Der Lockdown hat dazu geführt, dass die Menschen gespart haben und die Lieferketten unterbrochen wurden. Die Folge davon war, dass nach Aufhebung des Lockdowns die Teuerung explodierte. Kein Grund zur Sorge und kein Grund, die Leitzinsen anzuheben, beruhigten die Notenbanker zunächst, diese Inflation sei vorübergehend, alles werde bald wieder gut.
Die Inflation sollte sich jedoch als hartnäckig erweisen. Weil sich die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordtief befindet und immer noch mehr Jobs als erwartet geschaffen werden, ist der Lohndruck hoch. Deshalb hat die US-Notenbank, die Fed, längst eine Kehrtwendung vollzogen und die Leitzinsen in mehreren Schritten innert Jahresfrist auf 4,75 Prozent erhöht.
Doch selbst diese drastischen Massnahmen tragen noch keine Früchte. In den USA liegt die Inflation derzeit – wie gerade bekannt wurde – immer noch bei rund sechs Prozent. Allgemein wurde deshalb bis vor Kurzem erwartet, dass die Fed an ihrer nächsten Sitzung vom 21. und 22. März den Leitzins erneut um mindestens einen halben Prozentpunkt erhöhen wird.
Nun jedoch gehen die Markt-Auguren noch von einer Leitzinserhöhung von 0,25 Prozentpunkten aus, wenn überhaupt. Die Situation hat sich in den letzten Tagen dramatisch verändert. Es droht ein Crash der amerikanischen Regionalbanken, und ausgelöst wurde dies durch das forsche Vorgehen von Fed-Präsident Jay Powell. Aber der Reihe nach:
Eigentlich lieben Banken höhere Leitzinsen, sie wirken sich positiv auf ihre Erträge aus. Daher ist es auf den ersten Blick erstaunlich, dass nun mehrere amerikanische Banken deswegen in Nöte geraten sind. Drei davon, die Silicon Valley Bank (SVB), die Signature Bank und die Silvergate Capital Corp., mussten bereits ihre Tore schliessen.
Dabei haben diese drei Banken auf die vermeintlich sicherste Karte gesetzt: Sie haben im grossen Stil langlaufende amerikanische Staatsanleihen, sogenannte Treasury Bonds (T-Bonds), gekauft. Sie haben jedoch nicht berücksichtigt, dass diese Obligationen bei steigenden Zinsen zu Zeitbomben werden können. Erhöht sich der Zins, steigt der Wert, denn der Zins der neuen T-Bonds ist attraktiver als der alte und damit sinkt der Kurs der alten.
Solange eine Bank diese T-Bonds nicht veräussern muss, wirkt sich das zwar negativ auf den Gewinn aus, es ist jedoch nicht lebensbedrohlich. Das ändert sich rasch und dramatisch, wenn die Bank dringend Geld braucht und die T-Bonds auch mit grossen Verlusten verramschen muss. Genau dieser Fall ist bei den erwähnten Geldinstituten eingetreten, und zwar heftig. Die SVB beispielsweise verlor so in kurzer Zeit mehr als zwei Milliarden Dollar. Das wiederum schreckte ihre Kunden auf. Sie zogen in grossem Stil ihr Geld ab, bei der SVB waren es innert eines Tages über 40 Milliarden Dollar.
Das konnte die Bank nicht verkraften. Um noch Schlimmeres zu verhindern, mussten die Behörden die Bank schliessen, und um die Kunden zu beruhigen, erklärten die Fed und das Finanzministerium, dass das Geld der Kunden der geschlossenen Banken sicher sei. Nur die Anleger müssten mit einem Verlust rechnen. Mit dieser Massnahme wollen die Behörden verhindern, dass es zu einer Wiederholung der Savings-and-Loan-Krise kommt. Diese Krise hat in den Achtzigerjahren eine ganze Reihe von Regionalbanken pleitegehen lassen und dabei einen Schaden von rund 150 Milliarden Dollar angerichtet.
Sollte es bei den drei erwähnten Banken bleiben, dann wäre die Krise vorbei. Doch es wird befürchtet, dass noch weit mehr Geldinstitute sich in einer ähnlichen Lage befinden. Obwohl der Handel mit ihnen immer wieder ausgesetzt wurde, stürzten die Aktien einiger dieser Banken mehr als 60 Prozentpunkte ab. Insgesamt verlor der Bankenindex KBW beinahe 12 Prozentpunkte.
Gleichzeitig liegen die Nerven der Investoren blank. Der Volatilitäts-Index VIX – er wird auch Angst-Index genannt – befindet sich derzeit auf dem höchsten Stand seit 2019. «Die Händler scheinen damit zu rechnen, dass die Aktien der Regionalbanken noch weiter in den Keller rasseln», meldet das «Wall Street Journal».
Zurück zur Fed: Ob ihr Präsident Powell angesichts einer sich abzeichnenden Bankenkrise an seiner harten Linie festhalten und die Leitzinsen erhöhen wird, ist fraglich. Die Zusicherung, Kundeneinlagen auch über 250’000 Dollar den vollen Werterhalt zu garantieren, hat zwar für eine Beruhigung gesorgt, doch die Krise ist noch nicht ausgestanden.
Das hängt auch damit zusammen, dass die Regulatoren offensichtlich versagt haben. Sie hätten erkennen müssen, dass die SVB mit ihren T-Bonds auf einer Zeitbombe sitzt. Die Leitzinserhöhungen der Fed kamen ja alles andere als überraschend. Was hat zu diesem Versagen geführt?
Einerseits hat die Aufweichung des Dodd-Frank-Acts dazu beigetragen – ein Gesetz, das nach der Finanzkrise 2008 eingeführt wurde, um die Banken zu mehr Vorsicht anzuhalten, und das von Präsident Trump teilweise rückgängig gemacht wurde.
«Aber das andere Problem liegt darin, dass Investoren und Regulatoren – wie Generäle – dazu ausgebildet werden, die Kriege der Vergangenheit zu führen», kommentiert Gillian Tett in der «Financial Times». Konkret bedeutet dies, dass die Finanzgemeinde sich längst an tiefe Leitzinsen gewöhnt hat. Zum letzten Mal haben steigende Zinsen im Jahr 1994 zu Verlusten geführt.
Niemand, der jünger als 50 ist, kann sich daran noch erinnern. Dazu kommt, dass man dieser Generation eingebläut hat, dass gerade Staatsanleihen super sicher seien und deswegen gar nicht einmal mit Eigenkapital unterlegt werden müssen.
Droht uns nun erneut eine Krise wie 2008/2009? Damals löste der Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers einen Domino-Effekt aus, der beinahe das internationale Finanzsystem zusammenkrachen liess. Diese Gefahr besteht derzeit nicht. Die grossen Banken verfügen über ein weit grösseres Fettpolster als damals und sollten einen allfälligen Schock abfedern können. Aber ausschliessen kann man dies derzeit nicht. In der Finanzwelt sind schwarze Schwäne – völlig unerwartete Ereignisse – mittlerweile fast schon üblich geworden.
Reguliert dieses Geier endlich richtig!