Für die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, ist klar: Die Ukraine gehört spätestens seit dem russischen Invasionskrieg in die EU, wo das Land den «europäischen Traum» leben solle. Heute, auf dem EU-Gipfel, wird wohl der erste Schritt für diesen Traum in die Wege geleitet: Alle Zeichen sprechen dafür, dass die Ukraine den EU-Kandidatenstatus bekommt.
Den europäischen Traum wollen aber auch die Nachfolge-Staaten Jugoslawiens leben. Slowenien und Kroatien haben die Aufnahme in die EU zwar geschafft. Doch für die restlichen Länder harzt es – teilweise seit über zehn Jahren. Namentlich Albanien, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien verharren bereits seit Jahren im Status ‹Beitrittskandidat›. Darum könnte es heute auf dem EU-Gipfel zu Verstimmungen kommen.
Dabei hätte der gesamte Westbalkan eine «europäische Perspektive». Also die Aussicht, eines Tages der EU beitreten zu können. Denn man teile gemeinsame Werte, beschloss man auf dem Gipfel in Thessaloniki 2003, wo es um die Integration der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens in die EU ging.
2004 trat Slowenien dem Staatenverbund bei, 9 Jahre später dann Kroatien. Bei den verbleibenden Westbalkan-Ländern hat es für einen Beitritt noch nicht gereicht – irgendetwas wird seitens einzelner EU-Länder immer bemängelt. Denn die Aufnahmekriterien in die EU sind streng, die sogenannten Kopenhagener Kriterien müssen erfüllt werden: Das gesamte EU-Recht und die EU-Politik muss im Land übernommen werden. Ausnahmen gab es bis anhin keine.
Vor lauter EU-Frust hat der Westbalkan bereits letztes Jahr eine eigene Wirtschaftsgemeinschaft gegründet: «Open Balkan». Diese ist zwar bei Weitem nicht so gross und gewichtig wie die EU, aber sie ist ein Zeichen der Desillusionierung.
2009 reichte Albanien den formellen Antrag auf Mitgliedschaft in der EU ein. Seit 2014 ist der Staat EU-Beitrittskandidat.
Vier Jahre später stimmte die EU Beitrittsverhandlungen zu, doch die Niederlande, Frankreich und Dänemark blockierten damals die Gespräche.
Seit da wurden weitere Anläufe genommen, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, doch immer wieder waren einzelne EU-Staaten noch nicht zufrieden mit den Fortschritten Albaniens. Und so bleiben die Forderungen für einen EU-Beitritt Albaniens bestehen: Zuerst müssen Reformen im Justizwesen sowie in der Medienfreiheit umgesetzt werden.
Rama bezeichnete die Blockade der EU-Beitrittsgespräche am Donnerstag vor einem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel dann auch als «Schande»: «Ein Nato-Land – Bulgarien – nimmt zwei andere Nato-Länder – Albanien und Nordmazedonien – inmitten eines heissen Kriegs in Europa in Geiselhaft». Und weiter: Die Blockade zeige einmal mehr, dass das Prinzip der Einstimmigkeit in der EU ein grosses Problem sei.
Der EU-Frust des albanischen Premierministers Edi Rama dringt in einem kürzlich erschienen Interview in der deutschen Tageszeitung «Die Welt»» durch:
Er sagt aber auch, dass Albanien den Versuch niemals aufgeben werde, die EU doch noch zu heiraten.
Rama empfahl der Ukraine im Vorfeld des EU-Gipfels, keine zu grossen Erwartungen an eine Aufnahme in die EU zu haben.
Bosnien und Herzegowina hat 2016 einen Antrag eingereicht, um Beitrittskandidat zu werden. Doch das Land hat den Kandidatenstatus trotzdem noch nicht inne, zu viele Reformen stünden aus – besonders im Justizsystem und bezüglich der Menschenrechte.
Die Angst auf dem Westbalkan, von der Ukraine überboten zu werden in Sachen Kandidatenstatus fasst der bosnische Parlamentarier Saša Magazinović in der «SRF»-Sendung 10vor10 vom 22. Juni 2022 so zusammen:
Montenegro ist seit 2010 Beitrittskandidat der EU. Beitrittsverhandlungen laufen seit 2012.
