Man kann gut nachfühlen, dass es Loïc Meillard eigentlich nicht mehr hören kann, dass er in den Trainings der Stärkste war. Schon so oft hat er dies gehört – und in den Rennen waren dann andere schneller. Und doch passiert es wieder: Auch vor dieser Saison wird der 25-Jährige in den allerhöchsten Tönen gelobt, wird erklärt, dass er in der Vorbereitung der Schnellste war. Und somit der Athlet, dem fast alles zuzutrauen sei.
«Wer sagt das?», fragt Meillard, obwohl er die Antwort bereits kennt: Alle, die es wissen müssen. Marco Odermatt zum Beispiel, der Gesamtweltcup-Gewinner der Vorsaison. Auf Löic müsse man achten, sagt er. Meillard wird seit Jahren mit Komplimenten überhäuft. Marcel Hirscher, der den Gesamtweltcup achtmal in Serie gewann, nannte ihn als einen seiner möglichen Nachfolger.
Doch jetzt – einige Jahre nach dieser Adelung – weist Meillard zwar zehn Podestplätze im Weltcup auf und hat WM-Bronze in der Kombi und in Parallelrennen gewonnen. Doch das ist weit von den Prophezeiungen entfernt. Auch wenn Meillard selbst sagt: «Es gibt sehr viele Athleten, die glücklich wären, nur schon das zu erreichen, was ich bereits erreicht habe.»
Natürlich ist diese Aussage nicht falsch. Und doch merkt man gelegentlich, dass Meillard die Vergleiche insbesondere mit Odermatt nerven, wenn er Sätze sagt wie: «Vielleicht werde ich nie erreichen, was er erreicht hat, vielleicht schon.» Und man kann es ihm wirklich nicht verübeln. Helmut Krug, bis zum Ende der vergangenen Saison Trainer von Odermatt und Meillard, sagt:
Selbst die Trainer stufen den Romand also eigentlich höher ein als den Überflieger aus Nidwalden. Doch die Rennen gewinnt Odermatt. Warum das so ist, erklären diverse Teamkollegen bei Swiss-Ski ähnlich. Odermatt sei eben ein Rennhund, heisst es dann beispielsweise.
Meillard sagt, auf all dies angesprochen: «Es stimmt, technisch bin ich vielleicht besser – stabiler. Aber am Ende hat noch keiner im Skischule-Style ein Rennen gewonnen.» Meillard ist sich den Defiziten bewusst, sagt aber auch, dass er das nicht einfach ändern könne: «Marco hat diese wilde Seite, die ich nicht habe. Das bin einfach nicht ich als Typ und das kann ich nicht ändern. Aber ich kann meinen eigenen Weg finden.»
Meillard hat auf diese Saison hin von der Gruppe der Riesenslalomfahrer um Helmut Krug ins Team der Slalomspezialisten gewechselt. Um seine andere starke Disziplin – nur Meillard fuhr in der Riesenslalomgruppe auch noch Slalom– nicht zu vernachlässigen. Und doch wird man den Verdacht nicht los, dass es auch eine Art Flucht vor Odermatt war.
Zwar betonen alle Beteiligten, dass dem nicht so war. So sagt Helmut Krug: «Natürlich war da Neid vorhanden. Aber das ist logisch. Jeder will den anderen schlagen. Trotzdem verstanden sich alle gut.» Und Meillard sagt: «Ich schätze es nach wie vor, wie jetzt mit der Riesenslalomgruppe vor Sölden zu trainieren. Es ist wie eine Familie.»
Aber eine, die er verlassen hat. Meillard sagt: «Das tat weh.» Musste er am Ende sogar wechseln? Krug sagt: «Einen so guten Athleten wie Meillard gibt man nicht gerne her.» Aber am Ende zähle der Erfolg. (aargauerzeitung.ch)