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Putins Schattenkrieg: Die Rolle der Wagner-Söldner in Afrika

Putins Schattenkrieg: Die Rolle der Wagner-Söldner in Afrika

Fast zwei Jahre nach dem Tod von Jewgeni Prigoschin ist das bevorzugte «Spielfeld» der Söldnergruppe Wagner noch immer dasselbe: Afrika.
24.03.2025, 20:4924.03.2025, 20:49
Alexandre Cudré
Alexandre Cudré
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Während sich zwischen dem Westen und Russland eine Art neuer Kalter Krieg abzeichnet, rücken einige historische Schauplätze wieder in den Fokus. Einer davon ist Afrika. Besonders in der Sahelzone macht sich dabei die russische Präsenz bemerkbar.

Im Gegensatz zur Ukraine wagt es Putin nicht, reguläre russische Soldaten dorthin zu entsenden – ein riskantes Unterfangen in völkerrechtlicher Hinsicht und angesichts der vor Ort betriebenen Geschäfte, die sich in einer Grauzone bewegen. Stattdessen sind es private Paramilitärs und andere Söldner, die in Subsahara-Afrika Präsenz markieren.

«Wagner ist tot, es lebe Wagner»

Was läge also näher, als die Söldner der Wagner-Gruppe wiederzuverwerten? Die private Miliz des umstrittenen Jewgeni Prigoschin war in den letzten Jahren in zahlreichen afrikanischen Ländern aktiv. Nach dessen Tod im Sommer 2023 wurde die Organisation zwar aufgelöst – oder besser gesagt: umstrukturiert.

Laut Dimitri Zufferey, Mitglied des Kollektivs «All eyes on Wagner» und spezialisiert auf Open-Source-Geheimdienstinformationen (Osint), sind «die russischen Paramilitärs in den afrikanischen Staaten weiterhin stark präsent. Diese Präsenz nimmt unterschiedliche Formen an.»

«Man könnte sagen: ‹Wagner ist tot, es lebe Wagner.›»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Die ursprüngliche Wagner‑Gruppe – der «historische Kern» – existiert laut Dimitri Zufferey weiterhin, ist jedoch nicht mehr so mächtig wie früher. Sie hat ihre eigenen Ableger hervorgebracht, die zu einer Vielzahl verschiedenartiger privater Militärunternehmen geführt haben – darunter das Afrikakorps, die Wagner-Legion Istra, Redut, Convoy, die Brigade Bear und die Zarenwölfe.

«Es gibt verschiedene ‹Marken›, aber der Geist von Wagner hat sich nicht verändert.»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Ein kontrollierter «Nebel des Krieges»

Der entscheidende Unterschied zur Ära Prigoschin ist die Abwesenheit eines «Big Boss», dessen Macht Putins Einfluss hätte überschatten können. «Seit seinem Tod haben die russischen Geheimdienste, sowohl der zivile (SVR) als auch der militärische (GRU), die Kontrolle über die Aktivitäten dieser Gruppen übernommen», erläutert Dimitri Zufferey. Die Leitung liegt in den Händen sogenannter «Silowiki» – mächtiger Oligarchen in Putins Umfeld, die sich die Taschen füllen. Allerdings gibt es keine direkte Verbindung zwischen den Tätigkeiten dieser privaten Militärfirmen und dem russischen Präsidenten.

«Über den Aktivitäten der russischen Paramilitärs liegt ein Nebel des Krieges. Alles wird so arrangiert, dass die Organisationsstrukturen dieser Gruppen auf afrikanischem Boden undurchsichtig bleiben.»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Der Plan ist ausgereift: Die Interessen Russlands auf dem afrikanischen Kontinent werden von Dritten gesichert, ohne dass sich Wladimir Putin selbst die Hände schmutzig macht.

Die Karte

Konkret geht es um Libyen, Mali, den Sudan und die Zentralafrikanische Republik.

Karte Afrika Wagner
Ebenfalls markiert: Syrien und zuoberst der Süden Russlands.Bild: watson

Libyen

Russland konzentriert sich nun voll auf Libyen, genauer: einen Militärstützpunkt im Süden des Landes. Das Ziel? Ihn zum neuen «Hub» für Afrika zu machen. Bisher wurde Syrien als Ausgangspunkt für die Entsendung russischer Söldner genutzt.

