Digital
Analyse

Apple lanciert Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für iCloud-Backup, Fotos

Die in Apple-Rechenzentren gespeicherten iCloud-Daten wie zum Beispiel iPhone-Fotos lassen sich neu mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vor dem Zugriff Dritter schützen.
Die in Apple-Rechenzentren gespeicherten iCloud-Daten wie zum Beispiel iPhone-Fotos lassen sich neu mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vor dem Zugriff Dritter schützen. screenshot: youtube
Analyse

Apple macht die iCloud einbruchsicher – und der Kinderporno-Scanner ist vom Tisch

Apple führt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für den Grossteil seines Online-Speicherdienstes iCloud ein, einschliesslich Backups und Fotos. Das Nachsehen haben Hacker und Strafverfolgungsbehörden.
08.12.2022, 06:2409.12.2022, 07:47
Mehr «Digital»

Apple hat am Mittwoch eine Bombe platzen lassen: Das US-Unternehmen verbessert die Datensicherheit für hunderte Millionen, ja Milliarden User und führt eine weitreichende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für die iCloud ein.

Apple nennt diese zusätzliche Sicherheitsstufe «Advanced Data Protection». Der springende Punkt: Damit wird nicht nur Hackern der Zugriff auf die in Apple-Rechenzentren gespeicherten iCloud-Daten verunmöglicht, sondern auch Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten.

Mit den neuen Sicherheitsvorkehrungen ist Apple technisch nicht mehr in der Lage, Anfragen von staatlichen Ermittlern nachzukommen. Bis anhin wurden iCloud-Backups – die Chatprotokolle und Chat-Anhänge des Apple-eigenen Messenger-Dienstes «Nachrichten» (frühe iMessage genannt) enthalten können, in vielen Strafverfahren verwendet.

«Die Möglichkeit, sich für verschlüsselte iCloud-Backups zu entscheiden, ist ein grosser Gewinn für die User und eine schlechte Nachricht für die Strafverfolgungsbehörden, die gerne iCloud-Backups anforderten, um sich die Mühe zu ersparen, in ein Handy einzubrechen.»
Kommentar bei Twitter

Gut zu wissen für die User: Sie können ihre wertvollen iCloud-Daten wirksam und (bis auf wenige Ausnahmen) umfassend schützen und gleichzeitig ist gewährleistet, dass ein vergessenes Passwort nicht zum Datenverlust führt.

Ausserdem hat Apple am Mittwoch zwei zusätzliche Sicherheitsfunktionen angekündigt: iMessage Contact Key Verification und Security Keys for Apple ID (dazu unten mehr).

Was ist bislang durch Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützt?

Was die bei iCloud gespeicherten User-Daten betrifft, sind laut Apple «14 sensible Datenkategorien standardmässig mit End-to-End-Verschlüsselung geschützt», inklusive Passwörtern im iCloud-Schlüsselbund und Gesundheitsdaten.

Soll heissen: Schon heute werden die Daten auf iPhones und anderen Apple-Geräten verschlüsselt, bevor sie zu den Apple-Servern übertragen oder von dort abgerufen werden. Doch Apple hat einen Schlüssel, der es in Ausnahmesituationen ermöglicht, die Daten wieder zu entschlüsseln. Etwa dann, wenn ein User das Passwort, bzw. den Passcode, vergisst.

Was wird nun zusätzlich geschützt und was nicht?

Für User, die «Advanced Data Protection» aktivieren, steigt laut Apple die Gesamtzahl der durch die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung geschützten «iCloud-Datenkategorien» auf 23, einschliesslich iCloud-Backup, Notizen und Fotos.

Die zusätzliche Sicherheitsstufe muss manuell aktiviert werden durch die User.
Die zusätzliche Sicherheitsstufe muss manuell aktiviert werden durch die User.bild: apple

Die gemäss Apple-Mitteilung «einzigen wichtigen iCloud-Datenkategorien», die nicht abgedeckt werden, sind iCloud Mail, Kontakte und Kalende. Grund: Diese müssten mit globalen E-Mail-, Kontakt- und Kalendersystemen interagieren, was eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verunmöglicht.

