thun in der Champions League spielte, dürfte in der Innenverteidigung gesetzt sein. Zudem werden wohl Schönbächler, Marchesano und Pa Modou auflaufen, die sicherlich wieder einsatzbereit sind. Aber egal, wer schliesslich spielt: «Die Jungen werden sicher bereit sein, sie können sich präsentieren», verspricht Bickel.
Dennoch wird ein Klassenunterschied zu sehen sein. In der Promotion League, die nach dem Herbstpensum wegen der Pandemie nicht wieder angepfiffen wurde, belegte Zürichs 2. Mannschaft mit 18 Punkten aus 17 Spielen den 13. Platz unter den 16 Mannschaften. Das letzte Pflichtspiel absolvierten die FCZ-Grünschnäbel am 23. November 2019.
FCB-Trainer Marcel Koller sagt, was er sagen muss: «Es ist selbstverständlich, dass wir dieses Spiel mit dem gleichen Respekt und derselben Seriosität angehen werden, wie wenn die 1. Mannschaft des FCZ käme.» Nicht dass es plötzlich heisst, Basel habe die Zürcher Junioren unterschätzt.
Wie es nach dem Spiel in Basel weitergeht, steht ebenfalls noch in den Sternen. Konkrete Aussagen gab es vom FCZ zum Heimspiel am Samstag gegen die Young Boys auch noch nicht. Ob Spieler mit einem negativen Testergebnis dann wieder zum Einsatz kommen können, ist noch unklar. «Ziel ist es, am Samstag mit der bestmöglichen Mannschaft zu spielen», erklärt Bickel. Vermutlich wird es gegen YB ein FCZ-Team bestehend aus Kader- und Nachwuchsspielern sein. (pre/sda)