Digital
Schweiz

NAFO ruft zu Pro-Ukraine-Demo vor russischer Botschaft in Bern auf

Blick auf die Russische Botschaft, am Donnerstag, 20. April 2023, in Bern. Die Botschaft wurde rundum mit einem schwarzen Sichtschutz ausgestattet. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Blick auf die russische Botschaft in Bern, im April 2023, mit Stacheldraht und Sichtschutz.Bild: KEYSTONE

NAFO ruft zu Demo vor russischer Botschaft in Bern auf – doch es gibt einen Haken

Mitglieder des Internet-Kollektivs, das mit frechen Memes für die Ukraine kämpft, gehen am 11. 11. weltweit auf die Strasse. Was die Kundgebung in der Schweizer «Hauptstadt» betrifft, gibt es Fragen.
10.11.2023, 18:1610.11.2023, 20:10
Mehr «Digital»

Am vergangenen Dienstag erreichte watson ein ungewöhnlicher Veranstaltungshinweis: Das Internet-Kollektiv NAFO protestiere in Bern gegen den russischen Angriffskrieg.

Ungewöhnlich deshalb, weil die «Fellas», wie sich die NAFO-Mitglieder untereinander nennen, normalerweise vor ihren Bildschirmen gegen russische Propaganda und Desinformation kämpfen. Doch nun gehen sie gemeinsam raus.

Weltweit wollen am Samstag Anhänger der North Atlantic Fella Organisation vor russischen Botschaften gegen den von Putin verschuldeten Krieg in der Ukraine demonstrieren.

Auch im Berner Botschaftsviertel soll das stattfinden, obwohl die städtische Sicherheitsdirektion in der Vergangenheit relativ erfolgreich versucht hat, politische Kundgebungen direkt vor diplomatischen Vertretungen zu verhindern.

watson hat bei den Organisatoren von «NAFO Switzerland», die ungenannt bleiben möchten, nachgefragt.

Warum am 11. 11.?

Dieser Termin wurde «von einem Fella aus Grossbritannien» im September auf X (Twitter) vorgeschlagen, wie die Schweizer Organisatoren per Mail erklären. Ziel sei es, dass an diesem Tag weltweit Menschen vor russischen Botschaften demonstrieren. Für den Initianten sei es wichtig gewesen, dass der Aktionstag noch vor Weihnachten stattfinde.

Tatsächlich finden sich bei X Postings, in denen Sympathisantinnen und Sympathisanten erklären, dass sie in diversen Städten in Europa, Amerika und Asien Demos organisieren. Und bei YouTube wurde extra ein Kanal eingerichtet, um Videos von den Kundgebungen zu teilen.

Ankündigung einer Pro-Ukraine-Demonstration der NAFO vor der russischen Botschaft in Bern.
«Russia Is A Terrorist State» – die Polizei habe aus rechtlichen Gründen abgeraten, die Veranstaltung unter diesem Namen zu beantragen, sagen die Organisatoren.Screenshot: facebook.com

Ist das sicher?

Die Organisatoren der Kundgebung in Bern, gemäss eigenen Angaben ein Team von rund einem halben Dutzend Personen, haben sich bei NAFO-Aktivitäten im Internet kennengelernt. Sie betonen, dass es sich um eine bewilligte Kundgebung handle. Somit könnten alle Interessierten sicher teilnehmen und müssten nicht mit Problemen rechnen.

Was ihre Motivation betrifft, heisst es:

«Wichtig ist für uns zu zeigen, dass nach fast zwei Jahren Krieg die Unterstützung für die Ukraine nicht nachgelassen hat. Ausserdem fordern wir vom Bund härtere Sanktionen gegenüber Russland und eine bessere Unterstützung für die Ukraine. Sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich.»

Sie hätten bereits sehr viele Reaktionen aus allen Teilen der Schweiz erhalten, teilen die Organisatoren watson mit. Daher wüssten sie, «dass weitaus mehr als 50 Menschen teilnehmen werden». Es habe aber auch Versuche von Kreml-Sympathisanten gegeben, diejenige Person einzuschüchtern, die die Bewilligung für die Kundgebung beantragte.

Darf direkt vor der russischen Botschaft protestiert werden?

Danach sieht es nicht aus.

Anfragen von watson bei der Berner Stadtverwaltung und der Kantonspolizei wurden ausweichend beantwortet. Ob vor einer Botschaft eine Kundgebung stattfinden könne oder dürfe, werde «jeweils einzelfallbezogen beurteilt», erklärte Norbert Esseiva, Leiter Orts- und Gewerbepolizei. Bezüglich «Sicherheitsabklärungen» müsse er den anfragenden Journalisten an die Kantonspolizei verweisen. Dort wiederum hiess es, für die Bewilligung sei die Stadt Bern zuständig.

Die Stadt Bern habe noch nie eine Demonstration vor der russischen Botschaft bewilligt, schreibt uns NAFO Switzerland. Die Liegenschaft werde jeweils so abgeriegelt, dass die Kundgebung von der Botschaft aus nicht zu sehen sei.

Darum sei der Treffpunkt für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von den Verantwortlichen der Stadt Bern wohl «oben an den Brunnadernrain» verlegt worden.

Brunnadernrain, Stadt Bern.
Screenshot: Google Maps

Ein Mitorganisator erklärt:

«Der Treffpunkt wurde von der Polizei auf 14.00 Uhr an der Kreuzung Brunnadernrain/Brunnmattstrasse festgelegt. Dort werde uns ein Platz in der Nähe der Botschaft zugewiesen. Wir hoffen, dass wir nahe vor die russische Botschaft gelassen werden. Ein Umzug wurde uns nicht bewilligt.»

