Bei den Australian Open sind der Kanadier Brayden Schnur (ATP 237) und der Brite Liam Broady (103) längst nicht mehr dabei, ausgeschieden in der Qualifikation. Doch die beiden wollen nicht hinnehmen, was Realität ist: dass die Tennis-Welt eine Zweiklassengesellschaft ist. Denn längst ist unbestritten, dass die Bedingungen, bei denen Spiele der Australian-Open-Qualifikation stattfanden, irregulär waren, ja sogar gefährlich für die Gesundheit.
Die Buschbrände in Australien hatten einen giftigen Rauchteppich über Melbourne gelegt. Die Stadt wies Bewohner an, Fenster und Türen zu schliessen, und möglichst wenig Zeit im Freien zu verbringen. In keiner Stadt der Welt war die Schadstoffbelastung an diesem Tag höher als in Melbourne. Der massgebende Wert orientiert sich am Index der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA, der als internationaler Standard gilt. Übersteigt die Feinstaubbelastung den Index von 200 Einheiten, werden Partien ausgesetzt. In der Spitze erreichte die Feinstaubbelastung am Dienstag 393 Mikrogramm.
Trotzdem wurden Broady, Schnur und die Hinterbänkler in einer E-Mail von der Profi-Organisation ATP und von den Organisatoren der Australian Open aufgefordert, zu spielen. Die Bedingungen seien unbedenklich. «Ein Schlag ins Gesicht», sagt Broady. Noah Rubin, auch er einer, der in der Qualifikantin ausschied, sagte: «Die Australian Open sind nicht das Leben eines Menschen wert.» Die Slowenin Dalila Jakupovic brach ihr Spiel gegen die Schweizerin Stefanie Vögele nach einem Hustenanfall ab. Die Kanadierin Eugenie Bouchard klagte über stundenlange Kopfschmerzen.
«Wo ist der Schutz der Spieler, Frauen und Männer?», sagt Broady. Alle hätten Anrecht auf gebührenden Schutz, und nicht nur ein paar wenige. Roger Federer sagte, er mache sich keine Sorgen um seine Gesundheit. Schliesslich dauere das Turnier höchstens zwei Wochen und nicht sechs Monate. Er teilte allerdings die Kritik, dass die Informationspolitik der Turnierleitung ungenügend war und die betroffenen Spieler verunsicherte.
Während sich die Tennis-Elite wie der Deutsche Alexander Zverev, der versprach, auf sein gesamtes Preisgeld von 4,1 Millionen australischen Dollar zu verzichten, sollte er das Turnier gewinnen, den Luxus leisten kann, ihr Image mit grosszügigen Spenden aufzupolieren, sind Spieler wie Broady, Schnur und Rubin auf jeden Zahltag angewiesen. «Wir können es uns nicht leisten, auf ein Turnier wie die Australian Open zu verzichten», sagte Rubin.
20'000 australische Dollar erhielt er für die Niederlage in der ersten Runde der Qualifikation. 2019 hatte er nur in Wimbledon und bei den US Open mehr verdient. Die Realität der Hinterbänkler spielt sich abseits des Rampenlichts ab. Wenn Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer ins Turnier starten, sind sie meist schon längst wieder abgereist. Doch sie wollen gehört werden, und proben den Aufstand.
We can’t let this go. @VasekPospisil @DreddyTennis @Jay27798 @sventennis @hotdog6969 @GBtennis @NaomiBroady pic.twitter.com/KYxSW2kP2I
— Liam Broady (@Liambroady) January 15, 2020
Brayden Schnur hatte es gewagt, in seiner Kritik direkt auf den Mann zu spielen, als er sagte, Roger Federer und Rafael Nadal, die beide dem Spielerrat angehören, seien nur auf den eigenen Vorteil bedacht, seien selbstsüchtig und handelten egoistisch. «Sie stehen kurz vor dem Ende ihrer Karriere und denken nur noch an ihr Vermächtnis. Was gut für den Sport ist, interessiert sie nicht.»
Federer gab sich konziliant und sagte, sie würden sich alle gegenseitig Sorge tragen und am gleichen Strick ziehen. Schnur relativierte seine Aussagen später. Diese seien aus dem Kontext gerissen worden. Stattdessen sagte er: «Das Beispiel zeigt, dass wir eine Gewerkschaft brauchen, und mehr Solidarität unter den Spielern.» Und dafür brauche man die Unterstützung der Top-Spieler. «Ich bin keiner der Grossen. Meine Stimme wird nicht gehört, ihre schon.» Bei Federer und Nadal entschuldigte sich Schnur persönlich. Er bereue seine Wortwahl.
My words yesterday were taken out of context and I’d like to clarify... #PlayerUnion pic.twitter.com/Ox3vBFkZYe
— Brayden Schnur (@BraydenSchnur) January 16, 2020
Doch der Schaden war bereits angerichtet. Das Beispiel zeigt, dass der Haussegen in Tennis-Familie schief hängt. Rubin sagt, er erwarte von Roger Federer, dass er sich auch über seine Karriere hinaus für eine gute Zukunft im Tennis einsetze. «Es steht mir zwar nicht zu, das zu sagen, aber ich tue es trotzdem: Ich bin der Meinung, es ist seine Verantwortung, dem Sport noch mehr zurückzugeben, als er ohnehin schon getan hat. Das ist es, was es bedeutet, Roger Federer zu sein.»
Liam Broady drückte es weit weniger drastisch aus, er nahm auch niemanden namentlich ins Visier, doch auf wen die Kritik zielt, war trotzdem klar, als er sagte, alle Spieler, Frauen und Männer, verdienten den gleichen Schutz, nicht nur ein paar wenige. «Wir lassen uns viel zu viel gefallen.» Doch das, was in Melbourne geschehen sei, sei zu gravierend, um es einfach vorbeiziehen zu lassen. Was kaum etwas an der Zweiklassengesellschaft im Tennis ändern wird.
Ab dem Zeitpunkt, ab dem ein/e Spieler/in in die Top30 einzieht, liefert er/sie 10 Prozent der Einnahmen (Preisgeld und Werbung !!!) in einen Pool ab. Ab dem Eintritt in die Top20 sind es 15 Prozent und in den Top10 wären es 20 Prozent. Dieses Geld würde dann nach einem System an die Wenigverdiener verteilt.
Hintergrund: Ohne all die Hinterbänkler würden auch die Topstars nicht so viel verdienen, wie sie es tun. Eine solche Umverteilung wäre nur gerecht und würde den Gutverdienenden nicht weh tun.
Die Schere bei den Preisgeldern ist massiv und wird immer grösser - die Gewinnsummen für ein zweiwöchiges Turnier finde ich schon fast unmoralisch.
Meiner Meinung navh müsste man bei den Majors und den 1000er-Turnieren jeweils das Preisgeld für den Sieger oben wegnehmen und auf die hinteren Runden (ab 16telfinal oder so) verteilen. Mehr finanzielle Parität täte dem Tennis gut - vor allem wenn die aöte Garde dann mal weg ist (so 2030 wies ausschaut 😎)