Warum killt Apple den umstrittenen «Kinderporno-Scanner»?

Apple hat das höchst umstrittene Vorhaben aufgegeben, auf den Geräten der User nach bekanntem Material sexuellen Missbrauchs von Kindern (CSAM) zu suchen, bevor dieses in die iCloud hochgeladen wird. In einer Stellungnahme gegenüber «Wired» begründet Apple den Sinneswandel damit, «Kinder können geschützt werden, ohne dass Unternehmen personenbezogene Daten durchsuchen».

Der in dieser Woche kommunizierte Entscheid geht mit Apples Ankündigung vom Mittwoch einher, die Ende-zu-Ende-Verschlüsselungsangebote für iCloud erheblich zu erweitern, einschliesslich des Hinzufügens des Schutzes für Backups und Fotos, die im Cloud-Dienst gespeichert sind.

Im August 2021 hatte Apple Pläne für neue Kindersicherheitsfunktionen angekündigt, darunter ein System zur Erkennung bekannter CSAM-Bilder, die bei iCloud (Fotos) gespeichert werden. Nach weltweiten Protesten und Bedenken unabhängiger Organisationen und Fachleute wurde die Einführung des «Kinderporno-Scanners» auf unbestimmte Zeit verschoben. Nun scheint die von Sicherheitsexperten kritisierte «On-Device»-Überwachung definitiv vom Tisch zu sein.

Strafverfolgungsbehörden und Politiker rund um den Globus haben in der Vergangenheit die CSAM-Problematik instrumentalisiert, um gegen die Verwendung und Ausweitung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zu argumentieren. Die Forschung hat jedoch immer wieder gezeigt, dass die vollständige Verschlüsselung ein wichtiges Sicherheitsinstrument zum Schutz der Menschenrechte ist und dass die Nachteile ihrer Implementierung die Vorteile nicht überwiegen.

An einer weiteren Kinderschutz-Funktion hält Apple hingegen fest. Erziehungsberechtigte können (bei Apple-Accounts von Minderjährigen mit Familienfreigabe) die sogenannte «Kommunikationssicherheit» aktivieren. Die Nachrichten-App nutzt dann geräteinternes maschinelles Lernen, um Bildanhänge zu analysieren und festzustellen, ob ein Foto vermutlich Nacktdarstellungen enthält. Die Funktion sei so konzipiert, dass Apple keinen Zugriff auf die Fotos erhält. Und es ergeht auch keine automatisierte Meldung an Dritte.

«Wenn die Nachrichten-App erkennt, dass ein Kind derartige Bilder empfängt oder zu senden versucht, wird das Bild unscharf dargestellt, wenn es auf dem Gerät des Kindes angezeigt wird. Ausserdem bietet die App Orientierungshilfen und altersgerechte Ressourcen, damit das Kind eine sichere Entscheidung treffen und auf Wunsch auch eine Vertrauensperson kontaktieren kann.»
quelle: support.apple.com

Wann ist der zusätzliche iCloud-Schutz verfügbar?

«Advanced Data Protection» für iCloud ist gemäss Apple-Mitteilung in den USA ab sofort für Mitglieder des Apple-Beta-Software-Programmes verfügbar und werde bis Ende des Jahres für US-User verfügbar sein. Die Funktion werde «Anfang 2023 für den Rest der Welt eingeführt».

Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll auch für chinesische User eingeführt werden, bestätigte Apples Software-Chef Craig Federighi in einem Interview (siehe unten).

Ab iOS 16.2, iPadOS 16.2 und macOS 13.1 könne man «Advanced Data Protection», heisst es beim Apple-Support.

Und wie lassen sich die verschlüsselten Daten wiederherstellen, wenn man den Schlüssel verliert?