Doch der Sturz Baschar al-Assads hat alles verändert. Wladimir Putin pflegt nun ein gutes Verhältnis zum islamistischen Rebellen Ahmed al-Scharaa, der mittlerweile das Land kontrolliert und versichert, eine «enge strategische Beziehung» mit Moskau zu unterhalten. Die beiden russischen Militärbasen am Mittelmeer, Tartus und Hmeimim, bleiben vorerst bestehen.

Dennoch haben die Russen begonnen, ihre militärische Ausrüstung aus dem Land abzuziehen – «in einer Aktion, die rasch wie eine allgemeine Evakuierung wirkte», heisst es in einem aktuellen Bericht von «All eyes on Wagner». «Auf Satellitenbildern war zu erkennen, dass Logistik, Waffen und russische Truppen von ihren syrischen Stützpunkten per Schiff an die libysche Küste verlegt wurden», erläutert Dimitri Zufferey. Diese Bewegungen fanden mit der Zustimmung von General Haftar statt, der die östliche Hälfte Libyens kontrolliert.

Misstraut Wladimir Putin Ahmed al-Scharaa und einer möglichen islamischen Zukunft Syriens? Libyen erscheint ihm auf merkwürdige Weise sicherer, obwohl das Land von einem Bürgerkrieg zerrissen ist. «Im Norden des Landes, wo sich die meisten Städte sowie die Küste befinden, mag das zutreffen», bestätigt Dimitri Zufferey. Doch die Russen modernisieren einen Komplex im Südosten des Landes, mitten in der Wüste: den Stützpunkt Matan as-Sarra.

«Er stammt noch aus der Zeit des Kalten Krieges und wird gerade umgebaut. Er soll die bedeutendste russische Basis in Afrika werden.»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Hier liefern sich die vorhandenen Kräfte keine Kämpfe, und die Russen haben ihre Ruhe. Die Karte spricht für sich: Dieser Stützpunkt, dessen Landebahn «genug Platz für Grossraumflugzeuge bietet», ermöglicht schnelle Einsätze in Mali, der Zentralafrikanischen Republik und im Sudan.

«Das ist der perfekte Ort für einen Hub.»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Zentralafrikanische Republik

Dabei handelt es sich um das Land südlich der Sahara, in dem die Geschäfte der russischen Paramilitärs am wenigsten Aufsehen erregen. Die hier eingesetzten Truppen entstammen dem «historischen Kern» von Wagner und stehen unter der diskreten, aber festen Kontrolle von Dmitri Syty.

«Die Zentralafrikanische Republik ist das Land, in dem die russischen Söldner den grössten Eindruck von Stabilität vermitteln. Syty pflegt gute Kontakte zur Junta und verkauft seine Dienste an Präsident Touadéra.»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Die russischen Einnahmen stammen vor allem aus Sicherheitsdienstleistungen, die an die Präsidentengarde von Faustin-Archange Touadéra verkauft werden. Daneben spielen allerdings auch die Produktion und der Handel mit Rohstoffen, insbesondere Gold, eine Rolle.

Mali

Seit ihrer Ankunft Ende 2021, nachdem die französischen Truppen abgezogen waren, haben die Wagner-Kämpfer zusammen mit den malischen Streitkräften Einsätze gegen Dschihadisten geführt. Ihre brutalen Methoden gingen jedoch oft mit Massakern an der Zivilbevölkerung einher und trieben so zahlreiche neue Rekruten in die Arme der Dschihadisten. Im vergangenen Juli wurde eine gross angelegte Offensive von Tuareg-Rebellen zu einem Fiasko für die Paramilitärs: Mehr als 80 Russen kamen ums Leben.

Seitdem «halten sich die Söldner mit ihren Patrouillen zurück, und es hat keine so schweren Gefechte mehr gegeben», sagt Dimitri Zufferey. Doch die Dschihadisten sind nicht wirklich zurückgewichen. Laut dem Global Terrorism Index war Mali im Jahr 2024 das weltweit am viertstärksten von Terrorismus betroffene Land – 604 Menschen kamen ums Leben. Das Nachbarland Burkina Faso rangiert auf Platz 1.

