Der Verfassungsschutz in Thüringen hat den thüringischen Landesverband der AfD in einer internen Analyse offenbar als «kämpferisch-aggressiv» eingestuft. Das berichtet die «Welt am Sonntag» unter Berufung auf einen geheimen Vermerk, den die Sicherheitsbehörde an das thüringische Innenministerium übermittelt hat. Das Dokument könnte die Debatte um ein Verbot der AfD erneut anheizen.
Der Verfassungsschutz Thüringen hat schon mehrmals eine Vorreiterrolle bei der Betrachtung der AfD eingenommen. 2018 stufte die Erfurter Behörde den Landesverband der AfD erstmals als «Prüffall» ein. Drei Jahre später war das Amt landesweit das erste, das die Thüringer AfD als «erwiesen rechtsextremistisch» bewertete. Seitdem steht der Landesverband von Björn Höcke unter nachrichtendienstlicher Beobachtung und die Sicherheitsbehörden können Informanten im Umfeld der Partei einsetzen.
Mit der Einstufung als «kämpferisch-aggressive» Partei geht der Verfassungsschutz zwei Monate vor der Landtagswahl in Thüringen weiter: Laut dem öffentlich gewordenen Dokument schüre die AfD in Thüringen «beständig» die Ablehnung der «verfassungsmässigen staatlichen Ordnung». Die Partei würde durch «Diffamierungen staatlicher Institutionen und der sie tragenden Parteien» auffallen. Ausserdem schüre die AfD die Auffassung, dass die Ursache für Missstände «im Wesen des demokratischen Rechtsstaats» liege.
Zudem würden Vertreter der Partei öffentlich behaupten, dass «fremde Mächte» Deutschland kontrollieren und das Volk zerstören wollen. Die AfD propagiere einen «gewaltanwendenden Kampf als legitimes letztes Mittel der Befreiung vom Joch» dieser Mächte.
Für eine Beobachtung durch Geheimdienste ist nur die Feststellung verfassungsfeindlicher Bestrebungen notwendig. Die Charakterisierung als «kämpferisch-aggressiv» geht darüber hinaus. In der Praxis wird die schärfere Wortwahl häufig bemüht, um ein Vereinsverbot zu begründen. Doch in diesem Fall würde die Haltung noch keine für ein Parteienverbot nötige «Bekämpfung der verfassungsmässigen Ordnung implizieren», zitiert «Welt» aus dem Vermerk.
Tatsächlich scheut der Verfassungsschutz die Verbotsdiskussion derzeit. Hintergrund für die verschärfte Einschätzung ist wohl ein Rechtsstreit. Im vergangenen Jahr hat das Landratsamt des Saale-Orla-Kreises einem AfD-Mitglied verboten, eine Waffe zu führen und in der Begründung auf die Einstufung des Landesverbandes als «gesichert rechtsextremistisch» verwiesen.
Das AfD-Mitglied zog vor das Verwaltungsgericht in Gera und bekam dort Recht. Die bisherigen Berichte der Sicherheitsbehörden würden nicht ausreichend, um die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbandes der AfD Thüringen zu beweisen, befand das Gericht. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung, weil die «erforderliche Feststellung einer waffenrechtlich relevanten, kämpferisch-aggressiven Haltung» der AfD fehle, um dem Mann seine Waffen wegzunehmen.
Das Urteil war eine Niederlage für das Innenministerium und den Verfassungsschutz, der sich sogleich daran machte, den fehlenden Nachweis nachzuholen. Dazu trug die Behörde 35 Aussagen von AfD-Funktionären zusammen, die eine «kämpferisch-aggressive» Haltung belegen sollen. 31 dieser Aussagen stammen von Björn Höcke.
Die Landesschützer zählen unter anderem eine Rede dazu, die Höcke im November 2023 bei einer Pegida-Versammlung hielt: «Begegnet euch und glaubt mir: Wenn es hart auf hart kommt, dann werden wir uns erkennen. Dann werden wir uns finden. Dann sind wir das, was wir immer waren. Treu und deutsch und eine Gemeinschaft, die die Zukunft erkämpfen wird.» Für den Verfassungsschutz beweist die Rede einen «Geist des Widerstandes», der sich gegen die staatliche Ordnung richte.
Auf Anfrage der «Welt am Sonntag» hat der Thüringer Verfassungsschutz bestätigt, dass die Prüfung einer «kämpferischen-aggressiven Haltung» der AfD bisher nicht abgeschlossen sei. Verfassungsschutz und Innenministerium wollen die rechtlichen Fragen noch weiter auswerten.
Verwendete Quellen: