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ESAF 2022: Joel Wicki – weil er der komplettere Schwinger ist

Joel Wicki, rechts, und Matthias Aeschbacher, links, nach dem Schlussgang am Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) in Pratteln, am Sonntag, 28. August 2022. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Matthias Aeschbacher liegt am Boden – Joel Wicki ist der neue Schwingerkönig.Bild: keystone
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Joel Wicki – weil er der komplettere Schwinger ist

So nahe am Thron wie Matthias Aeschbacher war noch keiner – aber am Ende triumphiert Joel Wicki. Die Innerschweizer haben ihren zweiten König nach Harry Knüsel, 36 Jahre mussten sie auf diesen Moment warten.
28.08.2022, 18:20
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Wucht, Mut und Kraft gegen Beweglichkeit, Ausdauer und Zähigkeit: Der Innerschweizer Joel Wicki wankt und biegt sich unter den Angriffen des Berners Matthias Aeschbacher. Aber er bricht nicht.

Dreimal befindet er sich bereits im Sturzflug ins Sägemehl. Dreimal windet er sich noch in letzter Sekunde aus dem eisernen Griff seines Gegners. Er wird hinterher sagen, die Batterien seien leer gewesen. Der Körper habe nicht mehr mitmachen wollen. Aber der Kopf habe nicht aufgegeben. Ein Sieg es Willens.

Jeder parierte Angriff bringt Joel Wicki dem grossen Triumph ein bisschen näher. Weil die Kräfte und die Zuversicht beim Angreifer nach jedem gescheiterten Versuch ein bisschen nachlassen. So wird das Resultat, je länger es dauert, desto logischer. Mit dem ersten Angriff, mit dem er durchdringt, holt er den Sieg.

Joel Wicki, unten, gegen Matthias Aeschbacher, oben, im Schlussgang des Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfestes ESAF in Pratteln, am Sonntag, 28. August 2022. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Auch aus dieser brenzligen Situation kann sich Wicki noch befreien.Bild: keystone

Wenn es schwingerisch einen Unterschied zwischen diesen Titanen gibt: Joel Wicki ist der vielseitigere der beiden. Weil er defensiv besser und damit eben kompletter ist. Das macht es ihm möglich, aus der Defensive heraus schliesslich zu siegen.

Matthias Aeschbacher ist der dynamischere, wuchtigere Angriffsschwinger und er war in seiner Karriere noch nie so dominant, so gut wie in diesem Schlussgang. Wenn er hinterher sagt, eigentlich sei er bis zur Entscheidung besser gewesen, so hat er recht. Dass ihm Joel Wicki widerstanden und ihn schliesslich ausgekontert hat – ein wahrer König. Das anerkennt Matthias Aeschbacher vorbehaltlos und sagt eben auch, dass das, was vor der Entscheidung war, nun niemandem mehr interessiert.

Hat Matthias Aeschbacher einen Fehler gemacht? Nein. Er ist acht Zentimeter grösser und gut zehn Kilo schwerer. Er hat nur im «Vorwärtsgang» eine Chance. Dass ihm der Gegner widersteht, mehrmals ganz knapp nur, ist die Dramatik dieses Schlussganges. Dass er auf den defensiv stärksten Spitzenschwinger trifft, ist sein Pech. Oder das Glück des Publikums: Nur so wird dieses Schlussgangdrama möglich. Die wuchtigsten Angriffe gegen die beste Defensive.

Joel Wicki, unten, und Matthias Aeschbacher, oben, nach dem Schlussgang am Eidgenoessischen Schwing- und Aelplerfest (ESAF) in Pratteln, am Sonntag, 28. August 2022. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Beinahe hatte Aeschbacher Wicki auf dem Rücken.Bild: keystone

Wir können es auch so sagen: Matthias Aeschbacher hat diesen Schlussgang nicht verloren. Er hat ihn einfach nach dem besten Kampf seiner Karriere nicht gewonnen.

Bisher galt der Schlussgang von 1989 zwischen dem himmelhohen Favoriten Geni Hasler und dem Aussenseiter Adrian Käser als der beste der Geschichte. Und bleibt der Schlussgang mit dem überraschendsten Sieger. Aber schwingtechnisch ist der Kampf zwischen Matthias Aeschbacher und Joel Wicki noch besser, intensiver und letztlich dramatischer.

Joel Wicki ist nun Erstgekrönter (2019 nach der Schlussgangniederlage gegen Christian Stucki) und jetzt auch König. Ein grosser König. Ein würdiger Nachfolger von Christian Stucki!

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2022 in Pratteln: Joel Wicki.
quelle: keystone / peter schneider
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Joel Wicki hat es geschafft! Drei Jahre nach seiner Schlussgang-Niederlage gegen Christian Stucki krönt er sich in Pratteln zum neuer Schwingerkönig. Gegen Matthias Aeschbacher sah er lange wie der sichere Verlierer aus, doch der Innerschweizer konnte drei Minuten vor Schluss entscheidend zurückschlagen.
quelle: keystone / urs flueeler
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Laien erklären Schwingen
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13 Kommentare
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Liebu
28.08.2022 18:31registriert Oktober 2020
Wie richtig gesagt, ein würdiger Sieger, der Aeschbacher an diesem ESAF sogar 2x bezwang.
Herzliche Gratulation an Wicki und in die Innerschweizer zum neuen König.
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sweeneytodd
28.08.2022 18:47registriert September 2018
Wer so oft beinahe mit beiden Schultern im Sägemehl lag und sich immer wieder beinahe mirakulös befreite ist ein würdiger König. Wicki vereinte alles was es brsuchte um zu siegen und das eichtigste war die Psyche, wie er auch selber im Interview sagte, dieser unbändige Wille jetzt zu gewinnen.
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