Die Ambitionen der ZSC-Lions-Frauen sind gross. Die Zürcherinnen wollen in diesem Jahr den Titel in der PostFinance Women's League, der höchsten Eishockeyliga im Schweizer Frauen-Eishockey, verteidigen. Die Zürcherinnen sind auf gutem Weg, sie schlossen die Regular Season auf Platz zwei ab, vier Punkte hinter dem SC Bern – auch dank der 22 Tore und 26 Assists der ZSC-Top Scorer Sinja Leemann.
Dass es für sie persönlich so gut laufen würde, hatte die Rapperswilerin vor der Saison nicht unbedingt erwartet. Umso mehr freut sich die 22-Jährige, dass sie ihr Team auf der Mission Titelverteidigung so tatkräftig unterstützen kann. Trotz ihres jungen Alters spielt Leemann mit dem ZSC bereits ihre dritte Saison in der höchsten Liga. Im Team, das mit 23 Jahren im Durchschnitt vier Jahre jünger ist als das Männerteam der Lions, gehört sie zu den Leistungsträgerinnen.
Leemanns Weg bis ganz nach oben führte – wie bei vielen Eishockeyspielerinnen – über eine Juniorenmannschaft. Der Grund, weshalb Mädchen in jungen Jahren oftmals bei den Jungs mitspielen, ist naheliegend: Die Juniorenmannschaften sind in den meisten Fällen leistungsorientierter und verfügen über die besseren Rahmenbedingungen als die Juniorinnen – und bis zu einem gewissen Alter haben die Mädchen schlicht gar keine andere Möglichkeit, als bei den Jungs mitzuspielen.
Dass sie in diesen Teams meistens das einzige Mädchen war, sei nicht immer einfach gewesen, erzählt Leemann. Trotzdem habe sie von den Strukturen und ihren Mitspielern profitieren können: «Ich wurde in der Juniorenmannschaft extrem gefördert. Die Jungs dort wollten Profis werden und wurden auf ihrem Weg auch entsprechend gefördert. Das hat mir natürlich auch geholfen».
Anders als bei den Männern sind die Checks bei den Frauen nicht erlaubt. Leemann sieht in diesem Umstand sowohl Vor- als auch Nachteile: «Ich werde oft nach den Checks gefragt und ich finde es eine schwierige Frage. Schlussendlich ist es nur eine Gewöhnungssache, bei den Jungs war es einfach normal für mich», meint die 22-Jährige. «Bei den Frauen ist man weniger aufmerksam, weil man denkt: Sie fährt nicht in mich hinein, weil sie ja nicht darf. Ich glaube, es würde das Spiel schneller machen, weil man schneller abspielen muss, da sonst ein Check kommt. Aber es hat beides gute Aspekte».
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Und nun zurück zur Story...
Ihre ersten Schritte auf dem Eis machte Leemann als Eiskunstläuferin. Ein Jahr lang besuchte sie Trainings, bis ihr bewusst wurde, dass ihr diese Unterlage zwar behagt, sie sich aber in einem Teamsport wie dem Eishockey besser aufgehoben fühlt. «In Sachen Schlittschuhtechnik gab mir das Eiskunstlaufen – neben sehr guten Trainern – ein gutes Fundament – es ist vermutlich auch der Grund, weshalb meine Stärken auch heute im läuferischen Bereich liegen», erklärt Leemann.
Doch auch wenn Leemann heute zu den besten Eishockeyspielerinnen der Schweiz zählt, leben kann sie von ihrer Passion nicht. Nach der Schule hat die Zürcherin eine KV-Lehre bei den Rapperswil-Jona Lakers absolviert. Beim gleichen Verein zu arbeiten, bei dem sie damals auch spielte, erwies sich als Glücksfall: «Ich konnte fehlen, wenn es für das Hockey nötig war», sagt Leemann, die heute, nach der einjährigen Berufsmatur, wieder für den Verein tätig ist – andere Arbeitgeber bringen weniger Verständnis für die Doppelbelastung der Spielerinnen auf.
An drei bis vier Tagen pro Woche trainiert Leemann mit den ZSC Lions, am Wochenende stehen während der Saison jeweils zwei Spiele auf dem Programm. Bei einem Arbeitspensum von 100 Prozent kann dies zuweilen auch belastend sein. «Es ist natürlich anstrengend, aber es ist meine Leidenschaft und ich habe mich daran gewöhnt», sagt die PostFinance Top Scorer angesichts des Aufwands, der ihr Leben als Sportlerin mit sich bringt, und fügt an: «Aber wenn man mal in eine sportliche Krise fällt, kann es schon belastend werden».
Das Frauenhockey in der Schweiz steckt zwar nach wie vor in den Kinderschuhen, laut Leemann hat sich aber bereits viel getan. «Die Entwicklung des Fraueneishockeys in der Schweiz geht voran. Ich hoffe, dass es nicht einfach ein momentaner Hype ist, sondern dass es so weitergeht», sagt sie. Positiv bewertet Leemann die Tatsache, dass Frauenteams immer häufiger als Gesamtpaket mit den jeweiligen Männerteams auftreten.
Als gutes Beispiel geht der EV Zug voran. Bei den Zentralschweizern werden die Spielerinnen in einem 40-Prozent-Pensum angestellt, sodass sie mehr Zeit in den Sport investieren können. So kann das Team auch von besseren Trainingszeiten profitieren. Das Team in Zug wurde erst auf diese Saison hin neu gegründet, die Vorgänger-Equipe wurde aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten aufgelöst. Bei den Lions hat das Frauenhockey hingegen eine lange Tradition. Seit 1982 spielen in Zürich auch Frauen und Mädchen Eishockey – heute sind es deren 190.
Der Ansatz des EV Zug, der einige der besten Schweizer Spielerinnen für das Projekt gewinnen konnte, scheint sich auszuzahlen: Momentan spielt das neu gegründete Team in der zweithöchsten Liga und führt diese mit einem Wahnsinns-Torverhältnis von 317:7 an. Gut möglich also, dass es die ZSC-Frauen im nächsten Jahr mit den Zugerinnen zu tun bekommen werden. «Wir freuen uns auf den EVZ, es hilft der Liga, wenn eine so talentierte Mannschaft kommt, die uns fordert. Die Spiele werden spannender und vielleicht kommen dadurch auch mehr Zuschauende», meint Leemann zu den potenziellen neuen Gegnerinnen.
Sinja Leemann hat in ihrer jungen Karriere noch einige Ziele vor Augen: «Zuerst möchte ich mit meinem Team natürlich die Meisterschaft gewinnen. Im April kommt dann schon die WM. Am meisten freue ich mich aber auf die Olympischen Spiele 2026. In Italien, so nahe vor unserer Haustüre, würden wir natürlich gerne eine Medaille gewinnen».
Leemann wäre auch für ein Engagement im Ausland offen. «Momentan passt es mit dem ZSC gut, aber wer weiss», sagt die 22-Jährige. «Die schwedische Liga wäre natürlich schon spannend, oder natürlich auch die National Women's Hockey League in den USA». In das US-amerikanischen Pendant zur NHL, wo die Spielerinnen vom Sport leben können, schaffen es aber «nur die Besten der Besten», meint Leemann.