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Olympia 2024: Sind die Schweizer Anti-Doping-Behörden zu streng?

Alex Wilson from Switzerlan in action during the men's 200 meters qualification round at the IAAF World Athletics Championships, at the Khalifa International Stadium, in Doha, Qatar, Sunday, Sept ...
Der Schweizer Sprinter Alex Wilson wurde für vier Jahre gesperrt.Bild: KEYSTONE

Die USA und China lassen Stars laufen: Sind die Schweizer Anti-Doping-Behörden zu streng?

Irritierende Urteile und ungewöhnliche Handlungen von Anti-Doping-Institutionen in anderen Ländern lassen die Frage aufkommen, ob Schweizer Sportler unfair behandelt werden. Mountainbiker Mathias Flückiger hat dieses Gefühl, und selbst der verurteilte Sprinter Alex Wilson sieht sich noch immer als unschuldiges Opfer.
30.07.2024, 13:1830.07.2024, 13:58
Rainer Sommerhalder, Paris
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Es war der Aufreger vor den Olympischen Spielen in Tokio 2021. Stunden vor der geplanten Abreise setzte der Internationale Sportgerichtshof (CAS) die zuvor von der Schweizer Disziplinarkammer (DK) aufgehobene provisorische Sperre gegen Sprinter Alex Wilson wieder in Kraft. Ein unangekündigter Test hatte in Wilsons Urin Spuren des verbotenen Anabolikums Trenbolon zutage gebracht. Der Athlet erklärte, die Ursache sei eine Kontamination beim Verzehr von Fleisch in Las Vegas gewesen. Letztlich überzeugte er damit weder Swiss Sport Integrity noch das CAS.

Monate später wurde Wilson von der DK definitiv für vier Jahre gesperrt. Seither hat sich der Basler mit Wurzeln in Jamaika nicht mehr verlauten lassen – bis kurz vor den Olympischen Spielen in Paris. Am Abend, als in den USA ein Doping-Freispruch gegen Supersprinter Erriyon Knighton publik wird, meldet sich Wilson. Nun fühle er sich von den Schweizer Anti-Doping-Behörden erst recht unfair behandelt, sagt der 33-Jährige, der trotz erhaltener Höchststrafe noch immer auf unschuldig plädiert. An ihm habe man ein Exempel statuiert, während die US-Dopingjäger ihre Olympia-Medaillenhoffnungen freisprechen würden.

FILE - Erriyon Knighton, of the United States, wins a heat during the men's 200-meter semifinal run at the World Athletics Championships on Tuesday, July 19, 2022, in Eugene, Ore. Sprinter Erriyo ...
Erriyon Knighton darf in Paris starten.Bild: keystone

Alex Wilson beklagt unterschiedliche Standards

Die US-Anti-Doping-Agentur (USADA) will dieses Urteil akzeptieren, obwohl sie im Schnellverfahren doch eigentlich eine vierjährige Sperre forderte. Am Rande der Sommerspiele liess ein Entscheidungsträger der Welt-Anti-Doping-Behörde (WADA) gegenüber CH Media verlauten, mit grosser Sicherheit beim CAS gegen den Freispruch in Berufung zu gehen. Ob Zufall oder Absicht: Weil bis zum Start der Spiele keine Urteilsbegründung vorlag, darf Knighton in Paris starten.

Es ist nicht das erste Beispiel in jüngster Zeit, bei dem die US-Dopingbehörden den Argumenten eines Athleten Glaube schenkten. Speziell im Knighton-Fall ist auch, dass die USADA auf eigene Faust Fleischproben beim Lieferanten organisierte und darin tatsächlich Spuren des in der Viehmast eingesetzten Trenbolons fand. Alex Wilson interpretiert dieses Vorgehen so, dass man in den USA dem Athleten helfe, während man in der Schweiz nur gegen den Sportler arbeite.

Wird also bei Dopingvergehen mit ungleichen Ellen gemessen? Geht die Schweiz zu streng mit Sportlern um? Ernst König, Direktor von Swiss Sport Integrity (SSI) und in dieser Funktion oberster Dopingfahnder im Land, verneint dies klar. Er betont, dass man in der Schweiz im Ablauf eines Dopingverfahrens keinen Unterschied zwischen einem namenlosen Athleten und einem Aushängeschild einer Sportart mache.

Zweites Verfahren gegen Wilson vor Schweizer Sportgericht

König bezweifelt, dass dieses Vorgehen in den USA für den Athleten eine Hilfe ist. «Was ist, wenn wir auf keine entlastenden Fakten stossen. Dann wirft man uns mit Garantie vor, wir hätten gegen den Sportler gearbeitet.» Die Dopingregeln sehen klar vor, dass der Beschuldigte seine Unschuld beweisen muss. Diesen Grundsatz betont auch die WADA.

