Wucht, Mut und Kraft gegen Beweglichkeit, Ausdauer und Zähigkeit: Der Innerschweizer Joel Wicki wankt und biegt sich unter den Angriffen des Berners Matthias Aeschbacher. Aber er bricht nicht.
Dreimal befindet er sich bereits im Sturzflug ins Sägemehl. Dreimal windet er sich noch in letzter Sekunde aus dem eisernen Griff seines Gegners. Er wird hinterher sagen, die Batterien seien leer gewesen. Der Körper habe nicht mehr mitmachen wollen. Aber der Kopf habe nicht aufgegeben. Ein Sieg es Willens.
Jeder parierte Angriff bringt Joel Wicki dem grossen Triumph ein bisschen näher. Weil die Kräfte und die Zuversicht beim Angreifer nach jedem gescheiterten Versuch ein bisschen nachlassen. So wird das Resultat, je länger es dauert, desto logischer. Mit dem ersten Angriff, mit dem er durchdringt, holt er den Sieg.
Wenn es schwingerisch einen Unterschied zwischen diesen Titanen gibt: Joel Wicki ist der vielseitigere der beiden. Weil er defensiv besser und damit eben kompletter ist. Das macht es ihm möglich, aus der Defensive heraus schliesslich zu siegen.
Matthias Aeschbacher ist der dynamischere, wuchtigere Angriffsschwinger und er war in seiner Karriere noch nie so dominant, so gut wie in diesem Schlussgang. Wenn er hinterher sagt, eigentlich sei er bis zur Entscheidung besser gewesen, so hat er recht. Dass ihm Joel Wicki widerstanden und ihn schliesslich ausgekontert hat – ein wahrer König. Das anerkennt Matthias Aeschbacher vorbehaltlos und sagt eben auch, dass das, was vor der Entscheidung war, nun niemandem mehr interessiert.
Hat Matthias Aeschbacher einen Fehler gemacht? Nein. Er ist acht Zentimeter grösser und gut zehn Kilo schwerer. Er hat nur im «Vorwärtsgang» eine Chance. Dass ihm der Gegner widersteht, mehrmals ganz knapp nur, ist die Dramatik dieses Schlussganges. Dass er auf den defensiv stärksten Spitzenschwinger trifft, ist sein Pech. Oder das Glück des Publikums: Nur so wird dieses Schlussgangdrama möglich. Die wuchtigsten Angriffe gegen die beste Defensive.
Wir können es auch so sagen: Matthias Aeschbacher hat diesen Schlussgang nicht verloren. Er hat ihn einfach nach dem besten Kampf seiner Karriere nicht gewonnen.
Bisher galt der Schlussgang von 1989 zwischen dem himmelhohen Favoriten Geni Hasler und dem Aussenseiter Adrian Käser als der beste der Geschichte. Und bleibt der Schlussgang mit dem überraschendsten Sieger. Aber schwingtechnisch ist der Kampf zwischen Matthias Aeschbacher und Joel Wicki noch besser, intensiver und letztlich dramatischer.
Joel Wicki ist nun Erstgekrönter (2019 nach der Schlussgangniederlage gegen Christian Stucki) und jetzt auch König. Ein grosser König. Ein würdiger Nachfolger von Christian Stucki!
Herzliche Gratulation an Wicki und in die Innerschweizer zum neuen König.