Gerüchte gab es zwar seit Wochen viele. Aber als der FC Basel vor einer Woche die Rückholaktion von Xherdan Shaqiri (32) verkündete, überrumpelte er damit alle. Alle? «Sagen wir so: Die Überraschung hielt sich bei mir in Grenzen», sagt Alex Frei (45) im Gespräch mit CH Media und lächelt. Hat er beim Transfercoup etwa sogar im Hintergrund mitgemischt? Antwort Frei: «Es geht doch jetzt um meine Erfahrungen als Rückkehrer, oder?» Natürlich!
Also: 2009 erhalten der FC Basel und die Super League den bis dato letzten Neuzugang, der sich mit der Dimension des Shaqiri-Transfers vergleichen lässt. Alex Frei ist damals frisch gebackener Rekordtorschütze der Schweizer Nationalmannschaft, voll im Strumpf bei Borussia Dortmund.
«Ich hätte nach meiner Zeit beim BVB auch zu Galatasaray oder Monaco gehen können. Das kam für mich aber nicht in Frage. Als der FCB auf mich zukam, war die Sache klar. Ich träumte immer davon, die Karriere dort abzuschliessen, wo meine Freunde und Familie, inklusive Grosseltern, ins Stadion kommen können», so Frei, der mit dem Angebot vom FCB noch eine weitere Chance ergriff: Endlich Frieden schliessen mit dem unschönen Abgang elf Jahre zuvor. Im Sommer 1998 nämlich teilte ihm die damalige sportliche Führung mit, dass sie keinen Platz für ihn, den aufstrebenden Jungstürmer, habe.
Frei verdiente sich in der Folge in Thun, Luzern und Genf seine Sporen ab, ehe er in Rennes und Dortmund zum Torjäger von internationalem Format wurde. Aber eben: Von «seinem» FCB verschmäht worden zu sein, diese Wunde schmerzte jahrelang und schloss sich für Frei erst mit der Rückkehr.
Das Volk reagierte im Sommer 2009 genauso euphorisch auf den Frei-Coup wie heute bei Shaqiri. Das Heimspiel gegen Aarau, vor dem Frei den Fans präsentiert wird, ist ausverkauft. Die Trikots mit der Nummer 13 gehen im Nu über den Ladentisch. Und die Erwartungen steigen in schwindelerregende Höhen. Der FCB steht damals zwar sportlich besser da als heute. Aber amtierender Meister ist er im Sommer 2009 nicht, sondern ausgerechnet der Erzrivale der FC Zürich.
Frei sollte mit seinem Torinstinkt dafür sorgen, diesen – aus Basler Sicht – Missstand wieder geradezubiegen. Das gelang. Wobei, das ist eine glatte Untertreibung: Es folgten vier Meistertitel und zwei Cupsiege, zu denen Frei über 100 Tore beisteuerte. Er traf zudem 13 Mal in der Champions League und wurde zwei Mal Torschützenkönig. Mehr geht nicht!
Es scheint, als hätte sich Frei vom Druck nicht irritieren lassen – oder? «Druck, der mich hätte hemmen können, habe ich nie gespürt. Ich wurde in der Kabine vom ersten Tag an mit offenen Armen empfangen. Skepsis habe ich von den Mitspielern keine erfahren. Ich war eher ein Antrieb für die anderen, habe ihnen Druck weggenommen. In den Vorgesprächen haben mir Bernhard Heusler und Georg Heitz (damals Präsident und Sportchef; d. Red.) explizit nahegelegt, dass ich auch eine Art Mentor sein soll. Für einen Valentin Stocker und für Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri, die damals als Riesentalente kurz vor dem Sprung ins Profiteam standen.»
Zwei grosse Unterschiede zur Rückkehr von Shaqiri gab es: Der FCB war 2009 zwar nicht Meister, aber dennoch ein stabiles Spitzenteam mit genug Qualität für den Liga-Thron. Und Frei kam in eine funktionierende Gruppe, konnte sofort mit den anderen zwei Basler Granden im Team, Benjamin Huggel und Marco Streller, die Führung übernehmen.
Später stiessen dann Xhaka und Shaqiri ins Team, auch Yann Sommer, Valentin Stocker und Fabian Frei waren da. Ein bis heute beispielloses Teamgerüst, angereichert mit Lokalkolorit. So etwas findet Shaqiri heute nicht vor. Der FCB ist ein Durchlauferhitzer für ausländische Profis. Und die übrig gebliebenen Konstanten Fabian Frei und Taulant Xhaka sind nicht wie 2009 Huggel und Streller in der Blüte ihres Schaffens, sondern spielen sportlich nur noch Nebenrollen. Die ganze Last wird auf Shaqiri liegen.
Das hält Shaqiri nicht davon ab, schon beim Fan-Empfang Anfang Woche von der Rückkehr auf den «Barfi» zu reden. Also dorthin, wo der FCB seine Titel feiert. Letztmals 2019 den Cup, dem ersten und bis heute einzigen Titel seit dem Double 2017. Ist das clever? Frei meint: «Das ist seine Sache. Mir geht es wie den meisten FCB-Fans: Ich freue mich für den Klub, dass es gelungen ist, Shaqiri zurückzuholen. Er ist einfach ein geiler Kicker und eine absolute Identifikationsfigur.»
Die Euphorie seit Shaqiris Unterschrift unter einen Dreijahresvertrag vernebeln etwas die grossen Fragezeichen hinter Shaqiris Fitness- und Formstand. Gut möglich, dass es dauert, bis die Super League den besten Shaqiri zu sehen bekommt. Wenn überhaupt nochmals.
Frei ist überzeugt, dass sein ehemaliger Mitspieler sich der Erwartungshaltung bewusst ist. Und genug Anreiz und Stolz hat, dass aus der Rückkehr eine Erfolgsstory wird: «Das Schlimmste wäre, dass er zu früh zu viel Verantwortung übernehmen muss. Wenn er die Form dazu gar noch nicht hat. 80 Prozent Shaqiri sind toll, aber auf Dauer reicht das auch in der Super League nicht. Etwas Geduld wäre sicher angebracht.»
Der FC Basel, so Frei, sei viel mehr als ein Fussballklub: «Die ganze Region ist irgendwie verbandelt mit dem FCB, er ist auch wirtschaftlich ein grosser Faktor. Viele Menschen definieren ihr Wohlbefinden mit den Resultaten der 1. Mannschaft. Wenn ein Spieler vom Format eines Xherdan Shaqiri zurückkommt, muss er in der Lage sein, Leistung zu bringen und zu begeistern. Das Publikum in Basel merkt schnell, ob du bereit bist, das Herz auf dem Platz zu lassen und ob du es ernst meint.» (aargauerzeitung.ch)