Die «Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime» (JNIM), eine der Gruppierungen, die an dem Hinterhalt beteiligt war, sowie der «Islamische Staat in der Sahelzone» haben dort zahlreiche Gräueltaten begangen und weiten ihren Einfluss aus. «Gruppen wie die JNIM konnten ihre Aktivitäten in Richtung der Küstengebiete Westafrikas ausdehnen», heisst es im jüngsten Bericht des Global Terrorism Index. Dimitri Zufferey ergänzt:

«Die im Rahmen der Operation Barkhane eingesetzten französischen Streitkräfte sorgten für eine gewisse Stabilität.»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Die Russen «haben nicht die gleiche Effizienz und Kontrolle über das Gebiet» wie die Franzosen, die nicht nur ihre militärischen Mittel einsetzten, sondern auch zivile Projekte entwickelten – mit NGOs, die sich der Bildung oder der Einrichtung von Schulen widmeten. All dies scheint nun in weite Ferne gerückt zu sein.

«Die Ziele der Russen in Mali sind hauptsächlich finanzieller Natur»
Dimitri Zufferey, «All eyes on Wagner»

Was die von russischen Söldnern begangenen Verbrechen betrifft, so ist ihre «Dokumentation besonders schwierig», stellt der Experte fest.

Sudan

In dem ostafrikanischen Land am Roten Meer werden die Dinge nicht unter der Hand, sondern offen ausgetragen. Am 12. Februar unterzeichneten die sudanesischen Behörden ein Abkommen mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow. Darin wurde der Bau einer russischen Militärbasis am Roten Meer in Port Sudan vereinbart. Der Stützpunkt soll 300 Mann aufnehmen, vier Schiffe können dort vor Anker gehen.

epa11890164 Russian Foreign Minister Sergei Lavrov (L) and his Sudanese counterpart Ali Youssef Ahmed Al-Sharif attend a press conference following their meeting in Moscow, Russia, 12 February 2025. E ...
Sergej Lawrow begrüßte seinen sudanesischen Amtskollegen Ali Youssef in Moskau.Bild: keystone

Dieses Abkommen ist nicht vom Himmel gefallen. Die Russen machten im November vergangenen Jahres von ihrem Vetorecht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Gebrauch und begünstigten die sudanesische Regierung gegenüber den Rebellen in einem Bürgerkrieg, der das Land seit 2023 zerreisst. Damit torpedierten sie einen von Grossbritannien vorgeschlagenen Entwurf für einen Waffenstillstand. Die Retourkutsche liess nicht lange auf sich warten.

Moskau will damit auf diese Weise mit den Militärstützpunkten anderer Mächte in der Region konkurrieren, die sich alle in Dschibuti befinden: zwei amerikanische, ein französischer, ein italienischer, ein japanischer und ein chinesischer Stützpunkt. Der russische Stützpunkt wird sich auf halbem Weg zwischen Dschibuti und dem Suezkanal befinden. Dimitri Zufferey ist jedoch skeptisch: «Im Moment ist es vor allem eine Ankündigung. Das Projekt ist seit 2017 in der Pipeline, aber der Grundstein wurde noch nicht gelegt», sagt er.

Die Wagner-Gruppe ist bereits seit mehreren Jahren im Sudan tätig, um sich Goldminen unter den Nagel zu reissen. Sergei Lawrow zögerte nicht, von «Hilfe bei der Entwicklung der Bodenschätze» im Land zu sprechen – und verdeutlicht damit das Interesse Russlands.

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Der Wagner-Aufstand in 25 Bildern
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Der Wagner-Aufstand in 25 Bildern
Sicherheitskräfte und gepanzerte Fahrzeuge besetzen das Hauptquartier der russischen Armee des südlichen Militärbezirks, 24. Juni 2023.
quelle: epa / stringer
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Video: srf
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18 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DonSamotti
24.03.2025 22:31registriert Juni 2019
„Im Gegensatz zur Ukraine wagt es Putin nicht, reguläre russische Soldaten dorthin zu entsenden – ein riskantes Unterfangen in völkerrechtlicher Hinsicht…“

als ob Putin sich auch nur einen Deut für das Völkerrecht interessieren würde.
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En Espresso bitte
24.03.2025 21:18registriert Januar 2019
Verrückt, wie in einer Zeit des globalen Handels das blutige Erobern von Rohstoffen wieder aufblüht. Und mittendrin die Schweiz als eine der grössten Rohstoffhändlerinnen.
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