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Apple warnt vor Massenüberwachung – «Chatkontrolle» der EU rückt näher

Ein Sicherheitsbeamter steht im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel.
Sicherheitsbeamte im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel. Noch im September soll eine wichtige Entscheidung zur digitalen Überwachung fallen.Bild: Shutterstock
Analyse

Apple warnt vor Massenüberwachung – «Chatkontrolle» der EU rückt näher

Eine Stellungnahme aus der kalifornischen Firmenzentrale bestätigt, dass auch eine gut gemeinte «On Device»-Überwachung unlösbare Sicherheitsprobleme schaffen würde. Nun fragt sich, was die europäische Politik tut.
01.09.2023, 21:38
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Bekanntlich hat Apple das höchst umstrittene Vorhaben aufgegeben, auf den Geräten der User nach bekanntem Material sexuellen Missbrauchs von Kindern (CSAM) zu suchen, bevor dieses Material in die iCloud hochgeladen wird.

In einem für das als verschwiegen geltende Unternehmen seltenen Schritt hat nun ein hochrangiger Manager eine relativ ausführliche Begründung dazu abgegeben.

Das Schreiben wurde dem US-Magazin «Wired» ausgehändigt. Und es zeigt, dass die massiven Bedenken absolut berechtigt waren. Zahlreiche Akteure aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik, aber auch aus den Medien, hatten befürchtet, dass ein solches Tool unweigerlich missbraucht und ausgenutzt werden könnte, und die Privatsphäre und Sicherheit aller Nutzerinnen und Nutzer gefährden würde.

Es handelt sich um eine schriftliche Stellungnahme zuhanden einer US-Kinderschutzorganisation, die von Apple ein entschiedeneres Handeln im Kampf gegen die Verbreitung der abscheulichen Videos und Bilder gefordert hatte.

Drohende «Massenüberwachung»

Erik Neuenschwander, Apples Direktor für Datenschutz und Kindersicherheit, schreibt, man sei nach der Zusammenarbeit mit einer Reihe von Datenschutz- und Sicherheitsforschern, Gruppen für digitale Rechte und Verfechtern der Kindersicherheit zum Schluss gekommen, dass man mit der Entwicklung eines solchen Scanner-Mechanismus nicht fortfahren könne, auch nicht mit einem, der speziell zum Schutz der Privatsphäre entwickelt worden sei. Denn:

«Das Scannen nach einer Art von Inhalten öffnet beispielsweise die Tür zur Massenüberwachung und könnte den Wunsch wecken, andere verschlüsselte Messaging-Systeme über Inhaltstypen hinweg zu durchsuchen.»
quelle: wired.com

Und auch die Gefahr von verheerenden Hackerangriffen wird mehr oder weniger direkt bestätigt:

«Das Scannen der privat gespeicherten iCloud-Daten eines jeden Nutzers würde neue Angriffspunkte für Datendiebe schaffen, die sie finden und ausnutzen könnten.»

Ist das Thema damit endgültig vom Tisch?

Leider nein.

Die Haltung Apples sei für die Verschlüsselungsdebatte im Allgemeinen von Bedeutung, hält «Wired» fest. Zumal Länder wie Grossbritannien die Verabschiedung von Gesetzen erwägen, nach denen Techkonzerne in Zukunft in der Lage sein müssten, auch auf verschlüsselte Nutzerdaten zuzugreifen, um Anfragen der Strafverfolger nachzukommen.

Und auch in der Europäischen Union (EU) werden höchst umstrittene Massenüberwachungs-Pläne verfolgt. Die EU-Staaten beharrten darauf, massenhaft Kommunikation von Unverdächtigen zu überwachen, berichtete netzpolitik.org diese Woche. Und dies gegen den Rat der eigenen Juristen, die die sogenannte «Chatkontrolle» als illegal bezeichnen.

Die deutsche Regierung ist entschieden gegen das sogenannte Client-Side-Scanning und das Scannen verschlüsselter Kommunikation. Und auch die Justizministerinnen und Justizminister aus der Schweiz, Österreich, Luxemburg und Liechtenstein haben bereits erhebliche Bedenken geäussert.

Wenn es nach den Befürwortern innerhalb der EU geht, soll das Vorhaben noch in diesem Monat durchgepeitscht werden. Es sei aber möglich, dass das vorgeschlagene Gesetz noch scheitere, hält netzpolitik.org fest:

Vier Staaten mit zusammen mindestens 35 Prozent der EU-Bevölkerung können eine Sperrminorität bilden. Wenn sie dagegen stimmen oder sich enthalten, können sie den Vorschlag verhindern. Das ist durchaus realistisch: Polen, die Niederlande, Schweden und Österreich äussern grundsätzliche Kritik.
quelle: netzpolitik.org

Strafverfolgungsbehörden und Politiker rund um den Globus führen immer wieder die CSAM-Problematik ins Feld, um gegen die Verwendung und Ausweitung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu argumentieren.

Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass die vollständige Verschlüsselung ein wichtiges Sicherheitsinstrument zum Schutz der unverzichtbaren Menschenrechte ist. Die Sicherstellung des Kinderschutzes und die Bekämpfung der Pädokriminalität ist mit anderen Mitteln anzugehen.

Der Entscheid, doch keinen «Kinderporno-Scanner» ins Betriebssystem zu integrieren, war im Dezember 2022 von Apple kommuniziert worden. Er löste Erleichterung bei IT-Sicherheitsfachleuten, Datenschützern und Menschenrechtlern aus. Das Projekt, das ursprünglich im August 2021 angekündigt wurde, galt von Anfang an als umstritten. Auch watson hat sich entschieden dagegen ausgesprochen.

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72 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Cmdr_Zod
02.09.2023 01:44registriert Januar 2021
Ich habe den ewigen Kampf der Politik gegen Verschlüsselung und Datensicherheit so satt. Alle paar Jahre wird wieder mit anderen Argumente gegen vertrauenswürdige Kommunikation gewettert, mal ist es der Terrorismus, dann organisierte Kriminalität, aktuell wieder Kinderpornografie.
Wäre interessant zu wissen, ob sich die Entscheidung der Politiker in der Sache ändern würde, wenn dann plötzlich ihre Kommunikation wegen staatlichen Hintertüren öffentlich ist, inklusive komischen Nebeneinkünften und privaten Affären.
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Arthur Philip Dent
02.09.2023 00:30registriert Februar 2016
"Zusammenarbeit mit [...] Verfechtern der Kindersicherheit"

Das ist genau der Punkt. Das Ding tut nicht, wofür es gedacht ist. Der deutsche Kinderschutzbund (https://kinderschutzbund.de/stellungnahme-zur-oeffentlichen-anhoerung-des-ausschusses-fuer-digitales-zur-chatkontrolle-am-mittwoch-1-maerz-2023/) sagt es und auch die Polizei in Holland zB weist darauf hin, dass es nicht an anfangsverdacht mangelt, sondern an Kapazitäten zur Verfolgung (https://debatgemist.tweedekamer.nl/node/29579). Polizei und Kinderschutz argumentieren gegen ein "Kinderschutzgesetz", ist damit nicht alles klar?
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RüdigerBreitenhals
02.09.2023 00:18registriert Juli 2019
Immer wieder Wahnsinnig spannend, wie sich Staaten ermächtigen möchten, extrem in die Privatsphäre von Menschen einzudringen. An intimsten Stellen und ohne jeglichen technischen Hintergrund bestimmen gewisse Leute über Dinge, die unsere Zukunft entscheidend formen. Einfach nur Schauder😰
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