Schon zu Beginn der Corona-Pandemie wurde bekannt, dass die Krankheit Covid-19 nicht nur die Atemwege betrifft, sondern auch eine grosse Bandbreite neurologischer Symptome und Begleiterscheinungen hervorrufen kann. Zahlreiche Fallberichte und Studien belegen, dass es im Verlauf der Erkrankung zu neurologischen Symptomen kommt. Neben Geruchs- und Geschmacksstörungen sind auch Kopfschmerzen, Muskelschmerzen und das sogenannte Fatigue-Syndrom (dauerhafte Erschöpfung und Abgeschlagenheit) typisch.
Darüber hinaus kommen nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) gerade bei schweren Verläufen auch sogenannte Enzephalopathien (Bewusstseinsstörungen und Störungen der Hirnfunktionen) recht häufig vor. Ein Delir sei vor allem bei älteren Personen ein Symptom von Covid-19, so die DGN. Und auch lebensbedrohliche neurologische Komplikationen könnten während oder direkt nach einer Covid-19-Erkrankung auftreten – darunter Schlaganfälle oder das Guillain-Barré-Syndrom.
Auch nach einer überstandenen Covid-19-Erkrankung fühlen sich viele Betroffene nicht gesund. Sie klagen weiterhin vor allem über neurologische Symptome, wie Studien herausgefunden haben. Es variiere von Patient zu Patient sehr stark, wie lange die einzelnen Covid-19-Folgen anhielten, heisst es von der DGN. In der Regel seien es aber mehrere Wochen und Monate.
Eine niederländisch-belgische Untersuchung wertete drei Monate nach Krankheitsbeginn die anhaltenden Symptome von 2'113 Covid-19 -Patienten aus. 112 von ihnen wurden stationär behandelt. Während der akuten Erkrankung litten 95 Prozent der Probanden unter Fatigue, 3 Monate danach noch 87 Prozent. Damit war die Fatigue die häufigste Komplikation und Langzeitfolge, sogar häufiger als Kurzatmigkeit.
Ein in «Nature Communications» publizierter Artikel bestätigte dieses Ergebnis. Noch Wochen nach der Covid-19-Erkrankung litten die meisten Patienten an Langzeitsymptomen. Am häufigsten an:
Ebenfalls häufig traten Schlafstörungen, Gedächtnisprobleme und Konzentrationsstörungen auf. Das Erstaunliche: Besonders hartnäckig und langanhaltend scheinen neurologische Symptome bei Covid-19-Patienten zu sein, die einen schweren Verlauf der Infektionskrankheit hatten. Die Beschwerden zeigten sich aber auch bei milden Verläufen.
Die DGN sieht aufgrund der Häufigkeit und Schwere der neurologischen Symptome einen grossen Forschungsbedarf. «Zusammenfassend betreffen neurologische Langzeitfolgen einen hohen Anteil der Covid-19-Patienten und wir müssen diese Menschen neurologisch nachbetreuen. Bei vielen Betroffenen verbessern sich die neurologischen Symptome zwar im Laufe der Zeit, aber wir haben auch Patienten, die bereits in der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr 2020 erkrankten und bis heute nicht beschwerdefrei sind», erklärt Professor Peter Berlit, DGN-Generalsekretär.
Da es sich bei Covid-19 um eine neuartige Krankheit handle, müssen die Ursachen der Symptome und Spätfolgen geklärt werden, um gezielt etwas gegen die neurologischen Beschwerden unternehmen zu können, so Berlit.
Um die Langzeitfolgen zu erforschen, wurde eine Arbeitsgruppe mit dem Namen «Neurologie im Nationalen Pandemie Kohorten Netz» (NAPKON) etabliert. Besonders wichtig sei dabei die Frage, ob die Viruserkrankung womöglich auch langfristig die Kognition beeinträchtigen oder sogar die Entstehung neurodegenerativer Folgeerkrankungen – wie zum Beispiel Alzheimer – im Alter begünstigen kann. Wirklich gesicherte Antworten auf diese Fragen werde es allerdings erst in einigen Jahren – oder sogar Jahrzehnten – geben.