Wann kommt die Welt-Liga? Das ist die Frage, die sich stellt, nun da die chinesischen Klubs mit Banknoten um sich werfen als wären sie Dagobert Duck in seinem Geldspeicher.
Im Februar wird Carlos Tevez 33 Jahre alt. Kein biblisches Alter für einen Fussballer. Aber es dürfte Einigkeit darüber herrschen, dass der Stürmer seine besten Jahre hinter und nicht mehr vor sich hat. Trotzdem wird der «Apache» nun vergoldet und zum bestverdiendenden Fussballprofi der Welt. 44 Millionen Franken im Jahr soll der Argentinier in China erhalten. Rund 12 Millionen soll Schanghai Shenhua als Ablöse an Tevez' bisherigen Arbeitgeber Boca Juniors überweisen.
Von Buenos Aires, einer Stadt, in der Fussball alles bedeutet, wechselt Carlos Tevez in das bevölkerungsreichste Land der Erde, wo Fussball in den Kinderschuhen steckt. Kann man es ihm verübeln? Wer ein derart unverschämtes Lohnangebot erhält, der nimmt es an. Punkt. Es bringt nichts, sich in der ersten Welt über das Gebaren der neureichen Chinesen zu entrüsten: Sie haben nun einmal das Geld und sie geben es mit vollen Händen aus. Sie kaufen Spieler für die eigenen Klubs, holen sich renommierte Trainer ins Land und übernehmen europäische Vereine. Damit müssen wir uns in Europa wohl oder übel arrangieren.
Staatspräsident Xi Jinping gilt als grosser Fussballfan und er hat das Ziel ausgegeben, die WM 2026 oder 2030 nach China zu holen – und dort mit einer schlagkräftigen Nationalmannschaft antreten zu können. Und weil die reichsten Chinesen um die Gunst ihres Präsidenten buhlen, stecken sie viel Kohle in den Fussball. Gute Spieler holen, parallel dazu den eigenen Nachwuchs ausbilden: Das ist der Plan. Ob er in ferner Zukunft aufgehen wird, steht in den Sternen.
Noch sind es mehrheitlich Spieler im Herbst ihrer Karriere, die nach China wechseln. So wie Profis ihre Laufbahn noch vor einigen Jahren für schönes Geld auf der arabischen Halbinsel ausklingen liessen. Doch mit dem 25-jährigen brasilianischen Nationalspieler Oscar wechselte erst kürzlich ein Star aus der englischen Premier League nach China. Bei Schanghai IPG kassiert er rund 25 Millionen Franken im Jahr. Weitere Akteure im besten Alter dürften ihm folgen, denn dem Lockruf von derart viel Geld ist schwierig zu widerstehen.
Der Star der nordamerikanischen Major League Soccer, die boomt und zu den zuschauerstärksten Ligen der Welt gehört, ist mit Sebastian Giovinco ebenfalls kein Altstar. Der Italiener ist 29 Jahre alt und wechselte voll im Saft nach Toronto.
Die alte Welt verliert, der Rest holt auf: Ist das die neue Wahrheit, auch im Fussball? Er ist, von wenigen Regionen abgesehen, der mit Abstand populärste Sport der Erde. Ist die Zeit schon bald reif für eine Welt-Liga? In der globalisierten Zeit, in der wir leben, scheint es nur logisch, wenn die Menschheit auch im Sport noch weiter zusammenrückt. Ähnlich wie bei Olympischen Spielen – mit dem Unterschied, dass Fussball im Gegensatz zu Fechten, Rudern oder Judo überall interessiert, nicht bloss in einzelnen Ländern.
Was könnte das für Samstage geben!
11.00 Schanghai Shenhua – Real Madrid
13.00 Barcelona – Orlando Pirates
15.00 Liverpool – Brisbane Roar
17.00 Borussia Dortmund – Fluminense
19.00 Juve – Guanghzou Evergrande
21.00 Al Ahly Kairo – Toronto FC
23.00 Chivas Guadalajara – Bayern
01.00 Los Angeles Galaxy – Milan
Eine Bundesliga ohne Bayern München, ohne Borussia Dortmund, dafür mit vielen anderen Klubs, die plötzlich wieder Meister werden können? Klingt spannend. Ist es aber nur im ersten Moment. Denn eigentlich will in Deutschland ja schon heute niemand Darmstadt – Ingolstadt oder Augsburg – Hoffenheim sehen. Die Hälfte der Fans will die Bayern siegen sehen, die andere hofft auf eine Niederlage. Der Rest der Liga ist bloss Beilage.
Die italienische Serie A ohne Juventus Turin, ohne die AC Milan und Inter Mailand? Interessiert ausserhalb des Landes niemanden mehr und in Italien selbst dürfte es genauso aussehen. In Spanien ist das selbe der Fall, denn ohne Real Madrid und den FC Barcelona kann man die Liga gleich einstampfen.
Vielleicht ist eine Welt-Liga mit den besten der besten Klubs des Planeten doch nicht das Gelbe vom Ei, zumal auch die Reise-Strapazen enorm wären. Grundsätzlich gäbe es bei so einer Liga nur wenige Gewinner und zu viele Verlierer.
Also kommt die Welt-Liga wohl eher als Ergänzung zu den nationalen Ligen in Frage. In Form von Mini-Turnieren? Vier Teams in einer Stadt, drei Spiele in sieben Tagen, jeder gegen jeden? Heute in Mumbai, drei Wochen später in Tokio, bald in Los Angeles, dann in London? Ein Event-Publikum wartet sicher sehnsüchtig darauf. Eines, das Manchester United und Manchester City für den gleichen Klub hält und im Stadion zum Smartphone greift, um sich zeitgleich ein Justin-Bieber-Konzert reinzuziehen.
Das Gute ist, dass man es als Fan nicht mitmachen muss, wenn einem diese Entwicklung nicht gefällt. «Grösser» muss nicht zwingend auch «besser» bedeuten. Eine Wurst in der Hand, gute Kollegen um sich und wenn möglich Sonnenschein: Darum geht es doch beim Fussball. Dazu braucht es keine teuren Stars. Das gibt es auch bei uns, egal ob in Bütschwil oder im Brügglifeld.
Natürlich wird man da keine Dribblings eines Lionel Messi sehen, nicht die Wucht eines Cristiano Ronaldo erleben können oder das Zusammenspiel von Superstars wie Paul Pogba und Zlatan Ibrahimovic. Aber wir essen ja auch nicht jeden Tag Chateaubriand, sondern gerne auch mal Fleischkäse.
Jammern und den Untergang schöner Traditionen zu beweinen, bringt angesichts des chinesischen Vorpreschens nichts. Denn es ändert nichts an der Situation. Besser ist es, stattdessen den grossen Ligen den Rücken zuzudrehen. Vermehrt Spiele kleinerer Klubs zu besuchen, anstatt im TV die Premier League zu schauen. Vor Ort live erleben, was Fussball so grossartig macht. Wenn irgendwann nur noch Selfies knipsende Touristen statt echte Fans kommen und die Stimmung im Stadion stirbt, setzt bei den Topklubs vielleicht irgendwann ein Umdenken ein. Grosse Hoffnungen darauf sollte man indes nicht haben.
Die Schere zwischen kleinen und grossen Klubs geht weiter und weiter auf. Es wird Platz für beide haben: Die Topstars werden immer interessieren und es wird auch genügend Fussballfans geben, die sich auf die Seite der Kleinen schlagen. Sollen die Chinesen ruhig klotzen.