«Die Geschichte erwartet uns, lasst uns diese Gelegenheit gemeinsam ergreifen und unser Zeichen setzen.» UBS-Präsident Colm Kelleher lässt in seiner Rhetorik die Qualitäten eines Politikers aufblitzen.
Zum Anlass des offiziellen Vollzuges der Credit-Suisse-Übernahme am Montag bemühte der Ire grosse Worte, und er wusste sie in einer zweiminütigen Videobotschaft auf der Website der Bank auch mit viel Pathos in Szene zu setzen.
«Der grösste Bankenzusammenschluss in der Geschichte» und der erste Zusammenschluss zweier global systemrelevanter Banken sind im Urteil von Kelleher nicht nur für die neue UBS «historisch», sondern auch für die ganze Schweiz und sogar für die weltweite Finanzindustrie.
Der ehemalige Morgan-Stanley-Vize und Wall-Street-Veteran liess früher gemachte Aussagen über die Risiken der Grossübernahme diesmal gänzlich weg und sprach stattdessen allein von den «enormen Chancen», wie sie ihm für die UBS und für den Schweizer Finanzplatz vorschwebten.
Gewiss, die aktuell rund 124'000 Mitarbeitenden der neuen Superbank können zu Beginn der nun anlaufenden Integrationsphase eine Aufmunterung gebrauchen, wie auch die ganze Schweizer Bevölkerung, die den grössten Teil der potenziell sehr hohen Kosten der Integration tragen werden.
Es ist von einem Abbau von bis zu 40'000 Stellen die Rede - ein Viertel davon allein in der Schweiz. «Ein offener Brief von UBS», abgedruckt in ganzseitigen Inseraten in mehreren Zeitungen in der Schweiz und im Ausland, unterstützt die Botschaft vom «Beginn eines neuen, historischen Kapitels», an dessen erfolgreichem Ausgang Kellehers-Chef erster Offizier, CEO Sergio Ermotti, «keine Zweifel», hat, wie er sich seinerseits per Video vernehmen lässt.
Dass die neue Superbank am Tag 1 ihrer Geschichte die «Herausforderungen» des Mega-Mergers nicht in den Vordergrund stellen wollte, mag kommunikationstechnisch seine Logik haben. Trotzdem vermitteln die beiden Protagonisten in ihren geradezu euphorisch anmutenden Auftritten das Bild einer Bank, der nichts Besseres als das schnelle Scheitern der Credit Suisse passieren konnte.
Tatsächlich betonen Regierung und Finanzmarktaufsicht in der Schweiz seit dem 19. März, dem Tag, an dem die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS mit beispielloser staatlicher und behördlicher Unterstützung Tatsache wurde, dass alle anderen Optionen zur Verhinderung einer Pleite nur zweite Wahl gewesen seien.
So stellt sich die Finanzmarktaufsicht (Finma) auf den Standpunkt, dass eine «Sanierung» der Credit Suisse das Potenzial gehabt habe, eine globale Finanzkrise auszulösen. Unter Sanierung verstehen die Aufseher zunächst die Kapitalsanierung durch eine vollständige, behördlich verordnete Abschreibung der riskantesten (speziell für solche Fälle geschaffenen) Kategorie von Anleihen (AT1), die sofortige Umwandlung einer anderen, speziellen Anleihenkategorie in Aktien (Bail-in) und natürlich die vollständige Abschreibung des bestehenden Aktienkapitals.
Diese Sanierung, in der es auf Geheiss der Finma auch zu einer raschen Liquidation oder Abwicklung nicht systemrelevanter Teile der Credit Suisse gekommen wäre, hätte für die Finanzmarktteilnehmer ein direktes Schadenpotenzial in der Höhe von um die 70 Milliarden Franken gehabt. Es vergleicht sich mit den 16 Milliarden Franken, welche im gewählten UBS-Szenario die Besitzer der AT1-Anleihen tragen müssen.
Nach Auffassung der Finma hätte die Sanierung mit ihrem doch markant heftigeren Effekt für die Finanzmärkte deren seinerzeitige Instabilität noch verschärfen können. Zudem wäre die Credit Suisse auch nach einer zunächst erfolgreichen Kapitalsanierung vorerst die Credit Suisse geblieben. Es ist tatsächlich eine offene Frage, ob deren Management, das auf den Finanzmärkten kein Vertrauen mehr genoss, das Institut aus dem Strudel hätte heraus manövrieren können.
Bekannt ist indessen, dass die UBS schon ab Oktober mit dem Szenario einer CS-Übernahme zu rechnen begann. Ein im Mai von der UBS bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC eingereichtes Dokument macht deutlich, dass insbesondere UBS-Präsident Kelleher das am Ende eingetretene Übernahmeszenario konkret durchrechnen liess.
«Size matters in banking» - Grösse sei wichtig im Kreditgeschäft, sagte er am Montag als Begründung für seinen Optimismus. Ermotti seinerseits erklärte erst Ende März anlässlich seines Comebacks als CEO, die UBS sei nicht zu gross, sondern eher «zu klein, um überleben zu können.» Ob die Schweiz die historischen Pläne der beiden UBS-Protagonisten am Ende wirklich unterstützen will, ist offen. Im Herbst wird ein neues Parlament bestellt und noch stösst die Bank dort auf erheblichen Widerstand.
Herr und Frau Schweizer werden in ihrem Alltag vorerst aber kaum etwas von dem «historischen Tag» in der Schweizer Kreditwirtschaft mitbekommen. Die Credit Suisse operiert unter eigenem Namen und mit dem bekannten Logo weiter und auch in den Filialen bleibt das meiste, wie es war. Geschichte ist seit Montag aber endgültig die Credit-Suisse-Aktie. Sie geht bei gut 80 Rappen aus dem Handel, nachdem ein solches Papier vor 25 Jahren noch 95 Franken gekostet hatte.
Diese falsche Einstellung bringt auch die UBS zu fall. Dauert nun einfach länger
Weil es für die beiden, dank der grosszügigen Hilfe der völlig überforderten FINMA und des völlig überforderten Bundesrates halt auch so ist.