Schweiz
Gesundheit

Luzerner DJ-Bobo-Kampagne gegen Gesundheitskosten führt zu Kritik

DJ Bobo kämpft gegen «Bobos» im Kanton Luzern – das passt nicht allen

Die Gesundheitskosten steigen und steigen. Nun appelliert der Kanton Luzern mit einer Kampagne an die Eigenverantwortung der Bevölkerung. Hilfe bekommt er von Sänger und Tänzer DJ Bobo. Gut finden das nicht alle.
05.02.2019, 11:0205.02.2019, 14:10
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Eigentlich singt und tanzt er. Neu strahlt er uns auf Plakaten entgegen, aber nicht um Werbung für ein Konzert zu machen, sondern um an die Eigenverantwortung zu appellieren. Die Rede ist von Sänger und Tänzer DJ Bobo. Der Musiker fordert die Luzerner Bürgerinnen und Bürger mit dem Slogan «Gehen Sie nicht wegen jedem Bobo zum Arzt» auf, einen verantwortungsvollen Umgang mit den medizinischen Angeboten zu pflegen.

dj bobo gehen sie nicht wegen jedem bobo zum arzt
Das Werbeplakat mit DJ Bobo: «Gehen Sie nicht wegen jedem Bobo zum Arzt!»Bild: Gesundheits- und Sozialdepartement Kanton Luzern

Was sagt der Kanton Luzern?

Der Kostenwachstum im Gesundheitswesen soll gedämpft werden. Mit den Plakaten, die ab heute an diversen Orten im Kanton hängen, will der Kanton Luzern unter anderem auch die Notfallstationen entlasten.

«Jeder Bagatellfall führt zu längeren Wartezeiten im Notfall, dies zu Lasten der ‹echten› Notfälle. Jeder Bagatellfall verursacht zudem unnötige Kosten», sagt Guido Graf, Luzerner Gesundheitsdirektor (CVP).

Der Luzerner Gesundheits- und Sozialdirektor und Regierungsrat Guido Graf anlaesslich der Medienkonferenz zum Bundesgerichtsurteil ueber individuelle Praemienverbilligung von Krankenkassenpraemien am  ...
Der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (CVP).Bild: KEYSTONE

Graf sagt: «Wer bei harmlosen Beschwerden nicht vorschnell einen Arzt oder ein Spital aufsucht und versucht, sich zuerst selber zu helfen, leistet einen Beitrag gegen die steigenden Gesundheitskosten».

«Jeder Bagatellfall führt zu längeren Wartezeiten im Notfall, dies zu Lasten der ‹echten› Notfälle.»
Guido Graf, Gesundheitsdirektor (CVP)

Graf betont aber auch: «Es ist mir bewusst, dass es für Laien oft schwierig zu beurteilen ist, was ein medizinischer Notfall ist. Keinesfalls raten wir generell davon ab, bei gesundheitlichen Problemen professionelle medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen».

Was ist die Kritik?

Vor wenigen Tagen kam die Meldung, dass der Kanton Luzern rückwirkend tausenden Familien Prämienverbilligungen ausbezahlen muss. Dies, weil er laut Bundesgericht 2017 das anspruchsberechtigte Einkommen zu tief angesetzt hatte. Der missglückte Sparversuch kostet ihn 25 Millionen Franken.

Vor diesem Hintergrund habe die PR-Kampagne einen schalen Beigeschmack, sagt der kantonale SP-Präsident David Roth gegenüber dem «Blick». Und weiter: 

«Man wird den Eindruck nicht los, dass der Kanton diejenigen, die zu Unrecht keine Prämienverbilligungen erhalten, nun noch zum Sparen ermahnen will.»
David Roth, SP

Der Gesundheitsökonom Heinz Locher äusserte sich ebenfalls zur Werbekampagne: «Man sollte den überforderten Menschen besser Hilfe anbieten, statt den Moralapostel zu spielen.»

Und Matthias Müller vom Verband Santésuisse findet es «gut und recht, wenn man dazu aufruft, nicht wegen jeder Kleinigkeit zum Arzt zu gehen. Fakt ist aber: Oft sind es die Ärzte, die die Patienten zu häufig aufbieten.»

Die Kampagne kostet den Kanton Luzern 100'000 Franken. (chmedia/jaw)

Korrigendum
In einer früheren Version des Artikels stand geschrieben, dass DJ Bobo ein Honorar von 100'000 Franken vom Kanton Luzern erhalten habe. Das ist falsch. Die ganze Kampagne kostete 100'000 Franken. Wir bitten um Entschuldigung.

Was kostet eigentlich eine Operation?

Video: srf
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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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El Vals del Obrero
05.02.2019 11:16registriert Mai 2016
Warum nicht einfach die Notfallstationen so umbauen, dass dort von Apotheke über normaler Arztpraxis, Permanance und echter Notfallstation alles in einem Gebäude vorhanden ist?

Eigentlich sollte alles an einem Ort doch effizienter sein und die Patienten würden die Triage nicht selber machen.
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I love Abwasser
05.02.2019 11:45registriert Januar 2019
Meiner Meinung nach ist die Botschaft gelungen. Allerdings bedarf es, dieses Plakat noch in diversen Fremdländischen Sprachen abzudrucken. Wenn ich gelegentlich im Schoggibunker jemanden besuche und an der Notfallstation vorbeigehe, verstehen allwäg viele "Notfallpatienten" nicht, was ein Bobo sein soll, geschweige denn, wessen Antlitz da vom Papier motivierend lächelt.
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Skeptischer Optimist
05.02.2019 12:29registriert Februar 2016
Das tatsächliche Problem sind nicht Bobos, sondern der Umstand, dass es kaum einen Kanton mit einer unfähigeren Regierung als Luzern gibt.

Die versiffte "Unternehmenssteuerreform" hat den Kanton in ein Finanzierungsloch gedrückt, aus dem er offensichtlich nicht mehr rausfindet.

Die idiotische Boboaktion mag zum Künstler passen, aber sie löst das Problem bestimmt nicht.

Eigenverantwortung wahrnehmen heisst für den Luzerner Bürger diese überforderte Regierung abzuwählen.
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