Und weiter:

«Wir werden ausser Sichtweite der Botschaft geleitet werden. Das wird uns aber im Vorfeld nicht so gesagt. Die Frustration wird bei der ukrainischen Gemeinschaft, den Schweizer Unterstützern und bei den Anwohnern der Botschaft erneut gross sein.»

Warum steht die Stadt Bern in der Kritik?

Im vergangenen Frühjahr hatte die «Berner Zeitung» berichtet, dass die Berner Sicherheitsbehörden das städtische Kundgebungsreglement dazu benutzten, «um unangenehme Situationen vor Botschaften zu verhindern».

Damals wollten sechs Mitglieder von Amnesty International Schweiz dem russischen Botschafter eine Petition mit 15’000 Unterschriften überreichen. Gefordert wurde der sofortige Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine.

Die Übergabe konnte nicht stattfinden. Lisa Salza, Kampagnenleiterin von Amnesty International Schweiz, sagte, dass sie persönlich vor der geplanten Übergabe sowohl den russischen Botschafter als auch die Kantonspolizei kontaktiert habe. Dennoch sei kurz nach Eintreffen der Amnesty-Delegation der Botschaftsschutz der Polizei aufgefahren. Und die Organisatorin wurde mit 300 Franken gebüsst.

«Wir nehmen dieses Vorgehen als völlig willkürlich und unverhältnismässig wahr. Offenbar versuchen die Berner Behörden, friedliche Versammlungen in Sicht- und Hörweite von Botschaftsgebäuden möglichst zu verhindern.»
Lisa Salza, Amnesty International Schweiz

Die städtische Sicherheitsdirektion verteidigte die Vorgehensweise laut Bericht. Die Praxis, nur Delegationen von wenigen Personen vor ausländischen Botschaften zuzulassen, sei in Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), dem Bundessicherheitsdienst und der Kantonspolizei entwickelt worden.

Ebenfalls im Frühjahr wurde bekannt, dass die Kantonspolizei eine Sicherheitszone bei der russischen Botschaft einrichte, inklusive einer schwarzen Sichtschutzwand, und private Sicherheitsleute und die Armee einsetzen wolle. Dies führte auch zu Bedenken seitens der Anwohnerschaft.

Der Leiter der Orts- und Gewerbepolizei sagt nun:

«Auch bei Platzkundgebungen kann die Polizei aufgrund der Sicherheitslage oder einer übermässigen Anzahl Teilnehmenden die Gruppe anweisen, sich an einen anderen Standort zu verschieben oder es besteht sogar die Möglichkeit, den Anlass abzubrechen.»

Ob das für seine friedlichen Online-Aktionen bekannte Internet-Kollektiv am Samstag überhaupt im Diplomatenviertel protestieren kann, wird sich also erst zeigen.

Was hat das mit Pro-Palästina-Demos zu tun?

Gar nichts.

Die Berner Stadtregierung will bis Ende Jahr keine weiteren Grosskundgebungen und Umzüge mehr in der Innenstadt bewilligen, wie diese Woche kommuniziert wurde.

Zur Begründung wurden «sicherheitsrelevante Überlegungen» angeführt. Die öffentlichen Plätze seien bereits stark genutzt und es stünden zahlreiche Events noch bevor.

Kleinere Kundgebungen, wie etwa Mahnwachen, könnten im Zentrum der Hauptstadt nach wie vor bewilligt werden, hiess es weiter. Auch auf dem restlichen Stadtgebiet seien Demonstrationen weiterhin möglich.

Quellen

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese Bilder zeigen: Der Krieg verschont die Kinder nicht
1 / 17
Diese Bilder zeigen: Der Krieg verschont die Kinder nicht
quelle: keystone / emilio morenatti
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Arnold Schwarzeneggers starke Botschaft gegen Hass und Antisemitismus
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
58 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
P.Rediger
10.11.2023 18:37registriert März 2018
Und wieder mal hat die offizielle Schweiz keine Eier. 🤮
14729
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlaf
10.11.2023 21:04registriert Oktober 2019
Warum konnte Amnasty International mit 6 Personen nicht 15‘000 Unterschriften überreichen, die ein Ende des Krieges von seinem Chefe fordern?

Und warum musste die Organisatorin überhaupt 300.- Busse bezahlen?

Fühlte sich der Botschafter oder etwa Bern/CH bedroht von den 15‘000 Unterschriften?

Es ist auf jeden Fall ein sehr merkwürdiges Verhalten von Bern/CH.
Russland kann ja aus der Schweiz verschwinden, wenn es ihnen hier ein zu heisses Pflaster ist.
Und alle die ihnen nachtrauern würden, können sie auch gleich einpacken!
7811
Melden
Zum Kommentar
avatar
MartinZH
10.11.2023 20:08registriert Mai 2019
Es würde mich sehr freuen, am 11.11. ein paar Watson-User/innen in Bern kennenzulernen. 😉👍
Bild
8028
Melden
Zum Kommentar
58
SNB senkt den Leitzins – aber was wäre eigentlich so schlecht an sinkenden Preisen?
Die Nationalbank senkt den Leitzins abermals, denn die Inflation ist zu schwach. Aber was wäre schlecht an sinkenden Preisen?

Die Schweizerische Nationalbank hat ihren Leitzins heute Donnerstag erneut gesenkt. Dieses Mal gleich um einen halben Prozentpunkt. Damit hat die SNB nun eine äusserst schnelle Zinswende nach unten vollzogen. Zu Jahresbeginn lag der Leitzins bei 1,75 Prozent, jetzt noch bei 0,5 Prozent.

Zur Story