Am vergangenen Dienstag erreichte watson ein ungewöhnlicher Veranstaltungshinweis: Das Internet-Kollektiv NAFO protestiere in Bern gegen den russischen Angriffskrieg.
Ungewöhnlich deshalb, weil die «Fellas», wie sich die NAFO-Mitglieder untereinander nennen, normalerweise vor ihren Bildschirmen gegen russische Propaganda und Desinformation kämpfen. Doch nun gehen sie gemeinsam raus.
Weltweit wollen am Samstag Anhänger der North Atlantic Fella Organisation vor russischen Botschaften gegen den von Putin verschuldeten Krieg in der Ukraine demonstrieren.
Auch im Berner Botschaftsviertel soll das stattfinden, obwohl die städtische Sicherheitsdirektion in der Vergangenheit relativ erfolgreich versucht hat, politische Kundgebungen direkt vor diplomatischen Vertretungen zu verhindern.
watson hat bei den Organisatoren von «NAFO Switzerland», die ungenannt bleiben möchten, nachgefragt.
Dieser Termin wurde «von einem Fella aus Grossbritannien» im September auf X (Twitter) vorgeschlagen, wie die Schweizer Organisatoren per Mail erklären. Ziel sei es, dass an diesem Tag weltweit Menschen vor russischen Botschaften demonstrieren. Für den Initianten sei es wichtig gewesen, dass der Aktionstag noch vor Weihnachten stattfinde.
Tatsächlich finden sich bei X Postings, in denen Sympathisantinnen und Sympathisanten erklären, dass sie in diversen Städten in Europa, Amerika und Asien Demos organisieren. Und bei YouTube wurde extra ein Kanal eingerichtet, um Videos von den Kundgebungen zu teilen.
Die Organisatoren der Kundgebung in Bern, gemäss eigenen Angaben ein Team von rund einem halben Dutzend Personen, haben sich bei NAFO-Aktivitäten im Internet kennengelernt. Sie betonen, dass es sich um eine bewilligte Kundgebung handle. Somit könnten alle Interessierten sicher teilnehmen und müssten nicht mit Problemen rechnen.
Was ihre Motivation betrifft, heisst es:
Sie hätten bereits sehr viele Reaktionen aus allen Teilen der Schweiz erhalten, teilen die Organisatoren watson mit. Daher wüssten sie, «dass weitaus mehr als 50 Menschen teilnehmen werden». Es habe aber auch Versuche von Kreml-Sympathisanten gegeben, diejenige Person einzuschüchtern, die die Bewilligung für die Kundgebung beantragte.
Danach sieht es nicht aus.
Anfragen von watson bei der Berner Stadtverwaltung und der Kantonspolizei wurden ausweichend beantwortet. Ob vor einer Botschaft eine Kundgebung stattfinden könne oder dürfe, werde «jeweils einzelfallbezogen beurteilt», erklärte Norbert Esseiva, Leiter Orts- und Gewerbepolizei. Bezüglich «Sicherheitsabklärungen» müsse er den anfragenden Journalisten an die Kantonspolizei verweisen. Dort wiederum hiess es, für die Bewilligung sei die Stadt Bern zuständig.
Die Stadt Bern habe noch nie eine Demonstration vor der russischen Botschaft bewilligt, schreibt uns NAFO Switzerland. Die Liegenschaft werde jeweils so abgeriegelt, dass die Kundgebung von der Botschaft aus nicht zu sehen sei.
Darum sei der Treffpunkt für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von den Verantwortlichen der Stadt Bern wohl «oben an den Brunnadernrain» verlegt worden.
Ein Mitorganisator erklärt:
Und weiter:
Im vergangenen Frühjahr hatte die «Berner Zeitung» berichtet, dass die Berner Sicherheitsbehörden das städtische Kundgebungsreglement dazu benutzten, «um unangenehme Situationen vor Botschaften zu verhindern».
Damals wollten sechs Mitglieder von Amnesty International Schweiz dem russischen Botschafter eine Petition mit 15’000 Unterschriften überreichen. Gefordert wurde der sofortige Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine.
Die Übergabe konnte nicht stattfinden. Lisa Salza, Kampagnenleiterin von Amnesty International Schweiz, sagte, dass sie persönlich vor der geplanten Übergabe sowohl den russischen Botschafter als auch die Kantonspolizei kontaktiert habe. Dennoch sei kurz nach Eintreffen der Amnesty-Delegation der Botschaftsschutz der Polizei aufgefahren. Und die Organisatorin wurde mit 300 Franken gebüsst.
Die städtische Sicherheitsdirektion verteidigte die Vorgehensweise laut Bericht. Die Praxis, nur Delegationen von wenigen Personen vor ausländischen Botschaften zuzulassen, sei in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dem Bundessicherheitsdienst und der Kantonspolizei entwickelt worden.
Ebenfalls im Frühjahr wurde bekannt, dass die Kantonspolizei eine Sicherheitszone bei der russischen Botschaft einrichte, inklusive einer schwarzen Sichtschutzwand, und private Sicherheitsleute und die Armee einsetzen wolle. Dies führte auch zu Bedenken seitens der Anwohnerschaft.
Der Leiter der Orts- und Gewerbepolizei sagt nun:
Ob das für seine friedlichen Online-Aktionen bekannte Internet-Kollektiv am Samstag überhaupt im Diplomatenviertel protestieren kann, wird sich also erst zeigen.
Gar nichts.
Die Berner Stadtregierung will bis Ende Jahr keine weiteren Grosskundgebungen und Umzüge mehr in der Innenstadt bewilligen, wie diese Woche kommuniziert wurde.
Zur Begründung wurden «sicherheitsrelevante Überlegungen» angeführt. Die öffentlichen Plätze seien bereits stark genutzt und es stünden zahlreiche Events noch bevor.
Kleinere Kundgebungen, wie etwa Mahnwachen, könnten im Zentrum der Hauptstadt nach wie vor bewilligt werden, hiess es weiter. Auch auf dem restlichen Stadtgebiet seien Demonstrationen weiterhin möglich.
Und warum musste die Organisatorin überhaupt 300.- Busse bezahlen?
Fühlte sich der Botschafter oder etwa Bern/CH bedroht von den 15‘000 Unterschriften?
Es ist auf jeden Fall ein sehr merkwürdiges Verhalten von Bern/CH.
Russland kann ja aus der Schweiz verschwinden, wenn es ihnen hier ein zu heisses Pflaster ist.
Und alle die ihnen nachtrauern würden, können sie auch gleich einpacken!