Regelmässig wird der Ruf laut, das nordamerikanische System mit Drafts und Trades auf den europäischen Sport zu übertragen. Nun ist das System wieder einmal wegen seiner Unzimperlichkeit in den Schlagzeilen.
Die Dallas Mavericks haben Harrison Barnes mitten in der Partie gegen die Charlotte Hornets darüber informiert, dass man ihn getradet hat. Nichts ahnend erfuhr Barnes, dass er ab sofort ein Spieler der Sacramento Kings ist.
Barnes, ein Erstrunden-Draft und NBA-Champion 2015 mit den Golden State Warriors, war in Dallas Stammspieler. Er stand auch bei seinem letzten Einsatz für die «Mavs» in den ersten drei Vierteln auf dem Parkett, steuerte zum 99:93-Sieg zehn Punkte bei. Doch im letzten Abschnitt blieb der 2,03 m grosse Forward auf der Bank. Coach Rick Carlisle bestätigte, dass der Trade der Grund dafür gewesen war. Auch er selber sei vom Entscheid des Mavericks-Managements überrascht worden, sagte Carlisle. «Ich erfuhr davon während des Spiels, deshalb habe ich ihn nicht mehr eingesetzt.»
Dallas-Superstar Dirk Nowitzki war von der Reaktion des getradeten Barnes beeindruckt. «Er ist ein besserer Kerl als ich, jeder andere wäre abgehauen», sagte Nowitzki. Denn Barnes blieb bis zum Ende des Spiels in der Halle, um seine Teamkollegen – pardon: Ex-Teamkollegen – zu unterstützen. Der Deutsche lobte Barnes als harten Arbeiter. «Ich sagte ihm, dass ich ihm nur das Allerbeste wünsche und dass wir garantiert in Kontakt bleiben».
Nowitzki zeigte sich enttäuscht darüber, Barnes als Mitspieler verloren zu haben. «Jeder weiss, wie nahe wir zwei uns standen. Wir werden ihn vermissen.» Dallas erhielt im Tausch für den 26-Jährigen Zach Randolph und Justin Jackson. Doch nicht die Verpflichtung der beiden neuen Spieler war der Hauptgrund dafür, dass Barnes gehen musste. Nächste Saison verdient er 25,1 Millionen Dollar – Geld, das nun anderweitig eingesetzt werden kann. Dallas plant einen Neuaufbau um den 19-jährigen Slowenen Luka Doncic, schliesslich wird Nowitzki im Sommer bereits 41 Jahre alt.
Mavericks-Coach Carlisle hätte gerne auch zukünftig mit Harrison Barnes zusammengearbeitet. «Ich werde ihn sehr vermissen», gab er zu. «Bevor alle anderen in die Kabine kamen, konnte ich mich noch mit ihm unterhalten. Ich habe mich bei ihm für seine zweieinhalb Jahre bei uns bedankt. Er ist ein vorbildlicher Sportler und gehört zu den Spielern, die sich am meisten verbessert haben.»
Musterprofi Barnes, im Bundesstaat Iowa aufgewachsen, bedankte sich mit einem Tweet bei der Organisation, Besitzer Mark Cuban, Trainer und Mitspielern für zweieinhalb Jahre in Dallas, während denen er sich wie zuhause gefühlt habe. «Ich werde die unglaublichen Fans in dieser Stadt nie vergessen. Nun bin ich gespannt auf das nächste Kapitel der Karriere.» Der gläubige Christ beendete sein Statement mit einem Bibelvers: «Seht, ich schaffe Neues, schon spriesst es, erkennt ihr es nicht? Ja, durch die Wüste lege ich einen Weg und Flüsse durch die Einöde.»
Mit LeBron James äusserte sich auch der wohl beste Spieler der Welt zum ungewöhnlichen Trade – ziemlich wütend. «Lasst mich raten, es ist cool, weil sie das machen müssen, was für die Franchise richtig ist???», postete der Star der Los Angeles Lakers. «Sie haben den Mann getradet, während er gespielt hat und NULL Ahnung hatte.»
James regte sich besonders über die allgemeine Wortwahl bei Transfers auf. «Will ein Spieler wechseln, wird er als egoistisch oder undankbar dargestellt.» Werde ein Team jedoch von sich aus tätig und schicke Spieler in die Wüste, werde immer nur erzählt, dass es das Beste für das Team sei. Um den Menschen gehe es dabei nie.
Die Trade Deadline in der NBA ist heute um 21 Uhr (Schweizer Zeit). Bis dahin dürfen die Team-Verantwortlichen noch mit Spielerrechten handeln. Ob auch Dallas nochmals tätig wird?