Der russische Aggressionskrieg in der Ukraine zieht seine Kreise, und das neuerdings bin in die Sahara. Ukrainische Militärberater – die vielleicht nicht nur beratend tätig sind – und Drohnen greifen im Wüstennorden Malis gezielt Einheiten der russischen Armee an. Aufs Korn nehmen sie vor allem das «Afrika-Korps» aus ehemaligen Söldnern der Privatarmee Wagner, die heute in die russische Armee eingegliedert ist.
Im Juli fügten Tuareg-Rebellen mit Hilfe ukrainischer Waffen ihren Gegnern bei Tin Zouatine an der malisch-algerischen Grenze schwere Verluste zu. 84 Russen und 47 Soldaten der malischen Armee sollen ums Leben gekommen sein.
Im September griffen Tuareg-Einheiten mit Drohnen ein russisches Söldnerlager in Léré an, anfangs Oktober ein weiteres in Goundam. Dort, unweit der Wüstenstadt Timbuktu, kamen neun Russen ums Leben, wie französische Medien berichten.
Das Wüstenvolk der Tuareg kämpft in Mali seit Jahren für einen eigenen Staat namens Azawad. Neu ist, dass ihre Organisation «Dauernder Strategischer Rahmen» (CSP) Unterstützung aus dem fernen Kiew erhält. Andry Jusow, der Sprecher des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR, bestätigte, dass seine Organisation den Tuareg «die nötigen Informationen» zukommen lasse, um «erfolgreich militärische Operationen gegen die russischen Kriegsverbrecher zu lancieren».
Gegenüber der Pariser Zeitung «Le Monde» präzisierte ein ukrainischer Militärexperte anonym, dass sich eine «bedeutende Gruppe unserer Instruktoren» in den Sahel begeben habe und «sich dort immer noch befindet».
Damit kämpfen russische und ukrainische Einheiten in Afrika indirekt gegeneinander. Diese Konstellation ergab sich schon 2023 im Bürgerkrieg im Sudan, wo ukrainische Soldaten versuchten, den zunehmenden russischen Einfluss zu kontern.
Und dies nicht nur auf militärischem Gebiet. Kiew will in Afrika, wo der russische Präsident Wladimir Putin eine sehr aktive und effiziente Diplomatie verfolgt, seinerseits zehn zusätzliche Botschaften eröffnen. In Côte d'Ivoire, einem westlich orientierten Nachbarland Malis, ist dies bereits geschehen. Ausserdem hilft Kiew acht armen Sahelstaaten mit dem Nahrungsmittelprogramm «Korn der Ukraine».
Russland kooperiert seinerseits mit Sahelländern wie Burkina Faso oder Niger. In Mali haben 2000 russische Ex-Söldner zahlreiche Feldlager – so beim internationalen Flughafen in der Hauptstadt Bamako – errichtet, die langsam zu Garnisonen werden. Die ursprünglich 5000 französischen Soldaten und Fremdenlegionäre mussten das Land dagegen 2023 verlassen.
Die Militärjunta in Bamako hat die diplomatischen Beziehungen zur Ukraine nach den Drohnen-Attacken der Tuareg gegen russische und malische Einheiten umgehend abgebrochen. Sie wirft Kiew vor, nicht nur mit den Tuareg, sondern auch mit den aus Libyen und Algerien einfallenden Dschihad-Gruppen unter einer Decke zu stecken.
Den gleichen Vorwurf hatte der malische Putschoffizier Assimi Goita – der sich mit militärischer Schützenhilfe Moskaus an der Macht hält – schon an die Adresse Frankreichs gerichtet.
Die Behauptung entbehrt zwar jeder Grundlage. Aber sie passt in die neue, nicht nur militärische Frontstellung, die sich in Westafrika und darüber hinaus abzeichnet. Der wachsende russische Einfluss, der in Mali und anderswo die frühere sowjetische Präsenz neu belebt, prallt auf westliche und nun auch ukrainische Interessen.
Dies weckt vor Ort auch Befürchtungen, Afrika könne zum Schauplatz eines russisch-westlichen Stellvertreter- oder gar eines dritten Weltkriegs werden. Sicher ist, dass die Destabilisierung des ganzen Sahelraumes den Migrationsdruck auf Europa erhöht. Und gerade das ist dem Kreml noch so recht. (aargauerzeitung.ch)