Wer «Advanced Data Protection» aktiviert, übernimmt quasi eine noch grössere Verantwortung, was den Zugriff auf die bei iCloud gespeicherten Daten betrifft. Apple kann die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht mehr aufheben. Das Unternehmen führt aber zusätzliche Mechanismen ein, die die Daten-Wiederherstellung (Data Recovery) ermöglichen:

  • Es lässt sich eine Vertrauensperson (ab 13 Jahren) definieren, die behilflich ist, wenn man das eigene Passwort vergisst und sich bei iCloud «aussperrt». Dieser «Recovery Contact» hat keinen Zugriff auf die iCloud-Daten.
  • Man erstellt einen Wiederherstellungsschlüssel – eine lange Liste von Zahlen und Zeichen, die man ausdrucken und/oder an einem sicheren Ort ablegen kann.
Die Vertrauensperson kann im Passwort-Notfall einen Code übermitteln, damit man wieder auf die eigenen iCloud-Daten zugreifen kann.
Die Vertrauensperson kann im Passwort-Notfall einen Code übermitteln, damit man wieder auf die eigenen iCloud-Daten zugreifen kann.screenshot: youtube
Bild
screenshot: youtube

Um «Advanced Data Protection» überhaupt aktivieren zu können, müssen die User auf ihrem Apple-Gerät mindestens eine der Datenwiederherstellungs-Methoden einrichten.

Die Funktion lässt sich jederzeit deaktivieren, daraufhin laden die Geräte die Verschlüsselungsschlüssel sicher auf Apple-Server hoch (und die entsprechenden Apple-ID-Konten wechseln automatisch zurück zum Standarddatenschutz).

Warum hat das so lange gedauert?

In einem Exklusivinterview erklärte Apples Software-Chef Craig Federighi im Gespräch mit Joanna Stern vom «Wall Street Journal» (WSJ), wie «Advanced Data Protection» funktioniert und nahm auch zur Frage Stellung, warum die Einführung dieser Schutzfunktion so lange gedauert hat.

Diese sei auf technische Vorarbeiten rund um Apples Online-Speicherdienst zurückzuführen, so Federighi.

2020 berichtete Reuters unter Berufung auf nicht namentlich genannte Insider, dass Apple auf Wunsch des FBI darauf verzichte, iCloud-Backups vollständig zu verschlüsseln. Federighi widersprach dem deutlich. Er habe «von diesem Gerücht gehört», wisse aber nicht, wo es hergekommen sei.

Im selben Jahr eskalierte de «Verschlüsselungsstreit» zwischen der US-Bundespolizei und Apple und auch der US-Justizminister mischte sich ein und verlangte vom iPhone-Hersteller, den Zugriffsschutz zu schwächen. Ohne Erfolg.

In der Vergangenheit waren Apple und die US-Justiz mehrfach aneinandergeraten, dabei ging es meist um iPhones von Schwerkriminellen, die sich nicht entsperren liessen.

Apples Software-Chef Craig Federighi, im YouTube-Video (Englisch):

Welche neuen Sicherheitsfunktionen gibt es sonst noch?

«iMessage Contact Key Verification»

Diese Funktion ermöglicht es bei Apples Messenger-App «Nachrichten» (iMessage), die Identität der Personen am anderen Ende zu überprüfen, und warnt sie, wenn es einem Angreifer gelingt, sein eigenes Gerät in die Konversation einzufügen, um ihren verschlüsselten Kommunikationskanal auszuspionieren.

Apple lanciert diese Funktion speziell für User, die «aussergewöhnlichen digitalen Bedrohungen ausgesetzt sind» – wie Journalistinnen, Menschenrechtsaktivisten, Politiker.

«Security Keys for Apple ID»

Apple-User können ihr Apple-ID-Konto neu so einrichten, dass ein physischer Sicherheitsschlüssel erforderlich ist, um den Anmeldevorgang abzuschliessen.

