Das Drama um die vielleicht umstrittensten Schuhe der Welt geht in die nächste Runde. Die Yeezy-Sneaker, designt von Rapper Kanye West, gehörten beim Sportartikelhersteller Adidas zu den absoluten Verkaufsschlagern. 2016 erschien das erste Modell mit der gewöhnungsbedürftigen Ästhetik zum Einkaufspreis von 250 Franken - aufgrund der begrenzten Auflage erreichte der Wiederverkaufswert im Internet jedoch bald rund 1600 Franken. Unter Fans brach ein regelrechtes Yeezy-Fieber aus. Und Adidas konnte mit der Sneaker-Reihe bald Milliardenumsätze einfahren.
Doch dann wurde Kanye West, der mittlerweile unter dem Namen Ye auftritt, immer öfter ausfällig. Mit Hasstiraden und antisemitischen Äusserungen wie «I like Hitler» oder «I love Nazis» machte sich der Rapper definitiv untragbar. So zog Adidas im Oktober vergangenen Jahres die Reissleine - und kündigte die Zusammenarbeit mit Kanye West mit sofortiger Wirkung auf. Die Produktion der Schuhe ebenso wie der Verkauf wurden gestoppt.
Seither sitzt der deutsche Sportartikelhersteller auf Millionen von bereits produzierten Schuhen aus der Yeezy-Kollektion. Was sollte nun damit geschehen? Das Adidas-Management überlegte PR-wirksam, die Sneaker für wohltätige Zwecke zu spenden oder den Überlebenden des Erdbebens in Syrien und der Türkei zur Verfügung zu stellen.
Im März äusserte CEO Bjørn Gulden dann aber Bedenken, die in den Lagern verbliebenen Produkte zu verschenken oder zu spenden. Seine Befürchtung: Viele der Beschenkten würden die Sneaker im Internet verkaufen und damit den Handel wieder aufleben lassen. Auch bei einer Spende kämen die Schuhe mit grosser Wahrscheinlichkeit zurück auf den Markt, orakelte der Adidas-Chef. Schliesslich seien es «keine normalen Schuhe». Im Raum stand auch die Option, die Schuhe zu verbrennen. Dies wurde aber mit dem Argument verworfen, es wäre schlecht für die Umwelt und würde einen Verlust von fast einer halben Milliarde Euro bedeuten.
Dann sollte man die Schuhe doch lieber gleich selbst verkaufen, dürfte sich der Adidas-Chef gesagt haben - und noch so viel herausschlagen wie möglich. Denn seit Adidas die Zusammenarbeit mit Kanye West beendet hatte, waren die Preise für Yeezys auf einschlägigen Plattformen für den Wiederverkauf stark gestiegen. Man habe auch innert kurzer Zeit Hunderte von Händlerangeboten erhalten, die den Restbestand kaufen wollten, erklärte Gulden.
Im Mai kündigte Adidas an, zumindest einen Teil der Yeezy-Restposten schrittweise auf den Markt zu werfen und einen Teil des Erlöses an Organisationen zu spenden, die sich gegen Rassismus und Antisemitismus einsetzen.
Vom 31. Mai bis zum 2. Juni war es nun so weit: 15 Modelle der Yeezy-Linie standen zum Verkauf - ausschliesslich über die eigene App namens Confirmed. Wie nun die «Financial Times» unter Berufung auf Insider berichtet, soll der Verkauf überraschend gut gelaufen sein. Innerhalb der drei Tage seien Bestellungen im Wert von mehr als einer halben Milliarde Euro bei Adidas eingegangen. Die Nachfrage habe je nach Modell und Grösse variiert. Ein Modell namens 500 Utility Black sei in Europa innerhalb weniger Stunden ausverkauft gewesen.
Auch Rapper Kanye West dürfte dies freuen. Er bekommt nämlich auch für die aktuelle Kollektion noch eine erfolgsabhängige Vergütung - somit verdient er nach wie vor an jedem verkauften Exemplar mit. Ein weiterer Teil der Erlöse aus dem Abverkauf soll gemäss der «Financial Times» in die endgültige Auflösung der Partnerschaft fliessen. Es müssen Abfindungen und Anwälte gezahlt sowie Produktionsstätten geschlossen werden.
Wohl werden einige Fans die Yeezys aufgrund der Kontroverse um den Rapper boykottieren. Gut möglich aber, dass andere die Schuhe nun erst recht in ihrem Repertoire haben wollen. Sneaker sind längst viel mehr als prosaische Alltagsgegenstände. Die meisten Hersteller bringen immer wieder Spezialmodelle mit limitierter Auflage auf den Markt. Diese werden als Sammler- oder Investitionsobjekte gehandelt. Dass keine neuen Yeezys mehr produziert werden, dürfte sie also umso begehrter machen.
Übrigens hält die Linie auch den Rekord für die teuersten je verkauften Sneaker: Vor gut zwei Jahren wurden die Schuhe, die Kanye West bei der Grammy-Verleihung 2008 getragen hatte, für sagenhafte 1.8 Millionen Dollar versteigert. Die sogenannten Yeezy 1, die Vorläufer der Yeezy-Linie, kamen damals aber noch bei der Konkurrenzmarke Nike auf den Markt. (aargauerzeitung.ch)