Bei Twitter geht das Köpferollen munter weiter. Am Dienstag wurden gegen zwei Dutzend Angestellte entlassen, die Elon Musk in internen Firmenchats oder öffentlich auf Twitter kritisiert hatten. Dies berichten die «New York Times» und andere US-Medien übereinstimmend. Tech-Milliardär Musk, der die Plattform vor drei Wochen für rund 44 Milliarden Dollar gekauft hatte, bestätigte die Kündigungen indirekt mit einem spöttischen Tweet über die Ex-Angestellten. «Ich möchte mich dafür entschuldigen, diese Genies gefeuert zu haben.»
In einem anderen Tweet machte er sich über eine ehemalige Mitarbeiterin lustig, indem er behauptete, die Twitter-Posts der Software-Entwicklerin über ihn seien durch «einen tragischen Fall von Tourette bei Erwachsenen» verursacht worden.
Von den neusten Kündigungen betroffen sind laut US-Medien nicht nur Angestellte, die Musk auf Twitter öffentlich widersprachen. Offenbar reichte es auch, sich firmenintern kritisch zu äussern oder einen kritischen Tweet zu teilen.
Laut «New York Times» wurde ein Team von Musk beauftragt, in firmeninternen Chats Ausschau nach Angestellten zu halten, die sich aufmüpfig äussern. Musks Team soll auch die Tweets der Angestellten nach Kritik am neuen Chef durchforsten und Listen mit Namen erstellen, die nicht auf seiner Linie sind. Die ausfindig gemachten wurden am Dienstag per sofort entlassen. Die Kündigungs-E-Mails liegen der NYT vor und wurden teils auf Twitter veröffentlicht. In den E-Mails wird als Entlassungsgrund «Verstoss gegen die Unternehmensrichtlinien» angegeben.
In diesem Kontext sei wichtig zu verstehen, dass Twitter seit Langem eine Kultur des internen Dissens pflegte, schreibt der US-Tech-Journalist Casey Newton, der das Chaos bei Twitter eng verfolgt. Er und andere US-Medien berichten unter Berufung auf Twitter-Angestellte, dass es vor Musks Zeit zur Unternehmenskultur gehört habe, dass man Vorgesetzte in internen Chats oder E-Mails kritisieren durfte, solange die Kritik nur intern geäussert wurde.
«Seit Elon die Leitung übernommen hat, habe sich der interne Verhaltenskodex nicht geändert», schreibt Newton. Dass man für interne Kritik entlassen werde, komme daher «aus heiterem Himmel». Mitarbeiter hätten ihm berichtet, «dass bisher etwa 20 Personen wegen ihrer Slack-Beiträge entlassen wurden», also aufgrund ihrer Äusserungen in internen Mitarbeiterchats.
Musk hat den verbliebenen Twitter-Mitarbeitern in einer mitternächtlichen E-Mail ein Ultimatum gestellt: Entweder sie verpflichten sich zu einer «extremen Hardcore»-Kultur bei Twitter oder sie werden mit einer dreimonatigen Abfindung entlassen.
Die «Washington Post» berichtete am Mittwoch, dass Musk die Twitter-Mitarbeiter aufgefordert habe, bis am Donnerstagabend (Lokalzeit) ein Online-Formular zu unterschreiben, in dem sie sich zu «langen Arbeitszeiten mit hoher Intensität» verpflichten. «Nur aussergewöhnliche Leistungen werden mit der Note bestanden bewertet», heisst es in der Nachricht an die Belegschaft, die der «Washington Post» vorliegt.
Musk will die verbliebenen Angestellten zudem mit der Aussicht auf Aktien zu Höchstleistungen antreiben. In einem Brief, der von der NYT eingesehen wurde, schrieb er am Montag, dass «aussergewöhnliche Mengen an Aktien für aussergewöhnliche Leistungen zugeteilt werden».
Vor den jüngsten Entlassungen hatte Twitter geschätzt die Hälfte der zuvor gut 7000 festangestellten Mitarbeiter und zuletzt rund 5000 Leiharbeiter fristlos vor die Tür gesetzt. Letztere arbeiten primär als Inhalte-Moderatoren und Daten-Analysten.
Eine entlassene Daten-Analystin sagte der NYT, sie habe am Sonntag unvermittelt den Zugang zu Twitters internem System verloren. Zudem sei ihre Firmen-E-Mail deaktiviert worden. Stunden später wurde sie per E-Mail informiert, dass der nächste Tag ihr letzter Arbeitstag sei. Als vertraglich befristete Mitarbeiterin erhalte sie keine Abfindung. «Ich habe Angst, dass ich nicht in der Lage sein werde, die Miete zu zahlen oder meine Kinder zu versorgen», sagte sie der NYT.
Die EU will Twitter laut «Financial Times» verstärkt unter die Lupe nehmen. Brüssel befürchtet vermehrt Probleme mit Fake-Profilen und Fake-News, wenn Twitter Tausende Kontraktarbeiter entlässt, die darauf spezialisiert sind, politische Falschinformationen aufzuspüren. Twitter sei daher auf «Kollisionskurs» mit der EU.
Brüssel kann Twitter im Extremfall in Europa verbieten oder regelmässig büssen, bis sich das Unternehmen an das neue EU-Gesetz gegen Hassrede, Desinformation und Kriegspropaganda hält.
Die neusten Entlassungen folgen auf einen Tweet, in dem Musk am Sonntag schrieb, Twitter sei «super langsam in vielen Ländern», weil die App zu viele Server-Anfragen mache. Ein langjähriger App-Entwickler bei Twitter antwortete Musk, dass seine Begründung «falsch» sei. Musk forderte ihn daraufhin auf, ihn zu korrigieren und fragte öffentlich: «Twitter ist superlangsam auf Android. Was hast du dagegen gemacht?»
Der App-Entwickler begründete seinen Widerspruch und erläuterte mehrere andere Ursachen für Performance-Probleme. In der Folge tauschten die beiden öffentlich mehrere Nachrichten über technische Details aus und der Software-Entwickler korrigierte Musk mehrmals.
Am Montag twitterte Musk, dass der App-Entwickler gefeuert worden sei. Später löscht er den Tweet.
Der App-Entwickler bestätigte seinen Rauswurf ebenfalls auf Twitter. Er habe bis zu Musks Entlassungs-Tweet keine formelle Mitteilung über seine plötzliche Entlassung erhalten. Rund fünf Stunden nach dem Tweet habe ihn sein Firmenlaptop automatisch ausgeloggt und er könne sich nicht mehr anmelden, sagte er am Montag gegenüber dem Wirtschaftsportal Forbes.
Falls Musk bei der Diskussion mit dem App-Entwickler wirklich falsch lag, wäre es nicht das erste Mal gewesen. So schrieb er etwa am Sonntag, dass Twitter mit Abstand am meisten Besucher auf andere Webseiten bringe. Twitters eigenes Faktencheck-Tool macht darauf aufmerksam, dass Facebook weit mehr Besucher auf andere Webseiten spült.
Laut CNN führt Musk Twitter aktuell mithilfe seiner Freunde Jason Calacanis und David Sacks, seines persönlichen Anwalts Alex Spiro und mehrerer Software-Ingenieure, die er von einigen seiner anderen Unternehmen, darunter Tesla, abgezogen habe.
Twitter, das keine Kommunikationsabteilung mehr hat, sagt zu all dem nichts.
Da gibts auch nichts mehr zu sagen, die Fakten sprechen für sich. Da ist jeder Entwickler blöd der sich diesem Sklaventreiber noch unterwirft, egal für wieviel Aktien oder Bares.