Finnland ist bekannt als ein Land von Saunagängern, Speerwerfern und Autorennfahrern. Fussballer? Klar, mit Jari Litmanen gab es in den 1990er-Jahren einen Weltstar. Sami Hyypiä verteidigte beim FC Liverpool und Hannu Tihinen wurde beim FC Zürich als Abwehrchef zur Legende.
Aber zwei, drei gute Spieler reichen dann eben doch nicht ganz, um auf höchster Ebene zu glänzen. Finnland qualifizierte sich noch nie für eine Weltmeisterschaft, die einzigen nennenswerten Erfolge bildeten bis zur Qualifikation für die EM 2021 die Teilnahmen an den olympischen Fussballturnieren 1912 und 1936.
In der Qualifikation für die Euro 08 zeigt Finnland zwei Gesichter. Es gewinnt 3:1 in Polen und trotzt Portugal ein 1:1 ab, nur um danach in Armenien bloss ein 0:0 zu holen und um in Aserbaidschan 0:1 zu verlieren (okay, das schafften auch andere …).
In der 8. Runde kommt es zum Heimspiel gegen Belgien. Die Erwartungen im Land sind grösser als auch schon, das vom einstigen Schweizer Nationaltrainer Roy Hodgson gecoachte Finnland darf noch von der EM-Qualifikation träumen. Rund 35'000 Zuschauer kommen an diesem Mittwochabend ins damit beinahe ausverkaufte Olympiastadion in Helsinki. «Ich erinnere mich noch gut ans Spiel, weil ich das erste Mal in einem Pflichtspiel Captain war», erinnert sich Hannu Tihinen.
Die Partie steht 0:0, als nach etwa einer Viertelstunde ein tierischer Nebendarsteller den Akteuren die Show stiehlt. Ein Uhu hat sich auf dem Rasen niedergelassen und macht keine Anstalten, diesen wieder zu verlassen. Der englische Schiedsrichter Mike Riley unterbricht das Spiel. Und er kann es mehrere Minuten nicht fortsetzen: Der Uhu segelt durch den belgischen Strafraum, um auf der Torlatte zu thronen. «Er schien die Atmosphäre richtig zu geniessen», glaubt Tihinien.
Das Publikum johlt und klatscht. So angestachelt, denkt der majestätische Uhu nicht daran, die Bühne zu verlassen: Er segelt quer über den gesamten Platz, um das Erlebnis auch von der anderen Querlatte aus zu haben. Blöd nur, dass ihm die Vogelperspektive nichts nutzt: Denn Fussball wird nicht gespielt, solange er da oben hockt.
Schliesslich hat der Uhu genug gesehen – und vielleicht für eine Art nordisches Voodoo gesorgt. Nur wenige Minuten nachdem das Spiel wieder aufgenommen worden ist, geht Finnland in Führung. «Vielleicht hat uns dieser Glücksbringer die nötige Energie verliehen», sagt Tihinen mit einem Lächeln.
Die Finnen gewinnen gegen Belgien 2:0 und dürfen weiter von der Turnierteilnahme träumen. Am Ende reicht es nicht, weil von den folgenden sechs Qualifikationsspielen gleich vier 0:0 ausgehen. Eines ist jenes im letzten Spiel in Portugal, wo Finnland mit einem Sieg zur EM reisen würde. So qualifizieren sich nebst Cristiano Ronaldos Team die Polen. Finnlands Nationalteam erhält dafür einen neuen Spitznamen: Huuhkajat, das finnische Wort für Uhu.
Das berühmte Tier wird von Fans und Medien «Bubi» getauft und erhält Ende 2007 eine besondere Ehre. Ein Journalistenverband wählt den Uhu zu Helsinkis «Einwohner des Jahres». Der Verbandspräsident sprach von einer einstimmigen Entscheidung: «Bubi hat den finnischen Fussball viel effizienter gefördert als all die torlosen Unentschieden unserer Mannschaft.»