Aus Zügen, die aus allen Himmelsrichtungen nach Uster gesteuert sind, steigen die Trauergäste aus und bewegen sich in Richtung der Kirche. Die meisten sind in dunklen Tönen gekleidet. Manche aber haben sich für eine hellere, freundlichere Farbauswahl entschieden. Man darf annehmen, dass das Muriel Furrer und ihrem heiteren Gemüt nur allzu gut gefallen hätte.
Tragische Umstände haben aus der 18-Jährigen am 27. September dieses Jahres eine Person des öffentlichen Interesses werden lassen. An diesem Tag starb Furrer an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas. Tags zuvor war die Zürcherin an einem Juniorinnenrennen der Rad-WM in einem Waldstück oberhalb Küsnacht schwer gestürzt.
Etwas mehr als ein Jahr nach dem tödlichen Unfall von Gino Mäder an der Tour de Suisse befeuerte Furrers Tod von neuem die Debatten über Sicherheit und Gefahren ihres Sports. Noch immer sind der genaue Unfallhergang und strafrechtlich relevante Verantwortlichkeiten Gegenstand von Ermittlungen. Vor allem aber förderte die Tragödie die Anteilnahme und das Gedenken, weit über die Radsportszene hinaus, im In- wie auch im nahen Ausland.
Darum geht es auch an diesem Freitag, als unweit der Gemeinde Egg, dem Wohnort der Familie Furrer, die Trauerfeier stattfindet: Anteil nehmen. Und Abschied nehmen von einem Menschen, der viel zu früh aus dem Leben geschieden ist.
Das Interesse ist derart beträchtlich, dass der Gottesdienst nicht in Egg durchgeführt wird, sondern ins nahe Uster verlegt werden muss. Neben der Familie, den engsten Freundinnen und Freunden sind Klassenkameraden und Vertreter von Swiss Cycling zugegen. Auch der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr, der eine Rede hält, und Sandra Mäder – die Mutter des verstorbenen Gino Mäder – haben den Weg auf sich genommen. Zudem hat sich in der Kirche ein Teil der Eggemer Bevölkerung eingefunden und nimmt auf den Balkonen Platz. Ihr Blick richtet sich auf den Altar, der umsäumt ist von Blumenbouquets und Bildern der Verstorbenen. Ein Mountainbike und ein Rennvelo erinnern an das Wirken Furrers.
In Form von Briefen, vorgelesen von verschiedenen Rednerinnen und Rednern, kommen Mutter Christine, Vater Reto sowie die Geschwister Michelle und Eric zu Wort. Gezeichnet wird das Bild einer Person, die sich mit Freude und Demut ihren Tätigkeiten widmete. Es wird erinnert an gemeinsame Reisen quer durch Europa, Andorra, Verona, Südtirol, an Spass und Heiterkeit, wo auch immer die Radrennen sie hinführten. Nicht vergessen geht dabei, dass Muriel Furrer auch ein kritischer Geist innewohnte. Sie war eine, die sich mit den Schattenseiten ihres Sports wie Mobbing und Körperkult auseinandersetzte.
Mehrfach wird auch ihr tiefe Glaube zum Thema, die Kraft, die sie aus Gott schöpfte, die christlichen Zitate, die ihr Rennvelo zierten. Und auch ihr Unverständnis darüber kommt zum Ausdruck, dass es ihr im Profisport untersagt gewesen wäre, sich neben politischen Belangen zu Religion zu äussern.
Was hätte Furrer noch alles erreichen können? Wäre aus ihr eine Pfarrerin, eine Olympionikin oder eine Sportwissenschafterin geworden? Auch derlei Fragen wird ihr Platz eingeräumt, ohne dass freilich eine Antwort darauf hätte gegeben werden können. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass auch ein Leben mit vielen unerfüllten Träumen wie dasjenige von Furrer ein erfülltes sein kann. Es ist einer der versöhnlichsten Gedanken, den die Trauer um diesen schmerzhaften Verlust hinterlässt. (aargauerzeitung.ch)