Es ist ein heisser Tag im Juli 2023. In Yverdon bereitet sich das Schweizer Nationalteam auf die Weltmeisterschaft in Neuseeland und Australien vor. Iman Beney sitzt auf einem Stuhl und bittet darum, dass das Interview auf Französisch stattfindet. Danach erzählt sie etwas schüchtern von ihrem Vater, dem ehemaligen Fussballprofi Nicolas Beney und von ihrem Bruder Roméo, der beim FC Basel kickt. Und sie schwärmt, wie grossartig es sei, beim A-Nationalteam dabei sein zu dürfen. Sie sagt: «Ich habe eine gute Vorbereitung gemacht. Ich glaube, es ist möglich, dass ich mitdarf nach Neuseeland.»
Tatsächlich schafft die 16-Jährige einige Tage später nach einer tollen Leistung und einer schönen Torvorlage im Testspiel gegen Sambia sensationell den Sprung in das definitive WM-Aufgebot. Vor dem Abflug nach Neuseeland testet die Schweiz nochmals gegen Marokko. Im Abschlusstraining auf jenes Spiel passiert es: Iman Beney reisst sich das Kreuzband. Der Traum von der WM platzt für das 16-jährige Wunderkind aus dem Unterwallis auf der Zielgeraden.
Nun, über 15 Monate später, trägt Iman Beney endlich wieder die Kleider des Schweizer Nationalteams. Sie sitzt wieder auf einem Stuhl, um sie herum haben sich diesmal mehrere Medienschaffende in einem Halbkreis platziert. Das Interesse an der Rückkehrerin ist gross. Beney ist mittlerweile volljährig geworden, hat sich dank guter Leistungen bei den YB-Frauen wieder in das Nati-Aufgebot gespielt. Diesmal beantwortet Beney die Interviewfragen reifer. Sie spricht Hochdeutsch, antwortet mit der Klarheit eines Profis. Nur wenn ihr ein Wort auf Deutsch nicht einfällt, erinnert ihr verlegenes Lächeln an die schüchterne 16-Jährige von damals in Yverdon.
Natürlich dreht sich das Gespräch um jene Situation im Juli 2023, als sich Beney ihr Kreuzband riss und damit der Traum geplatzt ist, schon mit 16 Jahren an eine Weltmeisterschaft zu reisen. «Es war sehr, sehr schwierig. Vor allem in den ersten Tagen.» Als die Schweizerinnen in Neuseeland in den WM-Achtelfinal einziehen, schaut Beney vor dem Fernseher zu, über 18'000 Kilometer entfernt. Zwei Wochen nach der Verletzung wird sie operiert und begibt sich dann auf den langen Weg zurück.
In der Familie Beney kennt man sich mit Fussball aus, das hilft Iman Beney auch in dieser Phase. Vater Nicolas Beney hütete einst das Tor von Wil, Sion, Yverdon und Aarau. Tante Noémie Beney bestritt 45 Länderspiele für die A-Nati. Und Bruder Roméo versucht sich gerade beim FC Basel als Flügelspieler durchzusetzen.
Iman Beney erzählt, dass ihr Vater in jener Phase nach der Verletzung eine wichtige Rolle eingenommen habe. «In den ersten drei Monaten war ich im Wallis bei meinen Eltern. Mein Vater hat mir ein Heft gegeben. Darin musste ich jeden Tag aufschreiben, was ich in der Physiotherapie gemacht habe und was mir geholfen hat. Als ich dann zurück nach Bern zu YB ging, wusste ich genau, was mir hilft und was ich brauche.»
Seit Beginn dieser Saison steht Iman Beney nun wieder auf dem Platz für die YB-Frauen, hat dabei in Liga und Cup in zehn Spielen fünf Tore erzielt. Ganz zufrieden ist sie selber zwar noch nicht, aber sie befinde sich auf einem guten Weg: «Zu Beginn war ich ein wenig ängstlich, habe mich noch nicht so getraut. Das wurde aber in den letzten Spielen schon viel besser.»
Über das erneute Aufgebot ins Schweizer Nationalteam war sie selber ein wenig überrascht, sagt Beney. Im Nationalteam spielt sie nun zusammen mit Naomi Luyet. Die beiden 18-jährigen YB-Spielerinnen verbindet eine langjährige Freundschaft, schon beim FC Sion spielten sie zusammen. Während der Verletzung ihrer Freundin kickte sich Luyet in den Kreis des Nationalteams, jetzt sind die beiden Talente erstmals gemeinsam dabei. «Ich habe mich sehr gefreut. Es ist schon sehr speziell, mit ihr zusammen in der Nati zu sein», sagt Beney.
Am Freitag, beim 1:1 gegen Australien, stehen die beiden Talente aber nicht zusammen auf dem Platz. Beney kommt nach der Pause für Luyet – und fällt auf. Besonders in der 62. Minute, als sie gleich zwei Gegenspielerinnen nacheinander tunnelt. War dies der brasilianische Einfluss ihrer Mutter? Danach gefragt, lächelt Beney und sagt: «Nein, das war nicht geplant, sondern passierte einfach so im Spiel.»
Nach dem Spiel gibt es Lob von Pia Sundhage. «Ich bin sehr zufrieden, Iman hat eine grossartige Leistung gezeigt.» Gefragt nach der eher ungewohnten Rolle auf der Aussenbahn einer Fünfer-Abwehr, sagte Sundhage: «Iman kann überall spielen.» Auch Captain Lia Wälti schwärmt über das Wunderkind: «Ich habe enorm grosse Freude an ihr. Ich bin mir sicher, dass sie im Nationalteam eine tragende Rolle einnehmen wird.»
Für Beney war der Auftritt gegen Australien das zweite Länderspiel, nun geht es am Dienstag in Genf gegen Frankreich weiter. Für die 18-Jährige ist das auch die nächste Möglichkeit, sich aufzudrängen für die Heim-EM im nächsten Sommer.
Der Zeitpunkt für ihre Rückkehr stimmt: «Es ist ein gutes Timing, dass ich schon wieder im Nationalteam bin. Nun kann ich Schritt für Schritt nehmen, um dann im Sommer dabei zu sein.» Diesmal soll der Traum von einer Endrunde Wirklichkeit werden für Iman Beney. (riz/aargauerzeitung.ch)