Angefangen hat alles im Frühling dieses Jahres. Am 4. April erschien die erste Kolumne von Geng Wenbing, dem chinesischen Botschafter, nur eine Woche vorher hatte die «Weltwoche» ein ganzseitiges Inserat einer chinesischen Firma abgedruckt. Insgesamt acht solche seitenfüllenden Werbeanzeigen von chinesischen Firmen wie der «China Construction Bank» oder dem Luxushotel «Mirador Spa», das von einem chinesischen Investor übernommen wurde, druckte die Zeitung dieses Jahr. Zum Vergleich: Bis auf ein paar kleine Inserate waren es gar keine im Jahr 2018.
Aufgetauchte Kopien von Mails zwischen der «Weltwoche» und der chinesischen Botschaft lassen zudem vermuten, dass die chinesische Botschaft der Zeitung offerierte, die bis zu 10'000 Franken teuren Inserate der chinesischen Firmen zu übernehmen. In einem Fall meldete sich ein Unternehmen und verwies ausdrücklich auf eine chinesische Botschaftsmitarbeiterin. Sie wurde sogar ins cc gesetzt.
Handfeste Beweise kann die «NZZ» nicht liefern, die zeitliche Übereinstimmung der Werbeanzeigen und der Kolumne sowie die aufgetauchten Mails deuten jedoch auf eine Zusammenarbeit hin.
In seiner Kolumne vertritt Botschafter Geng Wenbing die offiziellen Ansichten der kommunistischen Staatspartei Chinas. So schrieb er wenige Tage, bevor die «China Cables» die Existenz der Internierungslager für Uiguren bestätigten, dass China eine «Familie mit 56 Ethnien» sei und das Aufrechterhalten der ethnisch vielfältigen Kultur fördere. Bei den Lagern handle es sich lediglich um Massnahmen zur Ausrottung des islamistischen Extremismus.
Völlig unproblematisch, findet Köppel. Er ist sogar stolz darauf. Gegenüber der «NZZ» sagte er:
Den Vorwurf der einseitigen Berichterstattung wies er zurück.
Die «NZZ» geht noch weiter mit den Anschuldigungen. So lasse die «Weltwoche» Artikel über China von der chinesischen Botschaft gegenlesen und gegebenenfalls entschärfen. Als Beispiel dient ein Artikel über die chinesischen «Giganten des 20. Jahrhunderts», Mao Zedong und Deng Xiaoping. Autor Philipp Gut schrieb dabei beim Eintrag zum Jahr 1989 lediglich von einem «Ereignis» auf dem Tiananmen-Platz. Kein Wort von einem Massaker.
Gemäss Quellen aus dem Umfeld der «Weltwoche»-Redaktion soll die verharmlosende Bezeichnung zwischen der Zeitung und der chinesischen Botschaft ausgehandelt worden sein. Das Tiananmen-Massaker als «Ereignis» zu bezeichnen, entspricht übrigens der offiziellen Sprachregelung Pekings.
Köppel dementiert die Vorwürfe nicht. Auf Anfrage der «NZZ» sagte er lediglich, dass die redaktionelle Letztverantwortung jederzeit bei ihm persönlich lag.
(dfr)