Die US-Notenbank setzt ihren energischen Kampf gegen die hohe Inflation fort und dreht erneut kräftig an der Zinsschraube: Sie erhöht ihren Leitzins zum dritten Mal in Folge um 0,75 Prozentpunkte, wie die Federal Reserve (Fed) am Mittwoch mitteilte.
Damit liegt er nun in der Spanne von 3 bis 3,25 Prozent und erreicht den höchsten Stand seit 14 Jahren. Mit der strengen Geldpolitik wächst das Risiko, dass die Zentralbank die Wirtschaft bald so stark ausbremsen könnte, dass Arbeitsmarkt und Konjunktur abgewürgt werden.
Der neuerliche Schritt war zwar erwartet worden - ist aber dennoch beachtlich. Gewöhnlich zieht es die Fed vor, den Leitzins in Schritten von 0,25 Prozentpunkten anzuheben. Bereits im Juni und Juli hatte die Fed den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben. Manche Analysten hatten aufgrund jüngster Daten zur anhaltend hohen Teuerungsrate in den vergangenen Tagen bereits gemutmasst, dass die Fed die Märkte mit einer Erhöhung um einen Prozentpunkt überraschen könnte.
Der Euro verlor nach dem Zinsentscheid an Wert. Zum Franken sank die Gemeinschaftswährung auf ein neues Allzeittief von 0,95125 Franken. Das bisherige Rekordtief war am späten Nachmittag bei 0,95255 Franken erreicht worden. Danach erholte sich der Euro wieder auf 0,9533 Franken. Auch der US-Dollar sank zur Schweizer Währung auf 0,9635 Franken, nachdem er am späten Nachmittag noch 0,9647 Franken gekostet hatte. Zum Dollar sackte der Euro auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren ab.
Die Talfahrt des Euro-Franken-Kurses dürfte wohl nicht so schnell Halt machen, zumal für den morgigen Donnerstag eine deutliche Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte der Schweizer Nationalbank (SNB) erwartet wird. Dieser Schritt dürfte gemäss Devisenexperten die Rolle des Franken als sicherer Währungshafen stärken.
Der jetzige Zinsschritt der Fed ist auch noch nicht das Ende der Fahnenstange: Weitere Zinserhöhungen dürften angemessen sein, erklärte die US-Notenbank. Im Juni rechneten die Entscheider der Fed zum Jahresende im Mittel noch mit einem Leitzins von 3,4 Prozent. Nun gehen sie von 4,4 Prozent in diesem Jahr und sogar 4,6 Prozent im kommenden Jahr aus.
Dies impliziere, dass die Fed in diesem Jahr noch weitere Zinsanhebungen um nochmals rund 1,20 Prozentpunkte lancieren werde, kommentierte der Chefökonom der VP Bank, Thomas Gitzel: «Es ist deshalb nicht auszuschliessen, dass weitere Anhebungen von jeweils 0,75 Prozentpunkten auf den noch verbleibenden zwei Zinssitzungen in diesem Jahr auf der Agenda stehen werden. Das schreckt die Finanzmärkte auf, denn mit solch einem forschen Vorgehen ist bislang nicht gerechnet worden.»
Die Fed sagt ausserdem in diesem Jahr ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum als noch vor drei Monaten angenommen voraus. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der weltgrössten Volkswirtschaft soll demnach um 0,2 Prozent wachsen. Das wären 1,5 Prozentpunkte weniger als noch im März prognostiziert.
Die US-Notenbank rechnet im laufenden Jahr auch mit einer etwas höheren Inflationsrate als zuvor angenommen. Die Teuerungsrate soll trotz der Erhöhungen des Leitzinses 2022 durchschnittlich bei 5,4 Prozent liegen. Zuletzt war die Enttäuschung darüber gross, dass die Dynamik des Preisanstiegs im August weniger als erwartet nachliess.
Zwar hatte sich die Jahresinflationsrate von 8,5 Prozent im Vormonat auf 8,3 Prozent abgeschwächt. Analysten hatten jedoch im Schnitt mit einem noch stärkeren Rückgang gerechnet. All diese Daten setzen die Fed unter Druck.
Insgesamt ist es die fünfte Anhebung des Leitzinses der Fed in diesem Jahr. Die US-Notenbank ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet. Erhöhungen des Leitzinses durch die Notenbank verteuern Kredite und bremsen die Nachfrage. Das hilft dabei, die Inflationsrate zu senken, schwächt aber auch das Wirtschaftswachstum, da sich etwa Kredite verteuern.
All das ist nicht ohne Risiko - das Wirtschaftswachstum und der Arbeitsmarkt werden geschwächt. Ziel ist es, nur so weit an der Zinsschraube zu drehen, dass die Wirtschaft nicht kippt und in eine dauerhafte Rezession fällt.
Ob die USA bereits in eine Rezession hineingeschlittert sind, ist umstritten. Die US-Wirtschaft ist im Frühling erneut geschrumpft, wie Daten von Ende Juli zeigen. Da die Wirtschaft bereits im Winter geschrumpft war, ist nun die Definition einer sogenannten technischen Rezession erfüllt.
Die US-Regierung hatte die Daten heruntergespielt und darauf gepocht, dass die Lage am Arbeitsmarkt gut sei. Auch Ökonominnen und Ökonomen hatten betont, dass man die Zahlen mit Vorsicht geniessen müsse. Fed-Chef Jerome Powell hatte aber im Juli gewarnt, dass der Kampf gegen die hohe Inflation Schmerzen bereiten werde.
Powells aggressive Zinspolitik wird nun bereits mit der des legendären Fed-Chefs Paul Volcker verglichen. Volcker hob den Leitzins in den 1970er und 80er Jahren drastisch an - er stieg zeitweise auf um die 20 Prozent. Auch damals hatte die grösste Volkswirtschaft der Welt mit enormer Inflation zu kämpfen. Die Folge der Zinsanhebungen waren jedoch Arbeitslosigkeit und ein Einbruch des Wirtschaftswachstums.
Powell ist von einem derart hohen Leitzins noch weit entfernt. Das Tempo, das er nun aber im Kampf gegen die Inflation vorlegt, ist aber aussergewöhnlich. (awp/sda/dpa)