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Kantonale Mindestlöhne sind in grosser Gefahr

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Arbeitnehmende im Tieflohnsektor müssen in fünf Kantonen mit Lohneinbussen rechnen.Bild: KEYSTONE

Nationalrat übersteuert vom Volk gutgeheissene Mindestlöhne

17.06.2025, 10:2117.06.2025, 11:38
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Arbeitnehmende in den fünf Kantonen mit vom Volk gutgeheissenen Mindestlöhnen müssen eventuell mit Lohnverlusten rechnen. Der Nationalrat hat am Dienstag mit 109 zu 76 Stimmen die kantonalen Löhne allgemein verbindlichen Gesamtarbeitsverträgen unterstellt.

Der Bundesrat hatte das Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) gegen seinen Willen aufgrund einer Motion von Ständerat Erich Ettlin (Mitte/OW) geändert. Bundesrat Guy Parmelin plädierte eindringlich dafür, nicht auf die Vorlage einzutreten.

Sie sei verfassungswidrig, indem sie in die Kompetenz der Kantone zur Gestaltung ihrer Sozialpolitik eingreife. Privatrechtliche Verträge - und das seien GAV - würden über kantonale Gesetze und legitim gefasste Volksentscheide gestellt.

In der Debatte lobte die bürgerliche Ratsseite die Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften. Mit den kantonalen Mindestlöhnen entstehe ein Flickenteppich und die GAV würden mit kantonal höheren Mindestlöhnen unterlaufen.

Druck auf Sozialpartner

Thomas Burgherr (SVP/AG) sagte für die Kommissionsmehrheit, kantonale Mindestlöhne würden die Sozialpartnerschaft einseitig unter Druck setzen. Die Schweiz sei ein einheitlicher Wirtschaftsraum, was auch für Lohnregelungen gelten sollte.

Die Sozialpartner könnten bei den GAV-Löhnen durchaus über kantonal festgelegte Beträge hinausgehen und dies auf Antrag durch den Bundesrat für allgemein verbindlich erklären lassen. So würden diese landesweit gelten. Marcel Dobler (FDP/SG) erklärte, Mindestlöhne seien Arbeitsplatzvernichter und behinderten den Berufseinstieg.

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Marcel Dobler (FDP) setzte sich gegen die kantonalen Mindestlöhne ein.Bild: keystone

Die Vorlage stärke die GAV und damit die Sozialpartnerschaft, sagte Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS). Durch den Beschluss entstehe zwar ein Spannungsfeld zwischen Demokratie und Sozialpartnerschaft. Es sei aber verfassungsmässig und entspreche dem Normengeflecht, dass das Parlament hier befinden könne. Es entscheide nicht über Volksentscheide, setze aber Schranken.

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Philipp Matthias Bregy, Fraktionspräsident der Mitte, hält die Vorlage für verfassungskonform.Bild: keystone

Links-grün verwies auf die Volkssouveränität, die Verfassung, den Föderalismus und ein Bundesgerichtsurteil. Die Vorlage sei eine Attacke auf die direkte Demokratie. Die Armutsbekämpfung sei gemäss Verfassung eine Aufgabe der Kantone, was das Bundesgericht bei den Mindestlöhnen Neuenburgs bestätigt hatte.

Von einem Angriff auf die Armutsbekämpfung sprach Céline Widmer (SP/ZH). Löhne könnten nicht nur auf nationaler Ebene geregelt werden. Ob sie zum Leben reichten, hänge auch von regionalen Gegebenheiten ab. Letztlich würden solche regionalen Mindestlöhne auch gleich lange Spiesse zwischen ehrlichen Arbeitgebern und Ausbeutern schaffen. Die Vorlage geht an den Ständerat.

Celine Widmer, SP-ZH, spricht zur Debatte um den Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission PUK zur Krise der Credit Suisse, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag ...
Céline Widmer (SP) kritisiert die Motion als Angriff auf die Armutsbekämpfung.Bild: keystone

Verträge contra Volksentscheid

Alle Kantone - mit Ausnahme Obwaldens - und jede Gewerkschaft - immerhin die Hälfte der Sozialpartnerschaft - hätten sich in der Vernehmlassung gegen die Vorlage ausgesprochen. Letztlich seien GAV privatrechtliche Verträge und könnten rechtshierarchisch nicht über Volksentscheiden stehen.

SP-Copräsident Cédric Wermuth bezeichnete das Gesetz als einen «parlamentarischer Putsch gegen die Lohnabhängigen». Es zeige, dass ein Volksentscheid nur gelte, wenn er der bürgerlichen Mehrheit passe. Die Vorlage geht an den Ständerat.

Cedric Wermuth, SP-AG, spricht an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 4. Juni 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Til Buergy)
Cédric Wermuth (SP) droht bereits mit einem Referendum: «Wir werden dieses unsoziale und undemokratische Gesetz mit aller Kraft bekämpfen.»Bild: keystone

Bisher hiessen die Stimmberechtigten in den fünf Kantonen Basel-Stadt, Genf, Neuenburg, Jura und Tessin kantonale Mindestlöhne gut. Einzig in Genf und Neuenburg richten sie sich nicht nach den GAV. Die Stadtbevölkerungen von Zürich und Winterthur sprachen sich mit Mehrheiten von über zwei Dritteln für lokale Mindestlöhne aus. Diese hob das Verwaltungsgericht auf. (sda)

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228 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Marco (6)
17.06.2025 10:27registriert Juli 2022
Und schon wieder macht die Politik wieder was fürs Volk. Tolle Politiker die wir haben.
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Beyeler
17.06.2025 10:31registriert Oktober 2016
Die gleichen Fraktionen welche diesen Enstcheid zu verwantworten haben, haben in letzter Zeut sehr oft gejammert, dass unsere direkte Demokratie untergraben wird und das Volk umgangen wird. Cherry-picking vom feinsten.

Und um etwas Zynismus reinzubringen: "Wenn der klügere meist nachgibt, wer sitzt dann bei uns im Parlament?" :)
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Methylphenidate ftw
17.06.2025 10:38registriert Oktober 2022
Ich würde jetzt ganz spontan mal darauf tippen, dass die Stimmen für diesen Entscheid überwiegend aus der Ecke stammen, die sonst Volksentscheide über alles stellen will.
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    Nationalrat übersteuert vom Volk gutgeheissene Mindestlöhne

    Arbeitnehmende in den fünf Kantonen mit vom Volk gutgeheissenen Mindestlöhnen müssen eventuell mit Lohnverlusten rechnen. Der Nationalrat hat am Dienstag mit 109 zu 76 Stimmen die kantonalen Löhne allgemein verbindlichen Gesamtarbeitsverträgen unterstellt.

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