Montenegro ist am weitesten fortgeschritten im Integrationsprozess in die EU. Bislang fanden vierzehn Tagungen der Beitrittskonferenz auf Ministerebene mit Montenegro statt.
Nordmazedonien ist seit 2005 Beitrittskandidat (damals noch als Republik Mazedonien).
Besonders Nordmazedonien bemüht sich seit Jahren, alle EU-Vorgaben umzusetzen. Sogar der Name des Staates wurde geändert, von Mazedonien zu Nordmazedonien, da Griechenland die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen von einer Lösung im Namensstreit abhängig macht.
Und trotzdem sperrt sich die EU weiter gegen Beitrittsverhandlungen. Denn Bulgarien legte 2020 ein Veto, welches in einem Streit zwischen den Nachbarstaaten ausartete: Nordmazedonien äusserte die Anschuldigung, dass Bulgarien mit der Blockade auf die Nichtanerkennung der mazedonischen Identität und Sprache abziele.
Peter Balzli vom SRF sagt: «Sie (die Minister Nordmazedoniens, Anmerkung der Redaktion) fühlen sich auf der ganzen Linie betrogen.»
Erst in den letzten Tagen kam Bewegung in die Sache: Der bulgarische Ministerpräsident Bojko Borissow war am Mittwoch vor die Presse getreten und hatte verkündet, dass die grösste Fraktion der Opposition im bulgarischen Parlament bereit sei, für eine Aufhebung des Einwands zu stimmen.
Serbien ist seit 2012 Beitrittskandidat. Beitrittsverhandlungen wurden 2014 aufgenommen. Eine wichtige Forderung der EU für einen definitiven Beitritt ist, dass Vereinbarungen zur Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo intensiviert würden.
Serbien zeigt seine ausgeschöpfte Geduld mit der EU jedoch gerade im Ukraine-Krieg deutlich: Der Präsident des Landes, Aleksandar Vučić, der intensive Beziehungen pflegt mit China und Russland, trägt die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mit.
Kosovo wird von der EU regelrecht stiefmütterlich behandelt: Bereits 2008 wurden mit allen Staaten des westlichen Balkans Visumserleichterungsabkommen vereinbart. Ausser mit Kosovo – das sich aber erst im Februar desselben Landes für unabhängig erklärt hatte.
Kosovo ist bis heute der einzige Balkanstaat, der noch keinen EU-Beitrittsantrag gestellt hat – gilt aber aufgrund der «europäische Perspektive» trotzdem als potenzieller Beitrittskandidat.
Ob die Balkanländer oder die Ukraine aber überhaupt jemals definitiv aufgenommen werden – oder ob der Beitrittsstatus einfach eine symbolische Geste bleibt – kann nicht prophezeit werden. Sicher ist: die Diskussionen gehen weiter.
Und so beraten heute, Donnerstag, die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in Brüssel mit den Westbalkanstaaten über eine weitere Annäherung. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sagte, Länder wie Nordmazedonien und Albanien warteten seit fast 20 Jahren auf eine Aufnahme in die Europäische Union. «Aus meiner Sicht ist es von allergrösster Bedeutung, dass das jetzt ein glaubwürdiges Versprechen wird.»
Die Vertreter der Westbalkan-Staaten hielten mit ihrer Enttäuschung nicht hinter dem Berg: Sie zeigten sich in Brüssel frustriert über den fehlenden Fortschritt.
(yam, mit Material der sda)
Im Korruptionsindex liegt die Ukraine übrigens deutlich hinter allen Ländern des Westbalkans inkl. der dysfunktionalen Gebilde Bosnien & Herzegowina und Kosovo! Auch im "Freedom Index" rangiert die Ukraine hinter all diesen Ländern.
Ich würde so ein Land nicht in meiner Gemeinschaft haben wollen.
Oder nicht mal Kritik. Ich wollte sagen, dass ich es toll finde, dass es viele neue alkoholfreie Drinks gibt. Mein Cousin: "Willst du damit sagen Ich trinke zu viel? Ist das ein Problem für dich?"🤦♂️
In dieser Kultur... und das gilt von Kroatien bis runter in die Türkei... wird einfach alls auf sich selbst bezogen. Wie will man da sachlich diskutieren?