Die Unabhängigkeit der Swiss endete vor zehn Jahren: Am 22. März 2005 wurde der Vertrag unterzeichnet, der die Übernahme der Schweizer Airline durch die deutsche Lufthansa regelte. Der Aufschrei hielt sich trotz des «Discount-Preises» von 460 Millionen Franken in Grenzen. Die aus Teilen der untergegangenen Swissair und der Crossair zusammengefügte Airline hatte sich drei Jahre lang mehr schlecht als recht in der Luft gehalten und dabei sehr viel Geld verbrannt.
Die Sorgen konzentrierten sich primär auf den Hub Zürich: Würde die Lufthansa ihn erhalten oder den Umsteigeverkehr nach Frankfurt umlenken? Zehn Jahre danach kann Swiss-CEO Harry Hohmeister zufrieden Bilanz ziehen: «Die Befürchtungen waren unberechtigt», sagte er am Donnerstag bei der Präsentation des Jahresergebnisses 2014. Die Zahl der Swiss-Passagiere hat sich seit der Übernahme fast verdoppelt, von neun auf mehr als 16 Millionen.
Finanziell sieht es ebenfalls gut aus: Zehn Jahre nach der Übernahme ist die Swiss die Ertragsperle des Lufthansa-Konzerns. Im von Katastrophen überschatteten Flugjahr 2014 hat sie einen Betriebsgewinn von 347 Millionen Franken erwirtschaftet. Damit erreichte sie fast den Wert des Rekordjahres 2010 (368 Millionen). Die von Streiks gebeutelte Muttergesellschaft musste einen Betriebsgewinnrückgang von 282 auf 252 Millionen Euro hinnehmen.
Alles bestens also bei der Fluglinie mit dem Schweizer Kreuz? Bei genauer Betrachtung gibt es einige Baustellen:
Die Swiss verdankt das gute Ergebnis auch einem «Trick»: Seit Anfang 2014 werden neue Flugzeuge und Reservetriebwerke der Lufthansa-Gruppe über 20 Jahre statt wie bisher über 12 Jahre abgeschrieben. Ansonsten wäre der Gewinn leicht unter dem Vorjahresergebnis von 264 Millionen Franken gelegen. Die Umsatzentwicklung blieb hinter den Erwartungen zurück. Gründe sind der gnadenlose Preiskampf in der Airline-Branche und Wechselkurseffekte. Die stark gesunkenen Treibstoffpreise haben sich dagegen positiv ausgewirkt.
Der starke Franken belastete die Swiss bereits 2014. Er frass 90,6 Millionen Franken vom Umsatz weg, obwohl der Mindestkurs von 1.20 Franken zum Euro noch Bestand hatte. Dessen Aufhebung durch die Nationalbank hat die Lage deutlich verschärft. Harry Hohmeister und Finanzchef Roland Busch hoben dies am Donnerstag mehrfach hervor. «60 Prozent der Einnahmen stammen aus Fremdwährungen, aber nur 50 Prozent der Ausgaben entfallen auf solche», sagte Busch. Falls die Wechselkurse auf dem heutigen Niveau blieben, koste das einen dreistelligen Millionenbetrag.
Ein Dorn im Auge sind der Swiss die Gebühren am Flughafen Zürich. «Er war schon vor der Frankenkrise teuer», monierte Hohmeister. Bereits 2013 klagte die Swiss deshalb gegen die vom Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) neu festgelegten Flughafengebühren. Der Fall ist nach wie vor beim Bundesverwaltungsgericht hängig, sagte der operative Leiter der Swiss, Rainer Hiltebrand, am Donnerstag.
Die Swiss, die sich als Premium-Fluglinie definiert, ist von zwei Seiten unter Druck: Einmal durch die Billigairlines. So hat die Dominanz von EasyJet dazu geführt, dass sich die Swiss aus Basel zurückzieht. «Wir haben mit verschiedenen Konzepten versucht, in Basel Erfolg zu haben, es aber nie geschafft», sagte CEO Hohmeister. Ein Ersatz ist vorerst nicht in Sicht. Die Lufthansa-Billigtochter Eurowings hat kürzlich angekündigt, ihre neue Basis in Wien statt Basel zu eröffnen.