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Wilson sieht sich zu Unrecht verurteilt.Bild: fxp-fr-sda-rtp

In gewissen Fällen unterstützt aber auch SSI unter Verdacht stehende Sportler. In Fällen von möglicher Verunreinigung von Nahrungsergänzungsmitteln werden allfällige Proben in Zusammenarbeit mit dem Athleten in einem dafür spezialisierten Labor auf mögliche Rückstände von verbotenen Substanzen untersucht. «Damit ist sichergestellt, dass diese Abklärungen nach einem anerkannten Qualitätsstandard durchgeführt und damit auch juristisch verwertbar sind», sagt König.

Gegen Alex Wilson übrigens läuft aktuell noch ein zweites Verfahren im Zusammenhang mit einem Fall eines Dopinglieferanten in den USA. Der angebliche Naturheilarzt Eric Lira soll auch Wilson mit illegalen Substanzen versorgt haben. Lira hat sich für schuldig erklärt und offensichtlich verfügen die Ankläger über Beweise, welche Wilson stark belasten. Der Fall liegt seit neustem beim Schweizer Sportgericht zur Beurteilung. Eine maximal achtjährige Sperre ist möglich.

Hätten die Chinesen Flückiger auch gesperrt?

In einem anderen Dopingverfahren wurde Swiss Sport Integrity aus verschiedenen Kreisen für ihr Vorgehen kritisiert. Die provisorische Sperre gegen Mountainbiker Mathias Flückiger im Spätsommer 2022 sei nicht angemessen gewesen. Sie wurde später von der DK aufgehoben. Inzwischen ist Flückiger von der ersten Instanz gänzlich freigesprochen worden und gehörte in Paris zu den Medaillenanwärtern. Allerdings ist dieses Urteil noch nicht rechtskräftig.

In diesem Frühling wurde bekannt, dass vor drei Jahren in China bei 23 Schwimmerinnen und Schwimmern gleichzeitig eine verbotene Substanz gefunden wurde. Die chinesischen Behörden kamen zum Schluss, dass es sich um Kontamination handelte, und sprachen alle von ihnen frei – mit dem Segen der WADA. Bemerkenswert an diesem Fall ist, dass auch während der Abklärungen nie eine provisorische Suspendierung stattgefunden hatte.

Hätte man Flückiger also gar nie provisorisch suspendieren dürfen? Ernst König sagt mit Blick auf China: «In den allermeisten westlichen Ländern sind die Anti-Doping-Agenturen der klaren Meinung, dass die chinesischen Schwimmer bis zum Abschluss des Verfahrens hätten gesperrt werden müssen. Nicht, weil man sie frühzeitig als Doper abstempelt, sondern weil es die Regeln so vorsehen.» Dieser Grundsatz sei auch bei Flückiger angewandt worden.

Auch bei der WADA sieht man den unterschiedlichen Umgang mit Dopingverfahren nicht ohne Sorgenfalten. Es habe in jüngster Zeit einige kuriose Entscheidungen auf nationaler Ebene gegeben, sagt der WADA-Experte. Darunter sieht er auch den Freispruch der Handball-Bundesliga für den Schweizer Nationaltorhüter Nikola Portner.

Die deutsche Anti-Doping-Agentur zieht diesen Fall nun vors CAS. Nicht primär deshalb, weil man in Portner mit Garantie einen Doper sieht, sondern weil man die Begründung für den Freispruch nicht in Einklang mit den bestehenden und damit eigentlich zwingend anwendbaren Regeln sieht. Ernst König will diesen Fall nicht kommentieren. Nur so viel: «Ich bin froh darüber, dass wir in der Schweiz nicht mehr die Situation haben, in welcher die Sportverbände Dopingverfahren selbst beurteilen.»

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29 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DerRealist
30.07.2024 13:34registriert September 2022
Dopingverfahren müssten eigentlich immer neutral und unabhängig beurteilt werden. Wenn da nationale Interessen mit im Spiel sind, kann da eigentlich nichts gescheites rauskommen.
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Jonas (1) (2)
30.07.2024 13:31registriert April 2024
Wilson wird völlig richtig behandelt. Die Frage ist eher, ob die anderen Länder genügend durchgreifen.
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code-e
30.07.2024 13:48registriert November 2018
Ich würde her sagen, die anderen sind zu lasch. Es bräuchte eine einheitliche Linie und nicht so à la Gutdünken wie es aktuell bei gewissen Ländern der Fall ist
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