Die Europäischen Union (EU) führt eines der weltweit weitreichendsten Gesetze ein, um die Macht der amerikanischen Techgiganten einzudämmen.
Apple, Facebook, Google und Co. müssen in der EU künftig deutlich strengere Regeln einhalten. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments haben sich am Donnerstag in Brüssel auf ein entsprechendes Gesetz geeinigt.
Das neue Gesetz betrifft unter anderem die App-Stores, die Online-Werbung, E-Commerce, Messaging-Dienste und andere alltägliche digitale Tools. Laut Berichten werden die Anbieter zu grundlegenden Änderungen gezwungen.
Das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) soll die Marktmacht der Internetriesen innerhalb der EU eindämmen und für faireren Wettbewerb sorgen. Konsumentinnen und Konsumenten sollen dadurch mehr Wahlfreiheit bei Online-Angeboten bekommen.
Der DMA ist Teil eines grossen Digital-Pakets, das die EU-Kommission im Dezember 2020 vorgestellt hatte. Der zweite Teil ist das Gesetz über Dienste (Digital Services Act, DSA), über das Parlament und EU-Staaten noch verhandeln. Der DSA befasst sich mit gesellschaftlichen Aspekten wie Hassrede oder gefälschten Produkten (siehe unten).
Zuletzt hat die EU sich Anfang des Jahrtausends umfassende Regeln fürs Internet gegeben. Heutzutage wird immer wieder beklagt, das Internet sei ein rechtsfreier Raum und es sei schwierig, bestehende Regeln durchzusetzen. So konnte das Wettbewerbsrecht aus der analogen Welt die schnelle Konzentration von Nutzern und Marktmacht bei wenigen Digitalkonzernen bislang nicht verhindern.
Der DMA zielt auf bestimmte Unternehmen, die für gewerbliche Nutzer ein wichtiges Zugangstor zum Endverbraucher sind. Zunächst dürften vor allem die US-Unternehmen Google, Amazon, Facebook und Apple betroffen sein. Diese sogenannten Gatekeeper müssen künftig bestimmte Ver- und Gebote beachten. Bei Verstössen drohen ihnen heftige Sanktionen – bis hin zur Aufspaltung der Unternehmen.
Apple und Google, die mit iOS (iPhone) und Android die beiden führenden mobilen Betriebssysteme anbieten, die auf praktisch jedem Smartphone laufen, müssen in Europa ihren Griff lockern, wie die «New York Times» schreibt.
Apple muss Alternativen zu seinem App Store zum Installieren von Apps zulassen: Eine Änderung, vor der das Unternehmen gewarnt und betont hatte, eine solche Lockerung würde die Sicherheit der Plattform beeinträchtigen.
Das neue EU-Gesetz werde es Unternehmen wie Spotify und Epic Games auch erlauben, andere Zahlungsmethoden als die von Apple im App Store zu verwenden.
Den Gatekeepern soll für ihre zentralen Dienste unter anderem verboten werden, eigene Produkte und Angebote bevorzugt gegenüber denen der Konkurrenz zu behandeln.
Amazon werde es untersagt, von externen Verkäufern gesammelte Daten für seine eigenen Dienste zu verwenden, um konkurrierende Produkte anzubieten.
Nutzer sollen vorinstallierte Apps häufiger löschen können.
Auch sollen die Konsumentinnen und Konsumenten einen Dienst nutzen können, ohne der Datenbündelung über alle Angebote eines Gatekeepers hinweg zustimmen zu müssen.
Das neue EU-Gesetz werde auch zu grossen Änderungen für Messaging-Apps führen, schreibt die «New York Times»:
Sehr wichtig aus Konsumentensicht, und auch sehr einschneidend für US-Techgiganten und die ganze Branche.
Die «New York Times» kommentiert:
Europas Schritte stünden «im Gegensatz zu der mangelnden Aktivität in den Vereinigten Staaten», hält die US-Zeitung in einer aktuellen Einschätzung fest. Während Republikaner und Demokraten in den letzten Jahren mehrere hochkarätige Anhörungen im Kongress abhielten, um Meta, Twitter und andere unter die Lupe zu nehmen, und US-Regulierungsbehörden Kartellverfahren gegen Google und Meta eingereicht hätten, seien keine neuen US-Gesetze verabschiedet worden gegen die ungebremste Macht der Techkonzerne.
Die Auswirkungen für die hiesigen Konsumentinnen und Konsumenten sind noch nicht abschätzbar, dürften aber ebenfalls immens sein. Grosse US-Techkonzerne haben in der Vergangenheit nicht unterschieden zwischen Usern aus EU-Staaten und dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz. Zudem übernimmt die Schweiz häufig automatisch europäisches Recht.
Sicher ist, dass sich Schweizer Unternehmen, die im europäischen Digitalmarkt tätig sein wollen, ebenfalls an die strengeren Regulierungen der EU halten müssen.
Meta, Microsoft und Amazon lehnten laut «New York Times» eine Stellungnahme ab. Google und Apple hätten nicht auf Anfragen nach Kommentaren reagiert.
In den vergangenen Jahren hatten die US-Techkonzerne in Brüssel massiv gegen strengere europäische Gesetze und die Eindämmung ihrer Marktmacht lobbyiert.
Bei Twitter wurden in der Nacht auf Freitag Befürchtungen geäussert, die EU-Kommission wolle mit der neuen Gesetzgebung die abhörsichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Messenger-Diensten umgehen.
(dsc/sda/dpa)
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