Verschärfte Konkurrenz erwächst der Swiss auch durch Airlines aus den Golfstaaten wie Etihad, Emirates und Qatar, die mit Petrodollars subventioniert werden und deshalb für die Swiss-Führung ein Ärgernis sind. Die von Etihad übernommene Tessiner Airline Darwin hat im Konkurrenzkampf mit der Swiss bislang den Kürzeren gezogen, sie musste ihr Angebot zusammenstreichen. Ethihad hat deswegen bei der Wettbewerbskommission (Weko) Klage gegen die Swiss wegen unlauteren Wettbewerbs eingereicht. Hohmeisters Kommentar dazu: «Lächerlich.»
Um sich gegen die Konkurrenz behaupten zu können, baut die Swiss ihr Europa-Streckennetz stark aus. Ab Zürich wird sie in diesem Jahr 22 und ab Genf 12 neue Destinationen anfliegen. Diese Expansion ist riskant. Kritiker fühlen sich an die unselige Hunter-Strategie bei der Swissair erinnert.
SWISS is to add 22 new point-to-point European destinations #pressconference pic.twitter.com/mun6bboL2J
— Swiss Intl Air Lines (@FlySWISS) 6. Oktober 2014
Selbst Harry Hohmeister bezeichnete sie bei der Vorstellung im letzten Herbst als «mutig». Rainer Hiltebrand versuchte die Befürchtungen am Donnerstag zu zerstreuen. Es handle sich nicht um einen «Wachtumsrausch». Die neuen Destinationen würden selektiv angeflogen: «Unter dem Strich gibt es nur wenig zusätzliche Flugbewegungen.»
Die Flugpreise bleiben unter Druck. Die Swiss will sich diesem Trend nur bedingt anpassen. «Wir werden auf gar keinen Fall eine Lowcost-Airline», sagte Kommerzchef Markus Binkert. Die Bordverpflegung bleibt im Preis inbegriffen, der Sitz wird weiterhin beim Check-In zugeteilt. Der Einheitstarif in der Economy-Klasse aber ist passé: Im Sommer führt die Swiss für Europa eine neue Struktur mit drei Economy-Tarifen ein: Light, Classic und Flex.
Die drei Optionen seien auch dann verfügbar, wenn nur noch ein Platz im Flugzeug frei sei. Im Light-Tarif ist nur ein Handgepäck inbegriffen. Wer mehr will, muss einen Aufpreis zahlen oder einen der teureren Tarife wählen. Bei der Swiss spekuliert man ganz offen darauf, dass die Passagiere dies dem Premium-Anspruch entsprechend tun werden. Auch das ist riskant: «Wenn 80 Prozent den günstigsten Tarif wählen, müssen wir über die Bücher», so Hohmeister.
Bei der Erneuerung der Flotte geht die Swiss ebenfalls in die Offensive: Als Nachfolgerin des Airbus A340 auf der Langstrecke hat sie zusätzlich zu den bereits bestellten sechs Boeing 777 300ER drei weitere Maschinen dieses Typs geordert, für 900 Millionen Franken. Es handle sich um eine Investition in den Standort Schweiz, sagte Hohmeister. Damit würden 300 neue Arbeitsplätze entstehen. Die erste 777 soll Anfang 2016 in Betrieb genommen werden.
Verzögerungen gibt es dagegen beim brandneuen Kurzstrecken-Jet CS100/300 des kanadischen Herstellers Bombardier. Die erste Maschine hätte bereits 2013 ausgeliefert werden sollen. Diverse Gründe liessen den Termin platzen. Dieses Jahr soll es endlich soweit sein. Der Swiss-Chef wollte die Verzögerung nicht dramatisieren: «Wir können das verkraften.»
Zwischen der Führung und den rund 8000 Angestellten der Swiss kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Spannungen. Sie entluden sich letztes Jahr in einer bizarren Episode. Die Vorführunge eines nur sechsminütigen Videos zur neuen Strategie «Next Generation Airline of Switzerland» musste aufgrund wütender Proteste von Mitarbeitern abgebrochen werden.
Nun zeichnet sich eine Entspannung ab. Sowohl mit den Piloten als auch mit dem Kabinen- und dem Bodenpersonal konnten neue Gesamtarbeitsverträge ausgehandelt werden. Sie sollen bis zum Ende des Jahrzehnts den Arbeitsfrieden sichern. Die GAVs für die Piloten und das Kabinenpersonal müssen noch von den Gewerkschaftsmitgliedern abgesegnet werden.