«Diese Funktion ist für User konzipiert, die häufig aufgrund ihres öffentlichen Profils konzertierten Bedrohungen für ihre Online-Konten ausgesetzt sind, wie Prominente, Journalisten und Regierungsmitglieder.»
quelle: apple
Ein Security Key ermöglicht die hardwarebasierte Authentifizierung des Users.
Ein Security Key ermöglicht die hardwarebasierte Authentifizierung des Users.bild: apple

Die jüngste Ankündigung folgt auf die Veröffentlichung von iOS 16 im September, als Apple weitere Funktionen einführte, um die Sicherheit der iPhone-Nutzerinnen und -Nutzer und den Schutz der Privatsphäre zu verbessern.

Der im Juli vorgestellte Lockdown-Modus schützt Personen mit hohem Risiko wie Menschenrechtler, Journalisten und Dissidenten vor «extrem seltenen und hochentwickelten Cyberangriffen» wie dem Einsatz kommerzieller Spyware.

Wie funktioniert Ende-zu-Ende-Verschlüsselung?

Der Apple-Support erklärt:

«Für zusätzlichen Datenschutz und Sicherheit verwenden viele Apple-Dienste eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, bei der deine Daten mit Schlüsseln verschlüsselt werden, die von deinen Geräten und deinem Geräte-Passwort abgeleitet werden, das nur du kennst.

Das bedeutet, dass nur du deine Daten entschlüsseln und darauf zugreifen kannst, und zwar nur auf vertrauenswürdigen Geräten, auf denen du mit deiner Apple-ID angemeldet bist.

Niemand sonst, nicht einmal Apple, kann auf deine durchgängig verschlüsselten Daten zugreifen. Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erfordert eine Zwei-Faktor-Authentifizierung für deine Apple-ID und ein auf deinen Geräten festgelegtes Passwort.»
quelle: support.apple.com

Quellen

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Wie Apple Geschichte schrieb
1 / 25
Wie Apple Geschichte schrieb
Apple hat der Computerbranche in den letzten vier Jahrzehnten immer wieder die Richtung vorgegeben. Das sind die wichtigsten Meilensteine ...
quelle: ap/ap / marcio jose sanchez
Auf Facebook teilenAuf X teilen
16 Dinge, die die Generation Z (vermutlich) nicht mehr versteht
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
26 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Rethinking
08.12.2022 06:38registriert Oktober 2018
Informiert ihr nochmals, wenn es dann wirklich zur Verfügung steht?
380
Melden
Zum Kommentar
avatar
Watson-Fan
08.12.2022 07:38registriert Oktober 2020
Vor jeglichem Zugriff geschützt:

Ein Ding der Unmöglichkeit. So, wie es kein total ausbruchsicheres Gefängnis gibt.

Die Hürde wird sicher stark nach oben gesetzt. Und ein absolut guter Schritt von 🍎.
345
Melden
Zum Kommentar
avatar
Habedi
08.12.2022 07:47registriert Januar 2016
Für mich geht das unter "Basic Data Protection". Versteht mich nicht falsch, ich finde das Feature toll. Jedoch frage ich mich, warum das erst jetzt kommt und nicht von Anfang an.
326
Melden
Zum Kommentar
26
VW bringt neuen Billig-Bulli
Etwas weniger Reichweite, dafür aber deutlich günstiger: Im September starten neue Basisversionen des VW ID. Buzz. Was «Pure» und «Freestyle» kosten, erfährst du hier.

Mehr Auswahl beim Elektro-Bulli: VW erweitert seine Modellreihe ID. Buzz um einige Varianten. Neu sind die Einstiegsmodelle Pure und Freestyle und das leistungsstarke Topmodell ID. Buzz GTX. Und auch Handwerker können jetzt einen elektrischen Allrad-Bulli fahren.

Mit den neuen Modellen fällt der Basispreis in Deutschland von kürzlich noch rund 65'000 Euro (für den ID. Buzz mit 150 kW und 77-kWh-Akku) auf knapp unter 50'000 Euro. Dafür muss man auch Kompromisse eingehen.

Zur Story